«Team Jorge». Hinter diesem Namen verbirgt sich eine israelische Desinformationsfirma. Und «Team Jorge» soll dem bekannten französischen Moderator Rachid M'Barki vom Sender BFMTV «voreingenommene und tendenziöse» Informationen fertig geliefert haben – ohne dass sie vom Sender validiert wurden.
Der Fall erregte Aufsehen in der französischen Medienwelt, die sich plötzlich Sorgen machte: Was, wenn das Desinformations-Team auch andere Redaktionen beeinflusst hat?
M'Barki ist ein BFMTV-Urgestein: Der Journalist ist seit der Gründung des Senders im Jahr 2005 auf Sendung. Bei den Aussagen, die ihn jetzt belasten, geht es um russische Oligarchen, Katar, Sudan, Kamerun oder die Westsahara.
So erzählt er etwa die Geschichte eines Mannes, der sich in der Nähe von Kamerun aufhält. In diesem Zusammenhang spricht er von der «marokkanischen Sahara» anstatt der Westsahara. Dabei ist die Annexion der Westsahara durch Marokko völkerrechtlich nicht anerkannt.
Im Gegenteil: Die schätzungsweise rund 600'000 Einwohner der Westsahara kämpfen für einen unabhängigen Staat – die Demokratische Arabische Republik Sahara. Doch Marokko beansprucht die Westsahara für sich, da die Region in vorkolonialer Zeit in einem losen Abhängigkeitsverhältnis zu Marokko stand. Die Vereinten Nationen verlangen die Durchführung eines Referendums über den endgültigen völkerrechtlichen Status der Westsahara.
Rachid M'Barki wurde mittlerweile suspendiert. Er hat nämlich die «Einmischungsoperationen» zugegeben und eine «mögliche journalistische Fehleinschätzung» gestanden. Er habe «einem Freund einen Gefallen getan», heisst es in einem Beitrag der öffentlich-rechtlichen Radiokette France Bleue.
Ein Konsortium internationaler Ermittler recherchiert seit mehreren Monaten über «Team Jorge». Sie waren es auch, die die Leitung von BFMTV über die Verdächtigungen gegen den Journalisten informierten. Ein Fall unter vielen.
«Team Jorge» ist der Name, den die Ermittler der Firma gegeben haben, denn Jorge ist das Pseudonym desjenigen, der sich als Leiter vorstellt. Zu den Spezialitäten von «Team Jorge» gehört die Beeinflussung von Wahlen. Die Ermittler gaben sich als Berater eines fiktiven afrikanischen Kunden aus und Jorge habe geprahlt:
Ein Mitarbeiter von «Team Jorge» ergänzte: «Zwei Drittel davon im englisch- und französischsprachigen Afrika. Siebenundzwanzig davon waren erfolgreich.»
Laut den Ermittlern soll «Team Jorge» in erster Linie «ehemalige Offiziere der israelischen Armee oder des Geheimdienstes, Experten für Finanzinformationen, militärische Fragen, psychologische Kriegsführung oder soziale Medien» beschäftigen.
Eine Armada von fast 40'000 Avataren soll für «Team Jorge» arbeiten. Ihre Aufgabe: Meinungen in sozialen Netzwerken verbreiten, um Wahlen oder Referenden zu beeinflussen.
Angesichts des Profils der Mitarbeitenden von «Team Jorge» wäre es erstaunlich, wenn die Operationen dieses Unternehmens nicht von der israelischen Regierung überwacht oder gar genehmigt würden. Wenn der Journalist von BFMTV von der «marokkanischen Sahara» statt der «Westsahara» spricht, kommt er den Interessen Marokkos und Israels entgegen, deren diplomatische Beziehungen sich seit Ende 2020 normalisiert haben.
Der Name «Team Jorge» ist auch Lotfi Bel Hadj nicht fremd. «Ich bin ein Konkurrent», sagt er, als er von watson erreicht wird.
Der Franco-Tunesier ist der Gründer von UReputation, einer Firma mit Büros in Tunesien und Barcelona, die ähnliche Angebote im Dossier hat wie «Team Jorge». Genau wie «Team Jorge» ist Lotfi Bel Hadj vorwiegend in Afrika tätig. Allerdings geriet er dort in Schwierigkeiten, da Facebook Hunderte von gefälschten Konten löschte, die dem Unternehmen zugeschrieben wurden.
Die Namen von Lotfi Bel Hadj und seiner Firma tauchten auch in der Affäre um die gefälschten Twitter-Konten von Paris Saint-Germain auf. Diese hat nämlich UReputation im Auftrag des Fussballclubs erstellt. Die gefälschten Konten waren für Hetzkampagnen gedacht und richteten sich gegen Spieler des Vereins, die mit der Vereinsführung in Konflikt geraten waren – darunter Kylian Mbappé und Adrien Rabiot. Lotfi Bel Hadj sagt dazu:
Und er ergänzt: «Viele Menschen äussern sich unter Pseudonymen in sozialen Netzwerken und treten dort unter verschiedenen Identitäten auf. Werden sie verfolgt? Nein, das tun sie nicht. Die Verwendung fiktiver Profile im Rahmen einer Wahlkampagne ist eine Möglichkeit, einen Kandidaten in den Vordergrund zu stellen.» Doch handelt es sich nicht um eine Täuschung von Wählern? Der Gründer von UReputation verneint dies.
«Es geht hier um eine demokratische Herausforderung», stellt Frédéric Esposito vom Observatoire universitaire de la sécurité der Universität Genf mit einer gewissen Ernsthaftigkeit fest.
«‹Team Jorge›, das von diesem Ermittlungskonsortium ans Licht gebracht wurde, zeigt, dass die Problematik der Desinformation mit der Staatsräson verbunden ist. Wir haben es hier mit einem Unternehmen zu tun, das Söldner anstellt, die als Beeinflusser fungieren. Sie konstruieren und dekonstruieren Informationen», stellt der Politologe fest. Er fügt hinzu:
Und auch die Schweiz ist nicht vor Werbeversuchen ausländischer Mächte gefeit.
So berichtete CH Media, wie russische und chinesische «Korrespondenten» versucht hätten, Schweizer Studierende via soziale Netzwerke zu beeinflussen.
All dies erinnert an die Intrigen, die in der französischen Serie «Le bureau des légendes» erzählt werden – für deren amerikanische Adaption George Clooney verantwortlich sein wird.
Würde meine These standhalten, wenn ich behaupte, alles was von dort aus berichtet wird, entspricht höchstens der Halbwahrheit?