Der eine dachte, er habe eine indigene Herkunft, der andere glaubte an seine ukrainische Abstammung – doch beide lagen falsch. Das ist das Schicksal von Richard Beauvias (68) und dem am selben Tag geborenen Eddy Ambrose. Die beiden Männer wurden 1955 Opfer einer folgenschweren Verwechslung eines damals neu eröffneten Krankenhauses in der kanadischen Prärieprovinz Manitoba. Mitarbeiter hatten die Babys der jeweils falschen Familie gegeben, berichten englischsprachige Medien übereinstimmend.
Der Sohn einer Indigenen und eines Franzosen, Eddy Ambrose wuchs in einer landwirtschaftlichen Gemeinschaft auf. Seine vermeintlichen Eltern brachten ihm ukrainische Volkslieder bei. Bereits im jungen Jahren verlor er seine Eltern. Nach einigen Umwegen landete er schliesslich in einer Pflegefamilie, bei der er sich sehr wohlfühlte, berichtet «The Guardian».
Two Canadian men who discovered they were switched at birth after carrying out DNA test finally received a formal apology from the government nearly 70 years after the life-changing mistake.
— Mirror African Diaspora (MAD) (@MAD_DIASPORA) March 25, 2024
⁰Richard Beauvais and Eddy Ambrose, 68, were born on the same day in the same hospital… pic.twitter.com/JCwwKXwle7
Anders erging es Richard Beauvais. Dieser wuchs rund 60 Meilen (rund 100 Kilometer) entfernt auf. Dort erlebte er am eigenen Leib, wie der kanadische Staat sich bemühte, indigene Familien und ihre Kultur zu zerstören. Zunächst lernte er Französisch und die Indigene Sprache der Cree. Letzteres durfte er aber nicht in der Schule sprechen. Im Alter von drei Jahren verlor er seinen Vater. Seine Mutter hatte Schwierigkeiten, ihn und seine sechs Geschwister grosszuziehen. Beauvais musste deshalb im Müll nach Nahrung suchen, berichtet «The Guardian».
Noch schlimmer waren seine Erfahrungen im Alter von acht und neun Jahren. Wie viele Indigene Kinder durfte er nicht bei seiner Familie bleiben. Stattdessen kümmerte sich fortan eine Pflegefamilie um ihn. Wie «The Guardian» berichtet, seien Beamte in das Haus der Familie eingedrungen und hätten die Kinder mitgenommen. Als Beauvais Schwester nicht aufhörte zu weinen, wurde sie geschlagen.
«Ich habe gesehen, was die Regierung indigenen Kindern angetan hat, weil sie dachten, ich sei ein indigenes Kind», sagte er «The Globe and Mail», die zuerst über den Fall berichteten.
Ein Weihnachtsgeschenk sollte schliesslich die Verwechslung offenbaren. 2020 schenkte Beauvais Tochter ihm einen DNA-Test. Der Grund: Sie wollte mehr über die französische Herkunft ihres Vaters erfahren. Doch das Ergebnis löste Verblüffung aus. Der Mann habe ukrainische, polnische und jüdische Wurzeln. Wahrhaben wollte er es zunächst nicht: «Er dachte, es sei ein Betrug, der nicht einmal seine indigenen Wurzeln anerkennt», berichtet Bill Gange, Anwalt der beiden vertauschten Männer. Er warf das Ergebnis weg.
Doch nicht nur er liess sich testen: Auch die Schwester von Eddy Ambrose liess sich untersuchen. Sie fand heraus, dass sie nicht mit ihrem Bruder verwandt ist, berichtet die BBC. So erfuhren die beiden schliesslich von ihrem Schicksal.
Anwalt Gange konfrontierte das Gesundheitsministerium von Manitoba im April 2022 mit dem Fall. Doch diese wollten sich nicht dazu äussern. «Sie haben einfach komplett geschwiegen», berichtet er. Nachdem «The Globe and Mail» über die beiden Männer im Februar 2023 berichtete, äusserte sich erstmals die Provinzregierung. Ihr sei der Fall bekannt, eine Verantwortung wies sie jedoch zurück. Erst als die linke New Democratic Party kürzlich Wahlen gewann, folgte die Kehrtwende: die Regierung entschuldigte sich.
«Ich erhebe mich heute, um mich für Handlungen zu entschuldigen, die zwei Kindern, zwei Elternpaaren und zwei Familien über viele Generationen hinweg geschadet haben», sagte Wab Kinew, Premier der Provinz, im Parlament von Manitoba.
Die Erkenntnis über die schicksalhafte Verwechslung brachte nicht nur Negatives mit sich. Die Familien von Eddy Ambrose und Richard Beauvais kamen sich näher. Die älteste Tochter von Beauvais etwa ist heute gut mit der biologischen Schwester ihres Vaters befreundet.
Die Entdeckung des Irrtums bleibt jedoch ein Glücksfall: Die Verwechslung sei «nur durch Zufall» entdeckt worden, sagt der Anwalt Gange. «Das ist nur meine eigene Vermutung, aber ich glaube, dass mit der zunehmenden Verbreitung von DNA-Tests weitere Fälle wie dieser auftreten werden», sagt der Jurist.
Verwendete Quellen:
Viel wichtiger sind eine liebende Familie und das Milieu in dem man aufwächst…
Würde das aber jemanden passieren der stolz damit brüstet, „Eidgenosse“ oder „Bioschweizer“ zu sein, so dürfte ich hingegen eher Schadenfreude haben.