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Wie ein Geistlicher aus dem Iran sich gegen die Elite stellt

An injured stray cat walks on the shoulder of Iranian cleric Sayed Mahdi Tabatabaei after treatment at a veterinary clinic in Tehran, Iran, Friday, May 19, 2023. It's rare these days for a turban ...
Sayed Mahdi Tabatabaei mit einer Katze aus seinem Tierheim.Bild: keystone

Wie ein Geistlicher aus dem Iran sich gegen die Elite stellt – wegen Tieren

Im Iran haben sich die Mullahs gegen die Haltung von Hunden und Katzen ausgesprochen und Haustiere für «unrein» erklärt. Doch ein Geistlicher wehrt sich dagegen und eröffnete vor zwei Jahren ein Tierheim.
04.06.2023, 11:1804.06.2023, 12:10
Lea Oetiker
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In vielen islamischen Ländern stellen Menschen Futter und Wasser für streunende Tiere vor ihre Haustüren. Aber im Iran sieht die Situation ein wenig anders aus: Hier werden Strassenhunde gemieden, erschossen und vergiftet.

Denn die geistliche Elite, welches das Land seit der Revolution 1979 regiert, hat Hunde und Katzen für «unrein» erklärt. Doch ein iranischer Geistlicher widersetzt sich dem – er hat ein Tierheim gegründet, in dem er Streuner aufnimmt und sie pflegt.

Iranian cleric Sayed Mahdi Tabatabaei looks at stray dogs outside his shelter as they are being fed, outside the city of Qom, 80 miles (125 kilometers) south of the capital Tehran, Iran, Sunday, May 2 ...
Sayed Mahdi Tabatabaei mit Hunden vor seinem Tierheim.Bild: keystone

Ein Geistlicher gegen die Elite

Sayed Mahdi Tabatabaei trägt einen schwarzen Turban, der ihn als Nachfahren des islamischen Propheten Mohammed ausweist. Doch von dem Strassenhund-Tabu hält er nichts. Vor zwei Jahren gründete er deshalb in seiner Heimat Quom das Tierheim Bamak Paradise. Er erzählt der «Los Angeles Times», dass es für die Menschen immer wieder sehr speziell sei, einen Geistlichen zu sehen, der «diese Dinge tut».

«Wir nehmen Hunde mit Behinderungen auf, solche, die in der freien Wildbahn nicht überleben und nur schwer ein Zuhause finden», erzählt Tabatabaei. «Viele Hunde habe ich persönlich wieder gesund gepflegt. Sie bleiben hier, bis sie sich vollständig erholt haben und wieder zu Kräften gekommen sind.»

Iranian cleric Sayed Mahdi Tabatabaei looks inside impaired stray dogs cage at his shelter outside the city of Qom, 80 miles (125 kilometers) south of the capital Tehran, Iran, Sunday, May 21, 2023. I ...
Er stellt sich gegen die geistliche Elite, welche sich gegen Hunde ausspricht.Bild: keystone

Seine Arbeit kommt auch auf Instagram gut an. Mittlerweile hat Tabatabaei über 80'000 Follower. Aber: Was die einen gut finden, verurteilen wiederum andere. So haben seine Videos und Bilder im Internet ihm schon Ärger eingebrockt. Im Jahr 2021 hat das Religionsgericht sogar angefordert, dass er aus seinem Priesteramt entlassen werde, nachdem ein Bild von ihm in einem klerikalen Gewand und einem Hund aufgetaucht war. Das Urteil wurde später wieder aufgehoben.

Tabatabaei ist mittlerweile vorsichtiger geworden. Er erzählt der «Los Angeles Times», dass er nur noch «normale Kleidung» trage, wenn er sich um die Hunde kümmere oder das Tierheim reinige.

Iranian cleric Sayed Mahdi Tabatabaei sits at his stray cat shelter as cats eat outside the city of Qom, 80 miles (125 kilometers) south of the capital Tehran, Iran, Sunday, May 21, 2023. It's ra ...
Natürlich haben auch Katzen im Tierheim ein Zuhause und eine Futterstelle gefunden.Bild: keystone

Ein Appell gegen die Sanktionen

Um seine Arbeit weiterhin machen zu können, ist der Kleriker auf Spenden angewiesen. Er sagt, dass die Mittel für Organisationen wie die seine in den vergangenen Jahren enorm abgenommen hätten – besonders seit die USA die Sanktionen gegen den Iran verschärften.

Das Bankensystem des Landes ist mittlerweile fast vollständig von der Aussenwelt abgeschnitten, was den Geldtransfer extrem erschwert. Im Iran ist die Wirtschaft zusammengebrochen und die Landeswährung im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief gefallen. Viele Iranerinnen und Iraner können ihren Lebensunterhalt kaum noch bezahlen, weshalb die Spenden oft ausbleiben. Der «Los Angeles Times» sagt er darum:

«Ich appelliere an die westlichen Regierungen, die in der Lage sind, die Sanktionen gegen den Iran zu beeinflussen, Ausnahmen für Organisationen wie die unsere zu erwägen.»
Iranian cleric Sayed Mahdi Tabatabaei caresses an impaired stray dog at his shelter outside the city of Qom, 80 miles (125 kilometers) south of the capital Tehran, Iran, Sunday, May 21, 2023. It' ...
Tabatabaei zeigt sich oft nur noch mit seinen normalen Kleidern, wenn er bei den Tieren ist.Bild: keystone

Weiter appelliert er: «Wenn wir Bankkonten einrichten könnten, wären wir in der Lage, Hilfe von Einzelpersonen und Wohltätigkeitsorganisationen ausserhalb des Irans zu erhalten, ohne dass diese gegen die Sanktionen verstossen und rechtliche Komplikationen riskieren.»

Tabatabaei hofft auf eine Veränderung. Vor allem auf eine Aufhebung des Verbots, mit Hunden in Parks spazieren zu gehen. «Tierhalter müssen mit ihren Hunden und anderen Haustieren spazieren gehen können», sagt er. Es könnte aber noch etwas dauern, bis sich die Situation für Haustiere und ihre Besitzer im Iran ändert. Denn ein Gesetz zum Schutz von Tieren fehlt weiter in dem Land – und so gibt es auch kaum Möglichkeiten, Tiere zu schützen – schon gar nicht für Geistliche.

(oee)

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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toemsterli
04.06.2023 11:47registriert Juni 2022
Ein bisschen Normalität umgeben des ganzen Wahnsinns im Iran...
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Humanity
04.06.2023 14:13registriert April 2022
Wenn es so etwas wie das jüngste Gericht gibt dann weiss ich schonmal wer einfach durch spazieren wird, wie können geistliche überhaupt sagen das man andere Lebewesen meiden sollt?
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Yuni, Subulussalam (#Save_Brahim)
04.06.2023 13:07registriert März 2021
Tierquäler sollten daran denken welche Strafe ihnen im Jenseits drohen kann und welche Erleichterung und Vergebung der gute Umgang mit ihnen bringen kann.
Ganz besonders bei Katzen.
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