Die Premiere ist geglückt. Umringt von jungen Sportlerinnen und Sportlern hat Kamala Harris am Montag im Weissen Haus ihren ersten Auftritt als die designierte Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei absolviert.
Die Rede von Harris, der amerikanischen Vizepräsidentin, dauerte nur sechs Minuten. Zuerst dankte sie Joe Biden überschwänglich für sein politisches Vermächtnis. Die Bilanz des Präsidenten sei «unübertroffen», sagte seine Stellvertreterin. Ungesagt blieb, warum es angebracht war, den noch bis Januar 2025 amtierenden Biden mit einer Lobeshymne zu überschütten. Auf die dramatischen Ereignisse vom Wochenende, als ein an Corona erkrankter Präsident in seinem Strandhaus den Verzicht auf seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hatte, ging Harris nicht weiter ein.
Stattdessen sprach die 59 Jahre alte Vizepräsidentin zu den jungen Studentinnen und Studenten, die im Weissen Haus für ihre sportlichen Leistungen geehrt wurden. Sie wählte dabei Worte, die nicht nur zu einer siegreichen Fussballspielerin passen, sondern auch zu einer Karrierepolitikerin, die zur Präsidentin gewählt werden möchte
Man müsse «hart kämpfen», um Erfolg zu haben, sagte die designierte Gegnerin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Und nur wer Ambitionen hege, der könne seine Ziele erreichen. «Wahre Grösse erfordert mehr als nur Können.» Vielmehr seien Mut und Entschlossenheit notwendig, sagte die Vizepräsidentin im Garten des Weissen Hauses.
In den Augen von Harris sind es just diese Qualitäten, die sie zum neuen Aushängeschild der Demokratischen Partei machten. Sie war eine Team-Spielerin, obwohl es im Weissen Haus in den Jahren 2021 und 2022 immer wieder Kritik an ihren Auftritten gab. Sie sprang ein, wenn Biden nicht konnte oder nicht wollte. So engagierte sich Harris in den vergangenen Monaten stark im Wahlkampf, mit persönlichen Auftritten in politisch umkämpften Bundesstaaten.
An Kamala Harris gibt es nach der Schock-Entscheidung von Biden kein Vorbeikommen, wie selbst ambitionierte Parteifreunde rasch zur Kenntnis nehmen mussten. Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass nicht alle einflussreichen Parteifreunde sie umgehend unterstützten. So gaben Ex-Präsident Barack Obama und seine Gattin Michelle vorerst keinen Wahlaufruf zugunsten Harris ab.
Dafür gibt es zwei Erklärungsversuche. Der erste, nachvollziehbarere: Obama und Konsorten sehen sich als Politiker, die über dem Klein-Klein des täglichen innerparteilichen Gezänks stehen. Sie wollen sich nicht direkt in den Auswahlprozess der Demokraten einmischen. Vielmehr warten sie darauf, bis Harris die Mehrheit der Parteitagsdelegierten hinter sich geschart hat. Dann werden sie der Nachfolgerin von Präsidentschaftskandidat Joe Biden ihre Unterstützung versichern und die Reihen der Demokraten schliessen.
Der zweite Erklärungsversuch: Obama zweifelt daran, dass Harris ein direktes Duell gegen Donald Trump gewinnen kann. Mit seiner Stellungnahme wollte er deshalb weiteren potenziellen Biden-Nachfolgern die Chance geben, sich in Stellung zu bringen. Für diese These gibt es allerdings keine stichhaltigen Beweise. Und selbst wenn sie zutreffen sollte: Kein hochrangiger Demokrat scheint diesen angeblichen Wink mit dem Zaunpfahl gesehen zu haben.
Hinzu kommt: Obama schien sich mit Harris gut zu verstehen, als er noch im Weissen Haus politisierte und sie die Position der Justizministerin von Kalifornien ausübte. 2013 nannte er sie «brillant» und «zäh», und machte gar einen missglückten sexistischen Spruch: An einer Spendengala sagte Obama, Harris sei «die am besten aussehende» Justizministerin im ganzen Land. Als das Publikum lachte, doppelte der damalige Präsident nach und sagte: «Es stimmt!» Einen Tag später musste er sich dafür entschuldigen.
Harris äusserte sich damals nicht direkt über den Spruch des Präsidenten. Sie ist sich solche Bemerkungen gewöhnt, seit sie ihre politische Karriere in San Francisco (Kalifornien) begann. Zu Beginn der Neunzigerjahre war sie die Freundin von Willie Brown, einem höchst einflussreichen Politiker der Demokraten. Seither muss Harris sich gegen den Vorwurf verteidigen, sie verdanke ihren schnellen Aufstieg dieser persönlichen Beziehungen.
Ihre Kritiker wurden aber bald eines Besseren belehrt. Sie machte schnell Karriere als Staatsanwältin, indem sie energisch gegen Sexualverbrecher und junge Straftäter vorging. 2002 gewann sie die Volkswahl zur leitenden Anklagevertreterin in San Francisco. 2010 folgte der Sprung ins Amt der kalifornischen Justizministerin. Und sechs Jahre später wurde Harris in den Senat in Washington gewählt.
Von Beginn ihrer politischen Karriere an galt sie als kommender Star der Demokraten, nicht nur dank der Komplimente Obamas. Als sie 2019 ins Rennen ums Weisse Haus stieg, versammelten sich in ihrer Heimatstadt Oakland mehrere zehntausend Menschen.
Harris aber scheiterte. Weil es ihr nicht gelang, eine klare Botschaft zu vertreten, musste sie bereits vor Beginn der Vorwahlen aus dem Präsidentschaftswahlkampf aussteigen. Sie wirkte überfordert und unorganisiert. Dass Biden sie dennoch zur Vize-Kandidatin erkor, verdankte sie ihrer alten Freundschaft mit Beau Biden, dem verstorbenen ältesten Sohn des heutigen Präsidenten.
Wie sagte Harris doch so schön am Montag im Weissen Haus, im Beisein junger Athletinnen: Es gelte, «Herausforderungen und Hindernisse» zu überwinden, um ganz nach oben zu kommen. Dann spielte die Band den Oldie «We Are The Champions». Besser hätte Harris ihren ungewöhnlichen Wahlkampf wohl nicht beginnen können. (aargauerzeitung.ch)
Die Demokraten: Biden timt seinen Rückzug perfekt, um bei der GOP maximalen Schaden anzurichten. Harris hat die gesamte Partei in Rekordzeit hinter sich. Die Spenden explodieren. Die Angst ist verflogen. Der Enthusiasmus an der Basis bricht durch die Decke.
Die Medien: Neeeeein, das könnt ihr uns doch nicht antun! Der Plan war doch Chaos, Streit und Kontroversen bis zum Parteikongress! So viel Clicks, Content und Hot Takes, die wir damit hätten generieren können!
“Harris unites the Democrats” hört sich dagegen weit besser an.
Er mag zwar noch Einfluss haben, aber den hat Harris durch ihren Auftreten mittlerweile auch.