20'000 Diplomaten feilschen in diesen Stunden an einer Abschlusserklärung für den Klimagipfel in Glasgow. Darunter ist auch ETH-Klimawissenschaftler Andreas Fischlin, der für die entscheidenden Verhandlungstage doch noch nach Glasgow gereist ist. Auch ihn hat am Mittwochabend eine Ankündigung überrascht. Dies obschon er für die Schweiz schon an zahlreichen Klimagipfeln mit dabei war.
Die USA und China sind die zwei grössten CO2-Drecksschleudern weltweit. Eigentlich herrscht zwischen der Regierung von Joe Biden und Xi Jinping Eiszeit. Gestern Abend haben die Länder trotzdem eine gemeinsame Erklärung publiziert. Sie wollen ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen die Erderwärmung verstärken. Man wolle den «kritischen Moment» nutzen, um vorwärts zu machen. «Wir werden noch in diesem Jahrzehnt zusammen mit den USA ehrgeizigere Klimaschutzmassnahmen ergreifen», sagte der Leiter der chinesischen Delegation. Dazu werde eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt.
Ist die Ankündigung wieder nur viel «Blablabla», wie Klima-Ikone Greta Thunberg bereits Anfang des Gipfels kritisierte? ETH-Forscher und Gipfelteilnehmer Fischlin sieht dies nicht so. Diese Einigung sei ein starkes Signal. Und ein Zeichen, dass es trotz aller Hindernisse vorwärtsgeht. «Denn ohne die USA und China kann es im Klimaschutz nicht vorangehen, da sich die Länder sonst gegenseitig blockieren.»
Gut zu wissen: Bereits 2014 einigten sich die USA und China auf bestimmte Punkte. Dieses bildeten den Grundstein für die daraus resultierende Pariser Klimaabkommen. «Weil sich die Trump-Administration um das Klima foutierte und gar Paris kündigte, haben wir mehrere Jahre verloren. Zeit, die uns jetzt fehlt», analysiert Fischlin.
Die USA haben historisch gesehen mit all ihren Emissionen nach wie vor am meisten zum Klimawandel beigetragen – und hätten so immer noch eine grosse historische Verantwortung. China habe kumuliert bloss halb soviel CO2 ausgestossen wie die Vereinigten Staaten und ein Drittel der Industriestaaten insgesamt, so Fischlin.
Der Countdown läuft. Der Klimagipfel in Glasgow dauert offiziell nur noch bis Freitag. Meistens gehen die Verhandlungen länger. «Die Entscheidung fällt wohl erst in der Nacht auf Samstag», so Fischlin. Er sei aber guten Mutes, dass ein positiver Abschluss gelinge. Die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Klimagipfel in Glasgow seien aber – ähnlich wie in Kopenhagen 2009 – zu hoch. An solchen Konferenzen gehe es nie um «alles oder nichts». Sondern um eine Politik der kleinen Schritte.
«So oder so wird aber das Resultat der Dringlichkeit der Klimakrise nicht gerecht werden», sagt der ETH-Forscher. Aber die Prozesse in der internationalen Politik seien nun halt einfach langsam. «Greta Thunberg muss lernen, dass es Geduld braucht. Auch wenn man als Wissenschaftler manchmal auch schier am Verzweifeln ist.»
#COP26, day 1: Konsultationen und Gespräche bis in die Nacht: Mit dem COP-Präsidenten @AlokSharma_RDG und vielen anderen. Jedes Land hat eine andere Ausgangslage, jedem bereitet die Klimaerwärmung andere Probleme. Aber: Der #Klimawandel verschont kein Land. pic.twitter.com/2wjLKg6BWE
— Simonetta Sommaruga (@s_sommaruga) November 9, 2021
Die Schweiz hat am Donnerstag erste Abkommen zur Anrechnung von CO2-Reduktionen unterschrieben. Wie Umweltministerin Simonetta Sommaruga am Rande der Weltklimakonferenz in Glasgow vor den Medien sagte, ist dies ein «Meilenstein» bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Die nun gefundene Lösung zur Umsetzung von dessen umstrittenem Artikel 6 könne «ein Vorbild sein auch für andere Länder», sagte die Schweizer Umweltministerin. Denn sie verhindere Doppelbuchungen von Minderungen beim Ausstoss von Treibhausgasen – einer der Knackpunkte beim Abkommen.
ETH-Klimaexperte lobt denn im Gespräch mit watson explizit das grosse Engagement von Sommaruga. Sie habe in intensiven Gesprächen praktikable Lösungen gesucht – und gefunden. «Die Schweiz hat keine ‹versteckte Agenda› und gilt darum als vertrauenswürdig. Das hat bei den Verhandlungen geholfen.» Als fünftgrösster Finanzplatz weltweit habe die Schweiz zudem selbst einen grossen Hebel in der Hand, um weltweit den Klimaschutz zu verstärken.
Nein verdammt nochmal! Die Leute müssen lernen, dass die Erde mit uns keine Geduld hat. Wenn's zu spät ist's dann halt einfach zu spät, ob wir bereit sind oder nicht.