Israelischer Einmarsch droht: Hisbollah verweigert Entwaffnung
In Beirut wird dieser Tage der Sondergesandte von Donald Trump für den Libanon und Syrien erwartet. Nach libanesischen Presseberichten soll Tom Barrack die libanesische Regierung in einer «letzten Warnung» dazu auffordern, in Abstimmung mit Washington und Jerusalem einen Zeitplan und Mechanismus für die Entwaffnung der Hisbollah vorzulegen.
Die Zeit drängt: Laut dem im November letzten Jahres in Kraft getretenen Waffenstillstandsabkommen mit Israel muss die libanesische Armee nicht nur dafür sorgen, dass die Region südlich des Litani-Flusses bis zur israelischen Grenze frei von jeglicher Hisbollah-Präsenz ist. Darüber hinaus soll die Terrororganisation bis Ende Dezember ihre Waffen niederlegen oder einer Entwaffnung durch die libanesische Armee zustimmen.
Dazu ist die Hisbollah nicht bereit. Seine Gruppe bleibe auch zukünftig im «Verteidigungsmodus», betonte Naim Qassem, der Generalsekretär der pro-iranischen Schiitenmiliz, vor kurzem. Eine Vermittlung von Trumps Sondergesandten für den Libanon lehne man ab, weil dieser «mit Israel unter einer Decke stecke». Zuvor hatte der libanesische Staatspräsident Joseph Aoun den amerikanischen Topdiplomaten wissen lassen, dass «eine Entwaffnung der Hisbollah mit Gewalt unmöglich ist». Entsprechende Versuche, sagte Aoun, würden unweigerlich zu einem neuen Bürgerkrieg im Libanon führen.
Neuaufbau mit Hilfe aus dem Iran
Tatsächlich ist die libanesische Armee auch nach den schweren Verlusten der Hisbollah im Krieg mit Israel im letzten Jahr noch immer zu schwach, um sich gegen die Terrororganisation durchzusetzen. Die Hisbollah habe zwar einen hohen Preis gezahlt, aber sie sei nicht zerstört worden, zitiert der Libanon-Korrespondent der Zeitung «Figaro», Georges Malbrunot, den Beiruter Analysten Ali Fayad.
Nach dessen Erkenntnissen hat die Gruppe mit massiver iranischer Unterstützung eine neue militärische Struktur aufgebaut. Die neue Führung sei jung und dynamischer als die von Israel eliminierte, und könne beim technologischen Fortschritt mithalten.
Die neuen Kommandeure müssten sich nicht mehr an die zentrale Führung wenden. Befehle würden meist persönlich erteilt und nicht mehr über das von Israel infiltrierte Kommunikationsnetz der Hisbollah.
Analysten warnen vor neuer Bodenoffensive
Die Hibsollah verfügt nach arabischen Geheimdienstberichten noch immer über «genügend Kriegswaffen», welche, ähnlich wie im Iran, in 100 Meter tiefen Bunkern gelagert werden. Neue Waffen würden weiterhin über Irak und Syrien in den Libanon geschmuggelt werden.
Es ist davon auszugehen, dass die israelische Armee über die Waffenarsenale der Hisbollah im Bilde ist. Da die offenbar gut gefüllten Depots im letzten Krieg nicht mit bunkerbrechenden Waffen zerstört werden konnten, erwarten Militäranalysten in Beirut in absehbarer Zeit eine neue israelische Bodenoffensive nördlich des Litani-Flusses. Der mündet etwa 20 Kilometer nördlich der israelischen Nordgrenzen ins Mittelmeer.
Auch die sich häufenden israelischen Luftangriffe, die sich auch am letzten Wochenende auf das Gebiet südlich des Litanis beschränkten, könnten ausgeweitet werden. Das hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu unlängst angeregt.
Libanon steht vor Richtungsentscheidung
Diese und andere mögliche militärische Szenarien will Tom Barrack, der aus dem Libanon stammende Sondergesandte von Donald Trump, bei seinem bevorstehenden Besuch in Beirut der libanesischen Regierung darstellen. Die «Geduldsfäden der Amerikaner im Libanon sind gerissen», berichten europäische Diplomaten in Beirut in diesem Zusammenhang.
Trotzdem habe man in Washington die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Aussicht neuer israelischer Angriffe sowohl bei der Beiruter Regierung als auch aufseiten der Hisbollah zu einem Umdenken führe.
Die Libanesen stünden jetzt vor einer Richtungsentscheidung, sagte der Beiruter Journalist Tariq Abu Zeinab dem arabischen Nachrichtenportal «Al Ain»: «Entweder sie entscheiden sich für einen vollständig souveränen Staat mit einer Armee und einer politischen Autorität oder für einen Hisbollah-Mini-Staat im Staat, der das Land endgültig in den Ruin treibt». (aargauerzeitung.ch)
