Die reichsten Länder sind nicht (mehr) die grössten Klimasünder
Noch vor dem offiziellen Start der Klimakonferenz 2025 in Belém (COP30) giesst der brasilianische Gastgeber Öl ins Feuer. Der Präsident der Veranstaltung, Diplomat André Corrêa do Lago, äusserte sich gegenüber Journalisten undiplomatisch und warf dem reichen globalen Norden mangelnden Enthusiasmus im Kampf gegen die Klimakrise vor: «Irgendwie zeigt der Rückgang der Begeisterung im globalen Norden, dass sich der globale Süden bewegt. Das ist nicht nur dieses Jahr so, sondern schon seit Jahren.»
Konkret fordert do Lago die reichen Länder auf, sich ein Beispiel an China zu nehmen: «China entwickelt Lösungen, die für alle gelten, nicht nur für China.» Vor allem beim Ausbau der Erneuerbaren sei China ein Vorreiter – was hinsichtlich des Klimawandels eine gute Sache sei.
In Anbetracht, dass das Gros der Klimaziele bisher verfehlt wurde, sich viele Massnahmen als zahnlos erweisen und die Menschheit auf eine Erwärmung von 2,8 Grad hinsteuert, ist die Pauschalkritik angebracht. Die Daten zeigen aber, dass eine Differenzierung durchaus nötig wäre.
Ausbau der Erneuerbaren
Hinsichtlich des Ausbaus der Erneuerbaren sticht Diplomat do Lago in ein Wespennest. Tatsächlich spielt China hierbei in einer eigenen Liga. Mit dem explosionsartigen Ausbau von Solar- und Windkraft kann der Westen nicht mithalten. 2024 installierte das Reich der Mitte etwa 1,5-mal so viel Solarkapazität wie der Rest der Welt. Ähnliche Statistiken lassen sich auch für die Windkraft finden.
Do Lagos Äusserungen dürften vor allem an die USA gerichtet sein, wo die Regierung Trump den Ausbau der Erneuerbaren so gut wie möglich schikaniert. Erst kürzlich riet US-Energieminister Chris Wright den europäischen Staaten, weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen.
Wright war vor seiner Karriere im Weissen Haus im Fracking-Business tätig und leugnet den Klimawandel als «Hoax».
CO2-Ausstoss
Auch der Vorwurf, der reiche Norden zeige wenig Enthusiasmus beim Kampf gegen den Klimawandel, muss ernst genommen werden. Doch in Sachen CO2-Ausstoss haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Im Jahr 2000 waren die reichsten Staaten noch mit deutlichem Abstand für den Grossteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Neuer Spitzenreiter sind nun aber die Länder mit «höherem mittleren Einkommen», wie es Our World in Data etwas umständlich formuliert.
Einen Grossteil des sprunghaften Anstiegs bei den «Ländern mit höherem mittlerem Einkommen» hat das von do Lago gelobte China zu verantworten. Ebenfalls einen stolzen Beitrag leistet Indien. Das zeigt die Veränderung des jährlichen CO2-Ausstosses der 20 grössten CO2-Produzenten der Welt. Dass die Emissionsproduktion auch in den Ländern mit «tieferem mittlerem Einkommen» sprunghaft angestiegen ist, dürften Vietnam, Indonesien und Iran zu verantworten haben.
Die Statistik der Veränderung des CO2-Ausstosses zeigt: Vor allem den reichsten Ländern gelang die Reduktion der Treibhausgasproduktion. Gleichzeitig sind es Länder wie Indien oder China, welche in den letzten Jahren ihren Emissionsausstoss vervielfachten. Spitzenreiter Vietnam hat zwar prozentual am meisten zugelegt, spielt in absoluten Zahlen aber eine weniger einschneidende Rolle. Interessant aber: Vietnam hat Klima-Streber Grossbritannien in Sachen Emissionen hinter sich gelassen.
Nicht vergessen werden darf, dass die reichsten Staaten mit ihrem Konsumverhalten die Emissionen in Ländern wie China, Indien, Vietnam und Indonesien in die Höhe treiben. Und eine gute Nachricht zuletzt: Gemäss verschiedenen Experten hat China den Zenit seiner Emissionen überschritten. Wenn nicht in diesem Jahr, dann mit Sicherheit im nächsten. Für die einst angestrebten Klimaziele wird es trotzdem nicht mehr reichen.
