Die Brent-Spence-Brücke war ein Symbol für die marode Infrastruktur der USA. Und die Unfähigkeit der Politik, etwas dagegen zu unternehmen. Sie überquert den Ohio River und verbindet die Bundesstaaten Kentucky und Ohio. Obwohl sie doppelstöckig ist, gilt die Brücke nicht nur als sanierungsbedürftig, sondern als hoffnungslos überlastet.
Immer wieder gab es Ankündigungen, die Misere zu beheben. Auch Donald Trump liess sich im Wahlkampf 2020 dort blicken. Nun geht es los, dank des Infrastrukturpakets, welches der Kongress letztes Jahr mit Stimmen von Demokraten und Republikanern verabschiedet hatte. 1,6 Milliarden Dollar sind für die Brent-Spence-Brücke vorgesehen.
Damit wird sie repariert und parallel dazu ein zweiter Übergang gebaut. Zum Baustart am Mittwoch erschien Präsident Joe Biden persönlich vor Ort. Begleitet wurde er von Mitch McConnell, Senator von Kentucky, Fraktionschef der Republikaner im US-Senat und «Quälgeist» der Demokraten. Jetzt zelebrierte er den Schulterschluss mit Biden.
Anwesend waren auch die Gouverneure der beiden Bundesstaaten, der Demokrat Andy Beshear (Kentucky) und der Republikaner Mike DeWine (Ohio). Für den Präsidenten war die Zeremonie eine perfekte Gelegenheit, sich im wahrsten Sinn als Brückenbauer zu inszenieren, vor allem mit Blick auf die aktuellen Turbulenzen in Washington.
Im Repräsentantenhaus bieten die Republikaner ein penibles Schauspiel. Eine kleine extreme Minderheit in der Fraktion hat in mittlerweile sechs Wahlgängen die Ernennung von Kevin McCarthy zum Speaker, also zum Vorsitzenden der grossen Parlamentskammer, verhindert. Damit ist das Repräsentantenhaus nicht arbeitsfähig.
Selbst ein lauer Aufruf Donald Trumps, McCarthy zum Speaker zu wählen, hatte nichts genützt. Ein Ende hat die Selbstzerfleischung der Grand Old Party (GOP) wohl erst, wenn sich der 57-jährige Abgeordnete aus Kalifornien zurückzieht. Doch Kevin McCarthy gibt nicht auf. Zu lange hat er auf das Amt – das dritthöchste in der US-Politik – hingearbeitet.
Die Demokraten verfolgen das Spektakel mit Schadenfreude. Sie haben geschlossen für ihren Fraktionschef Hakeem Jeffries gestimmt. In die Genugtuung mischt sich jedoch auch Besorgnis. Die Blockadementalität der Trumpisten deutet darauf hin, dass die nächsten zwei Jahre schwierig werden und der Kongress wenig zustande bringen dürfte.
Im Weissen Haus ist man gemäss Politico überzeugt, dass Präsident Biden vom Republikaner-Chaos profitieren wird. Indem er sich auf die überparteiliche Zusammenarbeit fokussiere, liefere er genau das, was das amerikanische Volk wolle. Der Auftritt bei der Brent-Spence-Brücke, obwohl schon lange geplant, kam dafür zum richtigen Zeitpunkt.
Dazu passt auch Bidens Schmusekurs mit Mitch McConnell. Die beiden 80-jährigen Polit-Schlachtrösser haben in ihrer langen Karriere manchen Kampf ausgefochten, aber auch Deals geschmiedet. So stimmte McConnell für das Infrastrukturgesetz, und 2015 hatte er als einziger Republikaner an der Beerdigung von Joe Bidens Sohn Beau teilgenommen.
«Wir haben viele Differenzen», sagte der Präsident am Mittwoch, doch der Republikaner aus Kentucky sei «ein Mann, der sein Wort hält». Die grosse Harmonie wird damit nicht ausbrechen. Mitch McConnell ist erzkonservativ und wird im Senat, der auch in der neuen Legislatur von den Demokraten kontrolliert wird, auf Obstruktion machen.
Parteiübergreifende Deals sind dennoch möglich. Kurz vor Weihnachten beschloss der Kongress einen Budgetdeal von 1,7 Billionen Dollar, in dem auch die 45-Milliarden-Hilfe für die Ukraine enthalten ist. Dies war nur möglich, weil mehrere republikanische Senatoren zustimmten, darunter auch der bisherige Trump-Loyalist Lindsey Graham.
Dieser Kompromiss war ein Erfolg für Joe Biden, der in seinen beiden ersten Amtsjahren mehr erreicht hat als Donald Trump zuvor in vier und Barack Obama in acht Jahren. Bis zu den nächsten Wahlen will er die Früchte dieser Errungenschaften ernten, zu denen auch der ohne republikanische Stimmen beschlossene Inflation Reduction Act gehört.
Ausserdem dürfte Biden bald erklären, ob er 2024 für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. Angedeutet hat er seine Bereitschaft mehrfach, und wenn es nur nach ihm ginge, würde er erneut antreten. Aber seine Familie hat bei diesem Thema ein gewichtiges Wort mitzureden. Über Neujahr machten die Bidens Ferien auf den U.S. Virgin Islands.
Dabei dürfte die zweite Amtszeit diskutiert worden sein. Von First Lady Jill Biden heisst es, sie könne sich zunehmend mit der Idee einer erneuten Kandidatur samt hartem Wahlkampf anfreunden. Auch die Demokraten dürften ihn unterstützen, trotz Bedenken wegen seines Alters (Biden wäre bei der zweiten Vereidigung 82) und der tiefen Beliebtheitswerte.
Diese könnten sich ändern, wenn die Trumpisten ihre Obstruktion weiterführen und die Republikaner als Regierungspartei unmöglich machen. Joe Bidens Lob der überparteilichen Zusammenarbeit wird in diesem Fall auf umso mehr Resonanz stossen. Bis zur Wahl 2024 wird viel passieren, aber Bidens Aussichten waren schon schlechter.