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Libanon

Frau überfällt Bank in Beirut – und wird im Netz als Heldin gefeiert

Frau überfällt Bank in Beirut – und wird im Netz als Heldin gefeiert

Am Mittwoch kam es in Beirut zu einem Banküberfall, der für Schlagzeilen sorgte. Denn: Eine junge Frau stürmte verzweifelt eine Bank, um ihr eigenes Geld zu «stehlen». Geld, welches ihre Familie dringend benötigt.
15.09.2022, 08:52
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Am Mittwoch stürmte eine junge Frau, gemeinsam mit einer Gruppe von Aktivisten, eine Bank in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Bei der Frau handelt es sich um Sali Hafis, eine 28-jährige Aktivstin, die dringend Scheine und Münzen benötigt. Das Heimtückische an der Geschichte: Hafis Familie besitzt das benötigte Geld – zumindest theoretisch. Denn ihre Familie habe 20'000 Dollar hinterlegt, sagt Hafis, doch die Bank lasse sie nicht an ihr eigenes Geld heran.

Sie habe bereits etliche Male versucht, Geld abzuheben. Allerdings sei ihr jedes Mal gesagt worden, dass sie monatlich nur 200 Dollar in libanesischer Pfund beziehen könne. Für Hafis ein grosses Problem, denn: Ihre Schwester liegt im Sterben. Und die dringend benötigte Behandlung im Spital muss in bar beglichen werden.

Aus Not heraus beschloss Hafis deshalb, die Bank Blom zu stürmen. Diesen Plan setzte sie am Mittwoch um. Bewaffnet mit der Spielzeugpistole ihres Neffen und begleitet von der Aktivistengruppe «Sarchat al mudiain» (Aufschrei der Einleger) stürmte sie die Bank. Zu den Anwesenden in der Bank rief sie:

«Ich bin Sali Hafis und ich bin heute gekommen ... um die Einlagen meiner Schwester entgegenzunehmen, die im Spital im Sterben liegt.»

Wie die Gruppe auf Twitter erklärt, habe Hafis etwa 13'000 Dollar ihres eigenen Geldes erbeuten können. Damit wolle sie nun die Krebsbehandlung ihrer Schwester finanzieren. Reichen tut die Summe gemäss Hafis' Angaben aber nicht: Für die Behandlung benötige sie 50'000 Dollar.

Diverse Videos und Bilder des Überfalls kursieren in den sozialen Medien. Wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete, habe Hafis während des Überfalls Tische und Stühle mit Benzin übergossen. Hafis stellte allerdings in Videos klar:

«Ich bin nicht hergekommen, um irgendjemanden zu töten oder ein Feuer zu legen. Ich bin gekommen, um meine Rechte einzufordern.»

Beim Überfall wurde niemand verletzt und Hafis sowie ihre Begleit-Gruppe konnten fliehen, bevor Sicherheitskräfte eintrafen.

Im Netz wird sie für diese Aktion gefeiert. Denn unzählige Menschen teilen ihr Schicksal und leiden unter der massiven Wirtschaftskrise. Sali Hafis ist deshalb nicht die Einzige, die sich aus Not zu einem Überfall hat hinreissen lassen. Am selben Tag habe ein Mann in der Stadt Aley, nordöstlich Beiruts, ebenfalls eine Bank überfallen, wie lokale Medien berichteten. Im Gegensatz zu Hafis wurde er allerdings gefasst, bevor er mit dem Geld flüchten konnte.

Nur ein Monat zuvor hat ein anderer Mann diverse Mitarbeinde einer Bank als Geiseln genommen. Er befand sich in einer ähnlichen Situation wie Hafis: Mit seinem Geld, das er bei der Bank hinterlegt hatte, wollte er die ärztliche Behandlung seines Vaters bezahlen. Nach stundenlangen Verhandlungen willigte die Bank schliesslich ein, ihm einen Teil seiner Ersparnisse auszuzahlen.

Das Land am Mittelmeer leidet seit fast drei Jahren unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Grosse Teile der Bevölkerung sind in Armut abgerutscht. Die nationale Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Weil diese früher fest an den Dollar gekoppelt war, haben viele Libanesen Konten in der US-Währung. Da dem Land jedoch die Devisenvorräte ausgehen, können die Libanesen nur noch sehr begrenzt US-Dollar von ihrer Bank abheben. (saw)

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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Maurmer
15.09.2022 09:42registriert Juni 2021
Immer wieder überraschend, wie viele Menschen Unrecht feiern, wenn sie der Meinung sind, dass es dazu dient anderes Unrecht zu korrigieren.
So ein wenig wie die Illusion von Robin Hood…

Nur dass das der falsche Weg ist, denn im konkreten Fall ist es den Banken schlichtweg nicht gestattet die Einlagen auszuhändigen, da dies zu einem kompletten Kollaps führen würde. Diese Regel dient dazu einen Bankensturm zu verhindern. Und ja, sie ist insbesondere deshalb unfair, weil die korrupten Bonzen ihr Geld vorher in Sicherheit gebracht haben.

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