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Schwere Ausschreitungen israelischer Siedler nach tödlichem Anschlag

Schwere Ausschreitungen israelischer Siedler nach tödlichem Anschlag

27.02.2023, 09:4627.02.2023, 09:46
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Burned cars are seen in the town of Huwara, near the West Bank city of Nablus, Monday, Feb. 27, 2023. Scores of Israeli settlers went on a violent rampage in the northern West Bank, setting cars and h ...
Abgebrannte Autos in Huwara.Bild: keystone

Nach einem tödlichen Anschlag auf zwei Israelis im nördlichen Westjordanland ist es dort am Sonntag zu schweren Ausschreitungen israelischer Siedler gekommen. Ein Palästinenser wurde nach Angaben des Gesundheitsministeriums durch Schüsse tödlich verletzt. Es war zunächst unklar, ob diese von Siedlern oder Soldaten abgegeben worden waren. Mindestens 100 Palästinenser wurden nach Angaben von Sanitätern verletzt, als israelische Siedler in Huwara und Ortschaften in der Umgebung zahlreiche Häuser, Läden und Autos von Palästinensern in Brand setzten.

Sie übten damit Rache für den Anschlag auf die beiden Brüder im Alter von 20 und 22 Jahren, die zuvor in der Huwara, das südlich von Nablus liegt, erschossen worden waren. Sie stammten aus der nahegelegenen israelischen Siedlung Har Bracha. Die Suche nach dem palästinensischen Tatverdächtigen dauerte derweil an. Angesichts der gefährlichen Eskalation der Lage teilte die Armee am Abend mit, sie werde ihre Truppen im Westjordanland um zwei weitere Bataillone verstärken.

Rechtsextremer israelischer Abgeordneter begrüsst Siedler-Gewalt
Ein Abgeordneter der rechtsextremen Koalitionspartei Ozma Jehudit in Israel hat am Montag die schweren Ausschreitungen israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland ausdrücklich begrüsst. Solche Taten sorgten nach dem tödlichen Anschlag eines Palästinensers auf zwei junge israelische Siedler für die notwendige Abschreckung, sagte Knessetmitglied Zvika Fogel dem Rundfunksender Galei Israel. Zu seiner Partei gehört auch Polizeiminister Itamar Ben-Gvir.
Als Rache für den Anschlag in der Ortschaft Huwara südlich von Nablus hatten israelische Siedler dort am Sonntagabend Dutzende Häuser, Läden und Autos in Brand gesetzt. Bei den Ausschreitungen in Huwara und benachbarten Orten wurden ein Palästinenser getötet und Hunderte verletzt. Die israelische Armee erklärte, die Schussverletzungen des getöteten Palästinensers stammten nicht von Soldaten.

Zuvor waren bei einem Treffen in der jordanischen Hafenstadt Akaba vertrauensbildende Massnahmen Israels und der Palästinenser vereinbart worden. An den mutmasslich ersten direkten Gesprächen dieser Art zwischen beiden Seiten seit Jahren nahmen auch Regierungsvertreter der USA, Jordaniens und Ägyptens teil. Ein weiteres Treffen wurde für kommenden Monat im ägyptischen Scharm el Scheich angesetzt.

Israelis und Palästinenser wollten «einseitige Massnahmen» für drei bis sechs Monate aussetzen, hiess es ohne Nennung weiterer Details in einer gemeinsamen Erklärung. Israel verpflichtete sich demnach, vier Monate lang keine Diskussionen über den Bau neuer Siedlungen im Westjordanland zu führen und sechs Monate lang keine neuen Siedlungs-Aussenposten zu genehmigen.

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Bild: keystone

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte dagegen auf Twitter, Israel habe sich zu keinem Baustopp verpflichtet. Der Ausbau und die Legalisierung von Siedlungen im Westjordanland sollten wie geplant weitergehen. Auch Finanzminister Bezalel Smotrich, der unter anderem den Siedlungsbau kontrolliert, schrieb bei Twitter: «Der Ausbau und die Entwicklung des Siedlungsprojekts wird nicht für einen einzigen Tag eingefroren.» Die israelische Armee werde ausserdem ohne jede Einschränkung im gesamten Westjordanland gegen Terror vorgehen, betonte er. Eine Erklärung für den offensichtlichen Widerspruch zwischen den Erklärungen der Regierungspolitiker und der israelischen Verhandlungsdelegation in Akaba wurde nicht abgegeben.

Netanjahu rief seine Landsleute am Sonntagabend dazu auf, «das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen». Die Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Meirav Michaeli, sprach von einem «Pogrom» der Siedler gegen die Palästinenser.

Das Treffen in Akaba kam rund drei Wochen vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. In vergangenen Jahren hatten die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern in dieser Zeit häufig noch stark zugenommen.

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist bereits seit langem extrem angespannt. Seit dem Amtsantritt der rechts-religiösen Regierung Netanjahus vor zwei Monaten hat sie sich aber noch einmal deutlich zugespitzt.

Erst am Donnerstag waren bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus elf Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt worden. Seit Beginn des Jahres wurden zwölf Israelis und eine Ukrainerin bei palästinensischen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 63 Palästinenser ums Leben - sie wurden etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder nach eigenen Anschlägen erschossen.

Das israelische Kabinett billigte am Sonntag einen Gesetzesentwurf, der die Todesstrafe für Terroristen vorsieht. Der umstrittene Vorstoss muss noch mehrere Lesungen im Parlament passieren, bevor er in Kraft treten kann. Mit einer ersten Abstimmung wird am Mittwoch gerechnet.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt. (aeg/sda/dpa)

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