Der römische Kassationsgerichtshof hat das Urteil im Mordfall Lorena Quaranta (27) aufgehoben. Antonio De Pace, der wegen Mordes an seiner Freundin zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wird nun erneut vor Gericht gestellt. Grund dafür ist die Entscheidung der Höchstrichter, dass die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Angeklagten bei der Urteilsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Lorena Quaranta wurde im März 2020 von ihrem Freund Antonio De Pace (27) getötet. Das Paar lebte zusammen in einer Wohnung nahe Messina auf Sizilien (Italien). De Pace hatte panische Angst vor dem Virus und geriet immer wieder mit Quaranta in Streit, besonders nachdem sie anfing zu husten.
Am Abend des 30. März 2020 eskalierte ein Streit zwischen den beiden. De Pace schlug auf Quaranta ein und erwürgte sie anschliessend mit blossen Händen, wie «Südtirol News» schreibt. Danach verständigte er die Carabinieri und versuchte, sich selbst das Leben zu nehmen.
Zu seiner Motivation sagte der Verurteilte vor Gericht:
Diese Aussage stellte sich jedoch als falsch heraus, beide waren negativ auf SARS-CoV-2 getestet worden. Die Verteidiger von De Pace plädierten auf eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit aufgrund seiner Angstzustände während der Pandemie.
Die ersten beiden Instanzen verurteilten De Pace jeweils zu lebenslanger Haft. Sie kamen zu dem Schluss, dass er zum Zeitpunkt der Tat voll zurechnungsfähig gewesen sei. Der Kassationsgerichtshof jedoch entschied, dass die besonderen Umstände der Covid-Zeit bei der Urteilsfindung nicht ausreichend berücksichtigt wurden.
Zum Zeitpunkt ihres Todes stand Lorena Quaranta kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums, sie wollte Kinderärztin werden. Nach ihrem Tod verlieh ihr die Universität Messina einen Ehrendoktortitel. Die Familie der Getöteten fordert weiterhin Gerechtigkeit für Lorena und eine angemessene Strafe für ihren Mörder.
Antonio De Pace hatte Zahnmedizin studiert, beide waren zur Tatzeit gleich alt. Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Kassationsgerichts einen Präzedenzcharakter haben wird. Bis zur endgültigen Entscheidung wird Antonio De Pace weiter in Untersuchungshaft bleiben.
In ihrer Begründung führten die Höchstrichter aus, dass geprüft werden müsse, ob die Pandemie und ihre Auswirkungen das Ausmass der strafrechtlichen Verantwortung von De Pace beeinflusst haben könnten. Dies umfasse auch seine Angstzustände und deren mögliche Minderung durch geeignete Massnahmen. Aufgrund dieser Überlegungen wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.
Das kommende Berufungsverfahren wird sich daher erneut mit der Frage beschäftigen müssen, ob Covid-Stress als strafmildernder Umstand anerkannt werden kann. Experten gehen davon aus, dass dies eine erhebliche Reduzierung des Strafmasses nach sich ziehen könnte. Die Entscheidung hat landesweit für heftige Diskussionen gesorgt.
Viele Italiener sind der Meinung, dass Lockdown- und Covid-Stress keine Gründe für Strafmilderungen sein dürfen. Angesichts einer Serie von Femiziden in Italien sehen Kritiker diese Entwicklung mit Sorge. Auch die Familie von Lorena Quaranta zeigt sich enttäuscht von der Aufhebung des Urteils.
Elisabetta Lancellotta, Abgeordnete der rechtsextremen Partei «Brüder Italiens» (FdI) von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äusserte sich erstaunt über das Vorgehen. «Covid kann und darf nicht zu einem mildernden Umstand werden, insbesondere nicht in Fällen von Frauenmord», so Lancellotta. Während der Pandemie hätte es einen erheblichen Anstieg der häuslichen Gewalt mit tragischen Folgen in Italien gegeben. «Bei Gewalt gegen Frauen darf es aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen keine mildernden Umstände geben», sagte Lancellotta der Nachrichtenagentur Ansa.
Ähnliche Stimmen kommen auch aus den anderen politischen Lagern. So schrieb Michela Di Biaseie, Abgeordnete der Demokratischen Partei, in den sozialen Netzwerken:
Dass Corona als mildernder Faktor bei einem Femizid zählt, erscheine unmöglich, meint Luana Zanella von der grünen Partei Italiens.