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Hitzerekord in der Antarktis im März 2022. Ist der Klimawandel schuld?

Antarktis Eisberge
In der Ostantarktis war es im März so «warm» wie nie zuvor.Bild: Shutterstock

So unfassbar war die Hitzewelle in der Antarktis

Die «Hitzewelle» in der Ostantarktis ist nach zehn Tagen vorbei. Was bleibt, sind einige Fragen: Wie kam es dazu? Ist der Klimawandel schuld? Und wann kann das wieder geschehen?
30.03.2022, 11:5631.03.2022, 09:12
Reto Fehr
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Am 18. März zeigte der Thermometer der Forschungsstation Concordia in der Ostanatarktis minus 11,8 Grad – rund 40 Grad wärmer als sonst üblich und rund 20 Grad über dem vorherigen März-Rekord. Jetzt hat sich die Temperatur wieder im «normalen» Bereich eingependelt:

Temperaturen Dome C, World Meteorological Organization
Die Temperaturen bei der Forschungsstation Concordia (Dome C) in der Antarktis.Bild: World Meteorological Organization

Auch Experten wurden von den extremen Temperaturen überrascht. Um das Ganze greifbarer zu machen, erklärte Torsten Albrecht, Mitglied der Eis-Forschungsgruppe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gegenüber der Frankfurter Allgemeinen, die Messungen seien, «in etwa so, als hätten wir in Deutschland im Frühling 45 Grad Hitze gemessen.»

Kein Wunder, kursieren nach dem Hitzerekord Grafiken wie diese im Internet. Der Unterschied zu normalen Jahren ist eindrücklich:

Ob der Temperatur-Rekord mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist noch nicht geklärt. Der leitende Wissenschaftler Robert Rohde vom Umweltdateninstitut Berkley Earth in Kalifornien hat die Ereignisse der letzten Tage in einem gestern publizierten, ausführlichen Thread aufgearbeitet.

Auch wenn er es nicht endgültig nachweisen kann, geht er davon aus, dass dieser Rekord der extremste war, welche von Menschen jemals direkt aufgezeichnet wurde. Es habe zuvor Rekorde von 35 oder 36 Grad Celsius über dem Normalwert gegeben, «aber keine von +37 oder +38 Grad».

Die bisherigen Extremwerte im März wurden um fast 20 Grad übertroffen. Polarforscher Markus Rex sagte der FAZ: «Unfassbar! Wenn wir in Deutschland von einem neuen Temperaturrekord sprechen, geht es meistens um 0,1 oder 0,2 Grad.»

Doch wie kam es dazu? Warme Luftmassen trafen aus Richtung Australien auf den antarktischen Kontinent. Der südhemisphärische Jetstream, der im Uhrzeigersinn um die Antarktis verläuft, habe gemäss Rex «einen Schlenker über das inländische Eisschild genommen». Ein Hochdrucksystem über der Ostantartkis verhinderte zudem das schnelle Abfliessen der Luftmassen.

Dass es dann zum Temperaturrekord kam, hat gemäss Rohde verschiedene Gründe, am Ende war es aber auch ein «nahezu perfektes Zusammentreffen von unwahrscheinlichen Ereignissen an einem perfekten Ort».

Zwei Gründe, welche das Phänomen begünstigt haben, sollen aber hervorgehoben werden:

  • Der Zeitpunkt: Zu dieser Jahreszeit Mitte März sinken die Temperaturen auf dem antarktischen Plateau naturgemäss schnell. Der Südliche Ozean befindet sich jedoch immer noch in der Nähe seines Wärmemaximums vom Ende des Sommers. Dadurch entsteht ein extrem grosser Temperaturkontrast zwischen Ozean und Kontinent.
  • Die trockene Luft und Wärmeleitfähigkeit: Das antarktische Plateau hat knochentrockene Luft und eine niedrige Wärmeleitfähigkeit an seiner Oberfläche. Beides bedeutet, dass weniger Energie benötigt wird, um diesen Teil der Welt zu erwärmen als die meisten anderen Gebiete, und dass grosse Temperaturschwankungen hier leichter auftreten.

Und natürlich kommt immer wieder die Frage nach dem Einfluss des Klimawandels. Für Rohde ist hier der Zusammenhang nicht unbedingt gegeben: «Ich glaube nicht, dass wir im Moment wissen, ob der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit dieser Zirkulationsänderungen oder den atmosphärischen Fluss beeinflusst hat. Es ist sicherlich möglich, aber es wird viel mehr Arbeit erfordern, um das zu verstehen.» In einem früheren Thread zeigt er auf, dass das Phänomen – (sehr) grob geschätzt – auch alle 200 Jahre auftauchen könnte:

Was aber gemäss Satellitenbilder unbestritten ist: In den Tagen rund um die Rekordtemperaturen brach das Conger-Eis-schelf zusammen. Dieses war mit einer Grösse von rund 1200 Quadratkilometern ungefähr so gross wie der Kanton Uri und somit zwar eher klein. Allerdings ist es der bedeutendste Zusammenbruch einer solchen Eisplattform seit dem Jahr 2002. Damals fiel das Larsen-B-Schelfeis zusammen.

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29 Kommentare
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MarGo
30.03.2022 13:19registriert Juni 2015
Vielleicht kann mir das jemand beantworten, der mehr von Physik versteht als ich:
Wenn es doch "noch immer" -12 Grad sind, wie kann dann ein Gletscher schmelzen?
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Kommissar Rizzo
30.03.2022 12:38registriert Mai 2021
Cool, dass eine aufblasbare Palmeninsel zur Ausrüstung gehört 🤣
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