Die Ernüchterung nach der Wahlpleite ist schwer zu verkraften. Katerstimmung herrscht im Hauptquartier der Fünf-Sterne-Bewegung in Rom, den einzigen Wahlverlierern der EU-Wahlen in Italien am Sonntag.
Die populistische Regierungspartei hat gegenüber den Parlamentswahlen vor 15 Monaten 6.2 Millionen Stimmen verloren, die meisten davon an die Lega. Unter Druck steht nun Parteichef Luigi Di Maio.
Die Verbitterung ist im Fünf-Sterne-Lager enorm. Die einstige Protestbewegung, die im vergangenen Jahr mit 33 Prozent als stärkste Einzelpartei ins italienische Parlament eingezogen und eine Regierung mit dem Juniorpartner Lega eingegangen war, musste sich am Sonntag mit 17 Prozent und Platz drei begnügen.
Sogar die seit dem vergangenen Jahr stark angeschlagenen Sozialdemokraten (PD - Partito Democratico) überflügelten die Fünf-Sterne-Bewegung mit 22 Prozent der Stimmen. Das macht die Niederlage noch schmerzhafter, denn die Demokratische Partei ist seit jeher der ärgste Feind der Fünf-Sterne-Bewegung.
Die Umwandlung von einer Anti-Establishment-Partei in eine zuverlässige Regierungskraft ist der Bewegung bisher nicht gelungen. In der seit einem Jahr bestehenden Regierung war die Fünf-Sterne-Bewegung bisher der stärkere Partner, doch sie leidet stark unter der Konkurrenz der Lega und seinem charismatischen Parteichef Matteo Salvini.
Während Salvini mit seinem rigorosen Kurs gegen die Einwanderung bei der italienischen Wählerschaft punktete, wurden die unerfahrenen «Cinque Stelle» immer mehr an den Rand gedrängt. Bei der Umsetzung ihres auf Ökologie und sozialer Fairness ausgerichteten wirtschaftspolitischen Programms stösst die 2009 gegründete Bewegung auf Schwierigkeiten.
Während die von der Lega vorangetriebene Pensionsreform bei den Italienern gut ankommt, enttäuschte der Bürgerlohn, ein Steckenpferd der «Cinque Stelle», viele Wähler.
Hardliner der postideologischen Partei werfen Parteichef Di Maio vor, auf mehrere Schwerpunkte des politischen Programms der Bewegung verzichtet zu haben, um unter Mühen die ungleiche Allianz mit der Lega aufrecht zu erhalten. Di Maio habe sich unter anderem zu stark in Salvinis fremdenfeindliche Immigrationspolitik einspannen lassen.
Jetzt wird parteiintern der Prozess gegen Di Maio geführt. Die Fünf-Sterne-Bewegung zahlte den höchsten Preis für die hohe Stimmenenthaltung bei der Wahl am Sonntag. «Viele unserer Anhänger haben nicht gewählt. Wir lernen aus dieser Niederlage und arbeiten weiter. Es gibt Wahlversprechen, die wir im Rahmen des Koalitionsvertrags noch einhalten müssen», sagte Di Maio.
Zwar fordert in der Bewegung niemand offen seinen Rücktritt, Di Maios Führungsstil wird jedoch infrage gestellt. Unter anderem habe er als Arbeits-, Industrieminister und als Vizepremier zu viele Regierungsaufgaben, was ihm zu wenig Zeit für die Partei übrig lasse, behaupten seine Kritiker.
Der Partei fehlt es an einer soliden Struktur und einer territorialen Verankerung. Dies bezeuge auch das enttäuschende Resultat der Fünf-Sterne-Bewegung bei Kommunalwahlen, die am Sonntag in 3654 italienischen Gemeinden stattfanden.
In Livorno, Avellino und Civitavecchia, wo die Fünf-Sterne-Bewegung in den vergangenen fünf Jahren regiert hatte, wurden sie wieder abgewählt. In Rom und Turin, die von der Protestbewegung verwaltet werden, meldeten die Fünf Sterne schwere Stimmenverluste.
Nach der Wahlpleite kündigte Di Maio eine Neuorganisierung seiner Bewegung an, die bürgernäher und auf regionaler Ebene stärker strukturiert sein soll. Er werde der Bewegung eine auf lokaler Ebene besser etablierte Organisation verleihen.
Die Regierung mit der Lega will Di Maio nicht beenden. Denn bei einem Sturz der Regierung hätte er kaum eine Chance, wieder an die Macht zu kommen. Daher beteuert Di Maio dem erfolgreichen Regierungspartner seine Loyalität . «Wir arbeiten für die Umsetzung unseres Koalitionsvertrags, der eine gesamte fünfjährige Legislaturperiode umfasst, weiter mit der Lega zusammen», erklärte Di Maio.
Um wieder bei der Wählerschaft zu punkten, will die Fünf-Sterne-Bewegung jetzt stärker auf Sozial- und Familienpolitik setzen. Zu den Hauptanliegen ihrer Bewegung zählt die Einführung eines Mindestlohns, die Förderung der Familienpolitik und eine Senkung des Steuerdrucks.
«Das Thema der Sozialrechte ist eine Priorität für die Italiener», erklärte Di Maio. Ob das genügen wird, um politisch wieder an Boden zu gewinnen ist, fraglich.
Verliert die Fünf-Sterne-Bewegung immer mehr ihre ursprüngliche Identität, um die Regierung mit der Lega aufrecht zu erhalten, droht ihr ein weiterer Stimmenverlust.
Andererseits kann sich Di Maio nicht wie in den letzten Wahlkampfwochen einen Dauerstreit mit Salvini erlauben, um die wahre Seele der Protestbewegung politisch zur Geltung zu bringen. Die Wahlkampagne ist zu Ende: Italien steht vor vielen Hürden und braucht eine tatkräftige Regierung, die nicht von internen Konflikten belastet ist. (aeg/sda/apa)
Er hat sich einspannen lassen, Salvini das Zepter überlassen und er hätte bestens wissen können, gar müssen, dass das Rezept der Lega sich auf 1 bis 2 Schuldige (die Migration und die EU) zu stürzen in Italien, das gerne die Schuldigen anderswo als in Italien sucht, erfolg hat, auch wenn dabei die wahren Probleme nicht angegangen werden.
Arbeitslosigkeit, Steuerhinterziehung, Korruption, Mafia, Wahlreform, grosser Staatsapparat bleiben nach wie vor auf der Strecke
Dies zu erwähnen erwarte ich von einem Journalisten, der die Lage in Italien kennen sollte.
Man wird in den nächsten Wochen den grossen Kampf von Salvini gegen die EU mitbetrachten können und da geht es um die NOCH höhere Staatsverschuldung, also eine Pensionsreform auf Pump und das ohne dass Salvini auch nur annähernd wüsste wie er die Schulden eindämmen könnte.
Vermutlich will er es nicht wissen, das würde Stimmen kosten.