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Ein Jahr Krieg in der Ukraine:Alle haben sich getäuscht

An artwork of the famous street artist TvBoy, in seen on the wall of the house of culture, which was heavily damaged during Russia's attack in the town of Irpin, outside Kyiv, Ukraine Monday, Jan ...
Der Streetart-Künstler TvBoy hat ein Mädchen mit einem Soldaten eine von Kugeln durchsiebte Hauswand in Irpin gemalt.Bild: keystone
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Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Die Generäle, Putin und wir – alle haben sich getäuscht

Vor einem Jahr schien ein Krieg in Europa noch unvorstellbar. Heute ist es schwer, sich frieden vorzustellen. Doch die Hoffnung lebt.
18.02.2023, 06:5118.02.2023, 10:52
Raffael Schuppisser / ch media
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Vor einem Jahr, am 18. Februar 2022, warnte US-Präsident Joe Biden die Welt: «Die Gefahr einer Invasion ist sehr hoch.» Natürlich brach dieser Krieg nicht völlig unvorhergesehen aus. Putin traute man vieles zu. Dass er aber mit seiner Armee die Ukraine tatsächlich überfallen würde, hielten doch die wenigsten für möglich. Ein Angriffskrieg in Europa im 21. Jahrhundert lag schlicht jenseits der Vorstellungskraft. Wir haben uns getäuscht.

Am 24. Februar begann eine neue Zeitrechnung. Putin marschierte in der Ukraine ein. Die Lage schien klar. «Putin wird diesen Krieg gewinnen», analysierte etwa der ehemalige deutsche General Erich Vad im Fernsehen, «weil die russischen Streitkräfte um ein Vielfaches überlegen sind.» Ein paar Tage nur werde das dauern. Breite Zustimmung. Die meisten Experten sahen das so. Heute wissen wir: Sie haben sich getäuscht.

Die Angriffsstrategie der Russen verfing nicht. Die Armee erwies sich als marode, die Truppenmoral als desolat. Vor allem aber zeigte sich die Ukraine als standhaft und stellte sich der Westen rasch geeint hinter das Land. Das hatte sich der Kriegstreiber im Osten anders vorgestellt. Putin hat sich getäuscht.

Wie geht es weiter? Die ehrliche Antwort ist: Keiner weiss es. Klar ist aber, dass derzeit Friedensverhandlungen aussichtslos sind – sie würden darin enden, dass die Ukraine grosse Teile ihres Landes abtreten müsste und Putin gestärkt aus der Situation hervorginge. Klar ist auch, dass die Nato nicht als aktive Partei in diesen Krieg hineingezogen werden darf – die globale Eskalation wäre unberechenbar. Ebenfalls klar ist, dass die Waffenlieferungen des Westens anhalten müssen, damit sich die ukrainische Armee weiterhin verteidigen kann.

Doch wird das reichen, um den Gegner zurückzudrängen, ihn so zu schwächen, dass am Verhandlungstisch annehmbare Bedingungen für die Ukraine resultieren können? Derzeit ist das nur schwer vorstellbar. Hoffentlich täuschen wir uns abermals.

Denn dieser Krieg – in dem es nicht zuletzt um die Verteidigung der demokratischen Werte geht – darf nicht mit einer Niederlage der Ukraine enden.

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9 Kommentare
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18.02.2023 10:26registriert September 2020
Tut mir Leid. „Wir alle“ haben uns nicht getäuscht. Seit Jahren hat uns die Ukraine gewarnt und um Unterstützung gebettelt. Ebenso die Baltischen Staaten. Wir im Westen haben das mit einem Pseudoabkommen in Minsk adacta gelegt und waren Stolz auf unsere „Friedensvermittlungen“, welche in Tat und Wahrheit die Kriegsvorbereitungen des Kremls ermöglicht hatten. Wir waren zu Arrogant. Wir haben die Ukraine belächelt. Wir wussten es, wie immer, besser. Die zögerlichen Waffenlieferungen beweisen, dass wir es immer noch „besser wissen“.
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