Am 18. März zeigte der Thermometer der Forschungsstation Concordia in der Ostanatarktis minus 11,8 Grad – rund 40 Grad wärmer als sonst üblich und rund 20 Grad über dem vorherigen März-Rekord. Jetzt hat sich die Temperatur wieder im «normalen» Bereich eingependelt:
Auch Experten wurden von den extremen Temperaturen überrascht. Um das Ganze greifbarer zu machen, erklärte Torsten Albrecht, Mitglied der Eis-Forschungsgruppe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gegenüber der Frankfurter Allgemeinen, die Messungen seien, «in etwa so, als hätten wir in Deutschland im Frühling 45 Grad Hitze gemessen.»
Kein Wunder, kursieren nach dem Hitzerekord Grafiken wie diese im Internet. Der Unterschied zu normalen Jahren ist eindrücklich:
jesus i’ve never seen a climate graph like this one pic.twitter.com/741PbbR3qC
— ian bremmer (@ianbremmer) March 26, 2022
Ob der Temperatur-Rekord mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist noch nicht geklärt. Der leitende Wissenschaftler Robert Rohde vom Umweltdateninstitut Berkley Earth in Kalifornien hat die Ereignisse der letzten Tage in einem gestern publizierten, ausführlichen Thread aufgearbeitet.
Probably the best thing to come out of the record breaking heat at Concordia Station, Antarctica. pic.twitter.com/bPxwyaArNy
— Pete D. Akers (@PeteScientist) March 21, 2022
Auch wenn er es nicht endgültig nachweisen kann, geht er davon aus, dass dieser Rekord der extremste war, welche von Menschen jemals direkt aufgezeichnet wurde. Es habe zuvor Rekorde von 35 oder 36 Grad Celsius über dem Normalwert gegeben, «aber keine von +37 oder +38 Grad».
Die bisherigen Extremwerte im März wurden um fast 20 Grad übertroffen. Polarforscher Markus Rex sagte der FAZ: «Unfassbar! Wenn wir in Deutschland von einem neuen Temperaturrekord sprechen, geht es meistens um 0,1 oder 0,2 Grad.»
Let's talk a bit further about what caused this event.
— Dr. Robert Rohde (@RARohde) March 28, 2022
This record-breaking heat wave was the confluence of multiple factors, and the heat wave itself spanned nearly half a continent. pic.twitter.com/yKYb1brTB0
Doch wie kam es dazu? Warme Luftmassen trafen aus Richtung Australien auf den antarktischen Kontinent. Der südhemisphärische Jetstream, der im Uhrzeigersinn um die Antarktis verläuft, habe gemäss Rex «einen Schlenker über das inländische Eisschild genommen». Ein Hochdrucksystem über der Ostantartkis verhinderte zudem das schnelle Abfliessen der Luftmassen.
The heat wave was triggered initially by a fluctuation in large-scale atmospheric circulation that redirected air from the Southern Ocean onto the Antarctic plateau. pic.twitter.com/uIkorY4NzE
— Dr. Robert Rohde (@RARohde) March 28, 2022
Dass es dann zum Temperaturrekord kam, hat gemäss Rohde verschiedene Gründe, am Ende war es aber auch ein «nahezu perfektes Zusammentreffen von unwahrscheinlichen Ereignissen an einem perfekten Ort».
Zwei Gründe, welche das Phänomen begünstigt haben, sollen aber hervorgehoben werden:
Und natürlich kommt immer wieder die Frage nach dem Einfluss des Klimawandels. Für Rohde ist hier der Zusammenhang nicht unbedingt gegeben: «Ich glaube nicht, dass wir im Moment wissen, ob der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit dieser Zirkulationsänderungen oder den atmosphärischen Fluss beeinflusst hat. Es ist sicherlich möglich, aber es wird viel mehr Arbeit erfordern, um das zu verstehen.» In einem früheren Thread zeigt er auf, dass das Phänomen – (sehr) grob geschätzt – auch alle 200 Jahre auftauchen könnte:
A plot of peak temperature vs. occurrence frequency gives us a different way of estimating the likelihood of this event.
— Dr. Robert Rohde (@RARohde) March 24, 2022
In this case, the 30 previous years at Dome C suggest warming like we just saw might naturally occur once every 200 years (with large uncertainty). pic.twitter.com/55Uk0VbEil
Was aber gemäss Satellitenbilder unbestritten ist: In den Tagen rund um die Rekordtemperaturen brach das Conger-Eis-schelf zusammen. Dieses war mit einer Grösse von rund 1200 Quadratkilometern ungefähr so gross wie der Kanton Uri und somit zwar eher klein. Allerdings ist es der bedeutendste Zusammenbruch einer solchen Eisplattform seit dem Jahr 2002. Damals fiel das Larsen-B-Schelfeis zusammen.
Conger ice shelf in East #Antarctica, with a surface of ~1,200 square kms (460 square miles), has collapsed
— World Meteorological Organization (@WMO) March 28, 2022
This coincided with record heat in the coldest part of the world and record low Antarctic sea ice#Sentinel2 🇪🇺🛰️ images via @defis_eu ↙️before and ↘️after#ClimateChange pic.twitter.com/LbNbZKzhFS
Wenn es doch "noch immer" -12 Grad sind, wie kann dann ein Gletscher schmelzen?