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Justiz

Mord in Ingolstadt: Wie aus der Toten die Hauptverdächtige wurde

Der Doppelgängerinnen-Mord – oder: Wie aus der Toten die Hauptverdächtige wurde

31.01.2023, 16:1031.01.2023, 17:43
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Am 16. August 2022 wird der Albtraum von Shahrabans Eltern wahr: Sie finden die blutüberströmte Leiche ihrer Tochter auf der Rückbank ihres Autos. So glauben sie zumindest. Eineinhalb Tage trauern sie, bis sich nach der Obduktion und einem DNA-Test überraschend herausstellt: Bei der Toten handelt es sich nicht um Shahraban K., sondern um die verblüffend ähnlich aussehende Khadidja. Die Erleichterung von Shahrabans Eltern währt aber nur kurz, denn ihre Tochter gilt plötzlich als Hauptverdächtige.

Aber von vorn.

Shahraban K. wird (vermeintlich) tot aufgefunden

Dienstagnacht um 23.30 Uhr gellen Schreie durch das deutsche Ingolstadt. Ein Anwohner wählt den Notruf, die Polizei rückt mit einem Grossaufgebot an. Eine 23-jährige Frau wird leblos auf der Rückbank ihres Mercedes gefunden. Laut Polizei soll es sich um eine Deutsche irakischer Abstammung handeln, die Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist.

Wie die deutsche Bild berichtete, ist die tote Frau von ihren Eltern entdeckt worden. Diese hatten nämlich nach ihr gesucht. Sie war zwei Wochen zuvor zu ihnen nach München zurückgezogen, nachdem sie Streit mit ihrem Ehemann und dessen Familie hatte. Am Dienstagabend kehrte sie laut den Eltern nach Ingolstadt zurück, um ihre Post zu holen. Als sie nicht zurückkehrte, fuhren die Eltern beunruhigt nach Ingolstadt.

ARCHIV - 23.08.2022, Bayern, Ingolstadt: Polizisten durchsuchen ein Waldst�ck nach Spuren und Gegenst�nden, in dessen N�he am 16.08.2022 eine weibliche Leiche in einem Auto entdeckt wurde. (zu dpa &qu ...
Polizisten und Polizistinnen durchsuchen ein Waldstück in der Nähe des vorgefundenen Autos nach Spuren und Gegenständen.Bild: keystone

Den Mercedes der Tochter entdecken die Eltern in Ingolstadt eher zufällig. Sie ahnen nichts Gutes und versuchen, die Scheiben des Autos einzuschlagen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Polizei informiert. Der ebenfalls gerufene Notarzt kann nur noch den Tod der jungen Frau feststellen. In der «Bild» ist von 40 Messerstichen als Todesursache die Rede. Später werden es deren 55 sein.

Aus der Toten wird die Hauptverdächtige

Bereits am darauffolgenden Tag zweifelt die Polizei an der Identität der toten Frau, wie sie in einer Stellungnahme bekannt gibt. Die Obduktion der Leiche und eine DNA-Analyse bestätigen den Verdacht: Bei der Toten handelt es sich gar nicht um Shahraban K., sondern um eine ähnlich aussehende Frau im selben Alter. Shahraban K. lebt – und gerät ins Visier der Ermittler. Wie sich später herausstellt, wird Shahraban noch am Mittwochabend festgenommen. Am 19. August berichtet die «Bild», dass sich Shahraban K. und ein weiterer Verdächtiger, ein Mann aus dem Kosovo, in Untersuchungshaft befänden.

screenshot bild
Bild: screenshot bild

Was die beiden Frauen ausser ihrem Aussehen verbindet, ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. In der Presse wird gerätselt: Wurde die Frau mit so vielen Stichen getötet, um eine Identifizierung zu erschweren? Wollte Shahraban K. den Mord ihrem Ehemann anhängen?

Wenn ja, so ist ihr dies nicht gelungen. Die Polizei schliesst ihn wenige Tage später als Hauptverdächtigen aus. Von der Tatwaffe fehlt noch immer jede Spur.

Die Tote ist nicht Shahraban, sondern Khadidja

Am 22. August titelt die Bild gross: Khadidja (23) ist das Opfer im Doppelgänger-Mord. Sie spekuliert auch gleich, was vorgefallen sein könnte. Beim festgenommenen Kosovaren Sheqir K. soll es sich um einen engen Freund Shahrabans handeln, der offenbar Gefühle für sie hegte. Shahraban aber hat sich bereits in einen anderen verguckt. Und zwar in niemand geringeren als Khadidjas Freund. Zumindest soll dies laut «Bild» eine Bekannte gesagt haben. Demnach soll Shahraban ihren Kumpel Sheqir gebeten haben, Khadidja für sie «aus dem Weg zu räumen».

Khadidja
Khadidja wurde tot im Auto von Shahraban gefunden. Bild: screenshot tiktok

Es gibt aber auch noch die Doppelgänger-Theorie: Gemäss dieser soll Shahraban die ähnlich aussehende Khadidja getötet haben, um so untertauchen und ein neues Leben mit dem Kosovaren beginnen zu können.

Shahraban weinend vor der Pizzeria

Am 24. August teilt die Bild Aufnahmen eines Überwachungsvideos. Dieses zeigt Shahraban am 17. August, wie sie in einer Pizzeria nervös hin und her läuft. Zu diesem Zeitpunkt wird sie von ihren Eltern noch immer für tot gehalten. Der Pizzeria-Besitzer erklärt gegenüber der «Bild», dass ihm Shahraban gesagt habe, dass ihre SIM-Karte nicht mehr funktioniere. Sie habe deshalb darum gebeten, telefonieren zu dürfen. Dann habe sie vor seinem Geschäft gesessen und geweint.

Kurz vor 22 Uhr fahren zwei Polizeiwagen vor und nehmen die junge Frau mit. Zu diesem Zeitpunkt ist noch immer unklar, wo und wieso Khadidja getötet worden ist. Mit Sicherheit könne man laut Rechtsmedizinern nur sagen, dass das Auto nicht der Tatort gewesen sei. Man vermutet, dass die junge Algerierin in ihrem mehr als 200 Kilometer entfernten Heimatort Eppingen getötet wurde.

Khadidja wurde in eine Falle gelockt

Im November werden neue Entwicklungen im Doppelgänger-Mord publik: Anfang August soll Beauty-Bloggerin Khadidja online gefragt worden sein, ob sie in einem Musikvideo einer lokalen Rapperin mitmachen wolle. Die Anfrage schien Khadidja suspekt, sie schrieb die Rapperin Lune deshalb direkt auf Instagram an, worauf ihr diese riet: «Alles Fake, geh nicht hin!»

Wenig später erhält Khadidja ein weiteres Modelangebot, allerdings von einem anderen Instagram-Profil. Shahraban, die tatsächlich als Kosmetikerin tätig war, gibt darin vor, auf der Suche nach einem Model zu sein. Auf dieses tödliche Angebot geht Khadidja ein.

Zuvor hat Shahraban schon länger auf Instagram nach einer Doppelgängerin gesucht. Die Oberstaatsanwältin Dr. Veronika Grieser bestätigt gegenüber der Bild: «Die Beschuldigte nahm im Vorfeld der Tat über Instagram Kontakt zu Frauen auf, die ihr vom Typ ähnlich schienen.» Bis zu fünf Frauen sollen den heimtückischen Plan von Shahraban überlebt haben, weil sie ihr nicht ähnlich genug sahen. Mit Khadidja wurde sie fündig. Shahraban und ihr Komplize sollen sie laut Haftbefehl aus ihrer Wohnung abgeholt haben und mit ihr in einen Wald gefahren sein.

Ermittler gehen von Mord aus

Ende Januar meldet sich das Polizeipräsidium Oberbayern Nord erstmals seit August wieder zum Fall. Es teilt mit, dass es inzwischen davon ausgehe, dass die Tatverdächtige aufgrund familiärer Probleme untertauchen und ihren Tod vortäuschen wollte. Und weiter:

«Zur Umsetzung fassten die Beschuldigten bisherigen Erkenntnissen zufolge den Plan, online eine der Deutsch-Irakerin ähnlich sehende Frau zu suchen, diese zu töten und so zu platzieren, dass der Leichnam für die Beschuldigte gehalten würde.»

Nachdem die beiden Tatverdächtigen die Doppelgängerin zu Hause abgeholt hätten, hätten sie diese unter einem Vorwand aus dem Fahrzeug gelockt und in einem Waldstück «mit einer Vielzahl von Stichen in den Körper heimtückisch und aus niederen Beweggründen getötet».

Die Ermittler gehen deshalb von Mord aus. Bisher sassen die Tatverdächtigen wegen Totschlags in Untersuchungshaft. (saw)

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
31.01.2023 16:36registriert April 2016
W.T.F.??!

Wie kann man nur so niederträchtig und gleichzeitig so dumm sein zu glauben, dass man mit so etwas durchkommt?
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Müller Lukas
31.01.2023 16:40registriert August 2020
Ziemlich kranke Geschichte. Ich hoffe die Beteiligten wandern lebenslänglich hinter Gitter...
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Leider Geil
31.01.2023 16:36registriert Mai 2017
"Wie die deutsche «Bild» berichtete, sei die tote Frau von ihren Eltern entdeckt worden. Diese hätten nämlich nach ihr gesucht. Sie war zwei Wochen zuvor zu ihnen nach München zurückgezogen, nachdem sie Streit mit ihrem Ehemann und dessen Familie hatte. Am Dienstagabend kehrte sie laut den Eltern nach Ingolstadt zurück, um ihre Post zu holen. Als sie nicht zurückkehrte, fuhren die Eltern beunruhigt nach Ingolstadt. Diese soll nämlich nach einem Streit mit ihrem Ehemann wieder zu ihnen nach München gezogen sein."

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