Trumps grösster Moment
Die letzten israelischen Geiseln sind nach zwei Jahren endlich heimgekehrt. In Gaza schweigen die Waffen. Der 13. Oktober 2025 ist ein historischer Tag, der für immer mit Donald Trump verbunden sein wird. In der Knesset, dem israelischen Parlament, wird er mit «Trump, Trump, Trump»-Rufen gefeiert. Es ist der grösste Moment seiner Präsidentschaft.
Tatsächlich wäre die Waffenruhe und die Geiselrückkehr ohne Trumps persönlichem Einsatz nicht möglich gewesen. Seine undiplomatische Diplomatie ist aufgegangen – an gleich zwei entscheidenden Stellen.
Netanyahu gebändigt
Dass das Überleben seines Landes von den USA abhängt, weiss Israels Regierungschef nicht erst seit gestern. Trotzdem testete Benjamin Netanyahu in den letzten Jahren immer wieder die Grenzen der Beziehung zum wichtigsten Verbündeten aus. Das tat er auch mit Trump: Netanyahu überrumpelte den US-Präsidenten vor wenigen Monaten, als er einen Militärschlag gegen die Hamas-Delegation in Dohas Hauptstadt Katar anordnete und Trump erst in letzter Minute einweihte.
Es war der Moment, in dem Trump den Entschluss fasste, auf eine Waffenruhe zu drängen. Obwohl Katar Schutzmacht der Hamas ist, unterhält Trump beste – und profitable – Beziehungen in das Emirat. Nach dem Angriff in Doha und Netanyahus Drohung, dass weitere folgen könnten, hatte Trump genug. Während vier Besuchen im Weissen Haus und weiteren Telefonaten zwang er Netanyahu zum Einlenken. Dieser entschuldigte sich auf Drängen Trumps nicht nur bei den Kataris, sondern willigte ebenfalls ein, seine Annexionspläne von Teilen des Westjordanlandes wieder in der Schublade verschwinden zu lassen.
Die Hamas-Schutzmächte bekehrt
Trump brachte Netanyahu dazu, seinem Friedensplan zuzustimmen. Einer von zweien war an Bord. Fehlte noch die Hamas. Die holte Trump mit Hilfe der Araber ins Boot.
Trump wird gerne belächelt, wenn er neue Geschäfte mit Katar verkündet. Besucht er die Vereinigten Arabischen Emirate oder begrüsst den türkischen Präsidenten Erdogan im Weissen Haus, folgen Korruptions- und Diktatorenvorwürfe auf den Fuss. Und taucht sein Schwiegersohn Jared Kushner wegen einer seiner vielen Nahost-Reisen in den Medien auf, hagelt es Anfeindungen wegen Vetternwirtschaft.
Dabei ist es genau dieses Geflecht an politischen, wirtschaftlichen und familiären Beziehungen, das Trump einen besonderen Zugang zu den Staatschefs der Region verschafft. Diese nutzte er aus, um die Herrscher in Doha und Ankara von seinem Friedensplan zu überzeugen.
Die arabischen und muslimischen Staaten der Region brachten der Hamas in der Folge mit grossem Nachdruck bei, dass eine Zustimmung die allerletzte Chance für sie ist, zu überleben.
Die Hamas wiederum akzeptierte den Deal nicht nur wegen des Drucks ihrer Schutzmächte, sondern auch wegen Trumps Zusicherungen. Der US-Präsident versprach, sich persönlich dafür einzusetzen, dass sich beide Seiten an die Abmachung halten. Sprich: Trump hält Netanyahu an der kurzen Leine. Das überzeugte letztlich die palästinensische Seite.
Umstritten – aber erfolgreich
Gewürdigt werden muss auch die Rolle des israelischen Ministerpräsidenten. Diese wird in Europa und auch in Israel bisweilen – vorsichtig formuliert – sehr kritisch gesehen. Angehörige der Geiseln warfen ihm immer wieder vor, deren Leben wegen seines persönlichen Machtkalküls aufs Spiel zu setzen. Der Internationale Gerichtshof sucht ihn per Haftbefehl.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Ohne Netanyahus knallharte Linie wäre dieser Deal nicht möglich gewesen. Unter seiner Führung dezimierte die israelische Armee die Hamas in Gaza und machte die noch gefährlichere Hisbollah-Miliz im Libanon praktisch kampfunfähig. Der Angriff auf den Iran im Juni und die Luftschläge der USA gegen Irans Atomprogramm schwächten Israels Erzfeind so stark, dass aktuell niemand mehr dessen Intervention fürchtet. Dies muss auch berücksichtigen, wer Trump und Netanyahu vorwirft, dass dieser Krieg schon längst hätte enden können. Die Bedingungen dafür sind mit der Schwächung der Hamas und ihrer Sponsoren noch nicht lange gegeben.
Im Nahen Osten hilft kein gutes Zureden. In diesem brutalen, festgefahrenen Konflikt bewegt nur derjenige etwas, dem alle Beteiligten zutrauen, bis zum Äussersten zu gehen. Trump ist der erste US-Präsident seit langem, der genug Eindruck auf alle Beteiligten macht.
Klar ist aber auch: Von einem echten Frieden ist die Region noch immer weit entfernt. Denn Geiseldeal und Waffenruhe sind erst der Anfang. Die grössten Hürden hat man sich für später aufgehoben. Allen voran: die Entwaffnung der Hamas. Die Terrororganisation denkt im Moment gar nicht daran, dieser entscheidenden Bedingung des Friedensplans zuzustimmen.
Dealmaker Trump hat das bewusst ignoriert – und seinen Plan kurzerhand in zwei Phasen aufgeteilt. Mit dem Abschluss der ersten Phase hat er Fakten geschaffen und sich in Jerusalem, völlig zurecht, dafür bejubeln lassen.
Trump ist nun ein Waffenstillstandspräsident. Zum Friedenspräsident kann er werden, wenn er mit demselben Engagement die Umsetzung der verbliebenen heiklen Punkte in seines Plans vorantreibt. (aargauerzeitung.ch)