Nach dem Massaker an jüdischen Zivilisten fragen sich viele Menschen, wie es auch bei uns zu einer Welle des Antisemitismus kommen konnte. So hat der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) seit dem Pogrom der Hamas rund 50 antisemitische Vorfälle im realen Leben und mehr als 170 im Internet gemeldet, eine massive Zunahme gegenüber der Vorjahresperiode.
Stöbert man in Medienarchiven, so fällt in der Zeit vor dem 7. Oktober auf, dass der Judenhass vor allem im rechtsextremen Milieu verortet wurde. Doch seltsamerweise waren es dann am Tag des Pogroms keine Neonazis, die weltweit auf den Strassen feierten und sich über die abgeschlachteten Frauen und Kinder freuten, sondern in erster Linie Muslime. Und ein Blick in die sozialen Medien zeigt schnell, dass die krassesten Äusserungen häufig von jenen Fanatikern kommen, die schon in der Vergangenheit durch islamistische Haltungen auffielen - auch bei uns in der Schweiz.
Nun ist Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gaza-Streifen oder die Teilnahme an propalästinensischen Demonstrationen noch lange kein antisemitischer Akt. Wer aber die Auslöschung Israels fordert oder den Judenstaat mit Nazi-Deutschland vergleicht, überschreitet eine Grenze und bringt damit seine Abneigung, wenn nicht sogar Hass gegenüber Juden zum Ausdruck. Der Vergleich mit dem Dritten Reich ist besonders obszön und zeigt eine erschreckende Geschichtsblindheit. Er relativiert nicht nur den Holocaust, sondern verhöhnt die jüdischen Opfer des industriellen Massenmords.
Ahmed A., der sich früher im Kanton Zürich als muslimischer Seelsorger für Strafgefangene betätigte, schrieb kürzlich in den sozialen Medien: «Selbst die Nazis haben nicht Spitäler bombardiert!» Für Ahmed A. ist Israel sogar noch schlimmer als das Dritte Reich.
Dazu passt, dass der religiöse Muslim schon früher antisemitische Verschwörungstheorien verbreitete. In einem seiner Beiträge auf Facebook kommt eine Karikatur vor, in der Israel die Medien dafür bezahlt, dass sie Muslime als Terroristen darstellen. Ausserdem teilte er vor kurzem eine Zeichnung, in der Säuglinge von einem blauen Davidsstern enthauptet werden. Die Aufschrift lautete: «Der Teufel tötet - Gaza 2023.» Damit wärmt Ahmed A. das alte antisemitische Schauermärchen auf, wonach Juden gerne Kleinkinder ermorden.
Ähnlich wie der ehemalige Seelsorger steht auch der aus Libyen stammende Mohammed B. im Zürcher Oberland der islamistischen Muslimbruderschaft nahe. Dass sich Anhänger der Muslimbrüder oft für die Hamas einsetzen, ist nicht erstaunlich, denn die Hamas ging ursprünglich aus der Muslimbruderschaft hervor. Am 7. Oktober, dem Tag des antijüdischen Pogroms, jubelte Mohammed B. auf Facebook. Mit Blick auf die Hamas-Terroristen schrieb er, dass er zufrieden sei mit der Arbeit der Männer. Und er erbat für sie Allahs Segen.
Idriz M. kam während der Balkankriege als Asylsuchender in die Schweiz. Asyl wurde dem Albanischstämmigen zwar nicht gewährt, trotzdem durfte er im Kanton Aargau bleiben und wurde dort eingebürgert. Er gehörte zu den ersten Aktivmitgliedern des selbst ernannten Islamischen Zentralrats und vertrieb eine Zeit lang Bücher über den Islam. Vor kurzem verbreitete er eine Karikatur, auf der eine Betonmauer um den Gaza-Streifen gezogen ist. Von oben schiessen israelische Soldaten auf die Palästinenser, und unter der Mauer quillt Blut hervor. Auf der Wand prangt ein Davidsstern, in den ein Hakenkreuz eingewoben ist.
Anders als die drei Beispiele, die alle zur islamistischen Szene gehören, erinnern die Äusserungen des an der ETH in Zürich wirkenden N. A. an Hassbotschaften von Linksextremen. So feierte der Palästinensischstämmige die Attacke der Hamas am 7. Oktober auf Twitter mit diesen Worten: «Heute, wenn die Palästinenser koloniale Barrieren niederreissen, beleben sie den Traum einer offenen, befreiten Geografie.» Wer von einem Traum faselt, während es zum schlimmsten Judenpogrom seit dem Holocaust kommt, muss sich nicht wundern, wenn ihm Antisemitismus vorgeworfen wird.
N. A., der auf der Website der ETH als «postdoctoral fellow» mitsamt Lebenslauf aufgeführt ist, wollte sich auf Anfrage nicht äussern. Stellvertretend erklärte die Medienstelle der ETH, dass man mit dem Autor das Gespräch gesucht und ihn auf die «Unangemessenheit des Tweets » aufmerksam gemacht habe. «Da der Tweet missverstanden werden kann, ist er seit langem gelöscht.» Den Vorwurf des Antisemitismus könne die ETH nicht nachvollziehen.
Auch seither fand N. A. keine Worte des Bedauerns über die jüdischen Opfer, dafür warnte er vor einem Genozid an den zwei Millionen Palästinensern im Gaza-Streifen, potenziell «einer der schlimmsten Völkermorde der modernen Geschichte».
Dass ein erheblicher Teil des Judenhasses aus der muslimisch-arabischen Ecke kommt und dass viele dieser Antisemiten über die Asylschiene in die Schweiz gelangt sind, wissen Kenner der Szene schon lange. Nur haben Politiker und viele Medien bisher lieber verschämt weggesehen. Man wollte sich nicht dem Vorwurf der «Islamophobie» aussetzen.
(aargauerzeitung.ch)