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Schikane gegen Migranten: Italiens Politik verstösst gegen die Mensche

Schikane gegen gerettete Migranten: Italiens Politik verstösst gegen die Menschenrechte

Italien schicke Migranten auf unnötig lange Umwege, sagt der Europarat, das sei illegal. Schuld seien die zivilen Seeretter im Mittelmeer, sie operierten widerrechtlich, antwortet Italiens Regierung. Wer hat recht? Die Expertin ordnet ein.
03.02.2023, 12:41
Daniel Fuchs / ch media
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Nach vier Tagen rauer Fahrt und einem Umweg von 1500 Kilometern verlassen vor wenigen Tagen in Carrara 95 aus dem Mittelmeer gerettete Menschen die «Ocean Viking». Das Schiff der deutschen Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat am 25. Januar die vor der Küste Libyens in Seenot geratenen Migranten an Bord genommen.

Die italienischen Behörden wiesen die Seeretter an, ihre Passagiere im fernen Carrara in der Nordtoskana abzusetzen. Statt des einen Tages auf hoher See – solange dauert etwa die Überfahrt von Libyen nach Sizilien – stand der Crew und ihren Passagieren eine mehrtägige Fahrt quer durchs Mittelmeer bevor.

Und Carrara ist kein Einzelfall. Anfang Jahr hat die neue italienische Regierung von Giorgia Meloni die Schraube in der Migrationspolitik deutlich angezogen. Schiffe werden auf weite Umwege bis in die Nord-adria oder eben an die Küste der Toskana geschickt.

epa10438621 The Ocean Viking ship of the NGO 'Sos Mediterranee' with 95 migrants onboard rescued off the coast of Libya docks at the port of Marina di Carrara, Italy, 29 January 2023. EPA/RI ...
Viel Zeit und Sprit verloren: Nach vier Tagen Fahrt legt die «Ocean Viking» im Hafen von Carrara (Toskana) an.Bild: keystone

Ravenna, La Spezia, Livorno: Italien schickt die zivilen Seeretter auf lange Umwege (rot die internationalen Küstengewässer vor Libyen, in denen die Schiffe der Hilfsorganisationen operieren):

Nun hat der Europarat in Strassburg auf Italiens Politik der fernen Häfen reagiert. Der Europarat agiert als oberster Hüter der Menschenrechte in Europa. Die Liste der Mitglieder geht weit über die der EU-Staaten hinaus.

Die Schweiz ist ebenso dabei wie etwa die Nicht-EU-Länder Norwegen und Grossbritannien. Russland wurde nach dem Angriff auf die Ukraine ausgeschlossen. In einem Brief an den italienischen Innenminister Matteo Piantedosi übt der Europarat nun deutliche Kritik.

Italien schickt die Retter in eine Zwickmühle

Zwei Vorgaben Italiens geisselt der Brief besonders: die Zuweisung weit entfernter Häfen für die zivilen Seeretter sowie eine Bestimmung, die die Helfer verpflichtet, nach einer Rettungsaktion unverzüglich den zugewiesenen Hafen anzulaufen. Wollen die Hilfsorganisationen Bussen von 50’000 Euro oder gar die Beschlagnahmung ihrer Schiffe vermeiden, so dürfen sie auf ihrer Route keine weiteren Rettungsaktionen unternehmen. Damit brechen sie aber internationales Recht, so der Europarat.

Italien wehrt sich. Die zivilen Seeretter operierten nicht in einem legalen Rahmen, so das Innenministerium in Rom. Die Behauptung stützt es mit dem Argument, die Rettungsmissionen der Helfer würden die einträgliche Schleppertätigkeit der Menschenhändler in Libyen überhaupt erst ermöglichen.

Diese, so die Argumentation, könnten mit wartenden Helfern vor den libyschen Küstengewässern rechnen. Die Helfer würden so – bewusst oder unbewusst – das Geschäftsmodell der Schlepper befeuern. Letztere würden dadurch ermutigt, die Menschen in nicht seetauglichen Booten aufs Meer zu schicken.

«Nächstliegender Hafen muss angelaufen werden»: Die Expertin ordnet ein

epa10440103 Italian Prime Minister, Giorgia Meloni, during her meeting with President of European Council Charles Michel at Palazzo Chigi in Rome, Italy, 30 January 2023. EPA/Riccardo Antimiani
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kann bei ihren Unterstützern mit einer harten Migrationspolitik punkten.Bild: keystone

Welches Argument sticht nun mehr, dasjenige des Europarats oder dasjenige Italiens? Die angefragte Juristin und Expertin für internationales Migrationsrecht von der Universität Freiburg, Sarah Progin, sieht den Europarat klar im Recht. Die Pflicht zur Seenotrettung ergebe sich aus den einschlägigen internationalen Abkommen sowie dem Völkergewohnheitsrecht, sagt sie.

Die Hilfspflicht gelte fast uneingeschränkt. Nur eine Ausnahme gibt es: Wenn eine Hilfsaktion das rettende Schiff, dessen Crew und dessen Passagiere gefährden würde. Zu den von Italien zugewiesenen Häfen im fernen Norditalien sagt Sarah Progin unmissverständlich: «Die aufgenommenen Personen müssen in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden.»

Spezialisiert auf Migrationsrecht in Europa: Sarah Progin, Professorin an der Universität Freiburg.
Spezialisiert auf Migrationsrecht in Europa: Sarah Progin, Professorin an der Universität Freiburg.Bild: zvg

Italiens Verteidigungsschrift hat bei der Rechtsprofessorin also keine Chance. Rechtsverletzungen – gerade im Flüchtlingsschutz sind sie zum Teil eklatant – begehen auch andere Länder. Ein prominentes Beispiel sei Ungarn, das völkerrechtliche Standards grob missachte, wie Sarah Progin sagt. Nur weil auch andere Länder gegen Recht verstiessen, sei Italien indes nicht entschuldigt.

Mit einer allfälligen Busse kann die ultrarechte Regierung von Giorgia Meloni gut leben. Denn ihre harte Hand in der Migrationspolitik garantiert ihr die Unterstützung der Stammwählerschaft. Und darin könnte der primäre Antrieb für Italiens Politik der fernen Häfen liegen – Wind, Wellen und Wetter ausgesetzte Menschen hin oder her.

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Alnothur
03.02.2023 13:55registriert April 2014
Gibt es in Tunesien eigentlich keine Häfen?
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du_bist_du
03.02.2023 13:30registriert Mai 2020
Die haben wir gerne, verstecken sich hinter dem italienischen Bollwerk, lassen die Italiener die schmutzige Arbeit machen und beklagen sich dann über deren Vorgehen.
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Inconvenient Truth
03.02.2023 13:21registriert Dezember 2022
Gut, dass dich Italien endlich wehrt gegen die heuchlerische NIMBY-Flüchtlingspolitik der EU.
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