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Italien

«Sniper-Touristen» in Bosnien-Krieg: Rom beschäftigt sich mit dem Fall

Young Bosnian boy plays on the turret of a ruined tank following the Siege of Sarajevo. Behind him, war-torn Grbavica neighbourhood. Sarajevo, 1995
bild: reddit
Ein kleiner bosnischer Junge spielt auf dem Turm eines zerstörten Panzers nach der Belagerung von Sarajevo im Jahr 1995.

«Sniper-Touristen» in Bosnien-Krieg: Rom untersucht «Wochenend-Scharfschützen»

13.11.2025, 20:2813.11.2025, 20:28

Der Skandal um mutmassliche italienische «Kriegstouristen», die in den 1990er Jahren als Scharfschützen an der Belagerung von Sarajevo teilgenommen und dafür bezahlt haben sollen, Zivilisten zu erschiessen, sorgt in Italien für Aufregung. Der Fall könnte bald die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beschäftigen.

Die oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung hat eine parlamentarische Anfrage an die Regierung gerichtet, um zu erfahren, ob die in den Archiven der italienischen Geheimdienste vorhandenen Dokumente zur «Sarajevo Safari» zugänglich gemacht werden können.

Italiens früherer Militärgeheimdienst Sismi soll vor etwas mehr als 30 Jahren «entdeckt» haben, dass sogenannte «Wochenend-Scharfschützen», darunter auch Italiener, von Triest aus zu tödlichen «Safari-Reisen» aufbrachen, um in der belagerten bosnischen Stadt Sarajevo zu töten. Sogar Frauen und Kinder waren Ziel dieser Taten. Dem Geheimdienst soll es gelungen sein, die Operation zu stoppen.

Bosnia Herzegovina Civil War
Die Belagerung von Sarajevo kostete rund 11'000 Menschen das Leben.Bild: AP NY

Italienischer Schriftsteller erstattete Anzeige

Möglicherweise existieren Dokumente, die die «Identitäten» dieser Mörder, der sogenannten «Touristen-Schützen», beinhalten, berichtete ein ehemaliger bosnischer Geheimdienstagent dem Schriftsteller Ezio Gavazzeni, der vor einigen Monaten eine Anzeige bei der Mailänder Staatsanwaltschaft erstattet hatte, die zur Einleitung einer Untersuchung wegen mehrfachen Mordes aus verwerflichen und grausamen Motiven führte.

Die bosnischen Dienste erfuhren Ende 1993 von diesen «Jagdausflügen». Sie informierten den Militärgeheimdienst Sismi Anfang 1994. Nach drei Monaten erhielten sie die Antwort, dass die Reisen nach Sarajevo gestoppt worden seien. Die Namen der «Scharfschützen» wurden vom Sismi nicht übermittelt, berichtete Gavazzeni.

Die Zeugenaussagen und Dokumente, die nun geprüft werden müssen, stehen im Mittelpunkt der Ermittlungen des Mailänder Staatsanwalt Alessandro Gobbis. In den Militärarchiven von Sarajevo seien die Dokumente zu dem Fall als «Top Secret» eingestuft. Selbst die ehemalige Bürgermeisterin Sarajevos, Benjamina Karic, die bereit ist, vor der Mailänder Staatsanwaltschaft auszusagen, habe erfolglos versucht, über ein Gesuch Zugang zu den lokalen Justizunterlagen zu erhalten, berichtete Gavazzeni.

Wohlhabende Personen als «Scharfschützen-Touristen»

Laut der Anzeige handelte es sich bei den «Scharfschützen-Touristen» um wohlhabende Personen, teils mit rechten politischen Ansichten und Leidenschaft für Waffen. Die Reise sei als Jagdausflug getarnt gewesen, um die Teilnehmer unauffällig nach Belgrad und in den Einsatzraum zu bringen.

Die Scharfschützen reisten mit einer «serbischen Fluggesellschaft» und wurden in Belgrad von Personen empfangen, die sie per Hubschrauber zum Einsatzort brachten. Dabei soll es sowohl legale als auch illegale Geldflüsse gegeben haben – Dokumentationen über diese Transaktionen dürften bei den italienischen Diensten vorliegen, berichtete Gavazzeni. Umgerechnet 80'000 bis 100'000 Euro soll so ein «Jagdausflug» gekostet haben, schätzen italienische Ermittler. Auf Kinder zu schiessen, sei noch teurer gewesen.

Die Belagerung von Sarajevo ist eine der blutigsten Episoden des Krieges in Bosnien-Herzegowina, der zwischen 1992 und 1996 tobte. Er kostete rund 11'000 Menschen das Leben. (sda/apa)

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89 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pointless Piraña
13.11.2025 21:03registriert Dezember 2019
Ein Teil der Menschheit ist einfach absoluter Schmutz. Unfassbare Vorstellung. 😞
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Garp
13.11.2025 21:25registriert August 2018
Es leben zu viele schwerst gestörte Menschen unter uns. Offenbar sind es genau diese, die zu Geld kommen und es auch bis in die Spitzen schaffen.
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JefftheBeff
13.11.2025 21:30registriert Juni 2020
Ich hoffe, dass der Tag noch kommt, an dem diese Biester ihre Taten erklären müssen, nicht nur vor einem Gericht, sondern auch vor ihren eigenen Nachkommen.
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