«Würdelos», nannte der niederländische Regierungschef Dick Schoof die Debatte in der Nacht zu Samstag. Und das sei noch «vorsichtig ausgedrückt». Der parteilose Regierungschef hatte zuvor im Streit über die Israel-Politik den Rücktritt seines Aussenministers Caspar Veldkamp hinnehmen müssen. Danach verliessen auch alle anderen Minister von Veldkamps zentristischer Reformpartei NSC das Kabinett.
So entstand eine kuriose Situation. Schoofs Regierung ist ohnehin nur geschäftsführend im Amt, seit Rechtspopulist Geert Wilders Ende Mai die Minister seiner Freiheitspartei PVV zurückpfiff. Aus Schoofs Übergangsregierung bis zur Wahl im Oktober wurde so ein Rumpfkabinett. Schoofs Regierung verfügt im Parlament nur noch über 32 der 150 Sitze, was einem Anteil von 21,3 Prozent entspricht. Von «Chaos» sprach die liberalkonservative Zeitung «NRC Handelsblad», von «Krise» das linksalternative Blatt «Trouw».
Ein Blick auf die verfahrene Situation.
Dick Schoof, 68, machte als Spitzenbeamter Karriere. Unter anderem war er Chef des Inlandsgeheimdienstes AIVD. Im vergangenen Jahr stieg er zum Ministerpräsidenten der Niederlande auf. Sein grösster Vorteil: Er war parteilos. Rechtspopulist Geert Wilders hatte zwar die Wahl gewonnen, aber die Koalitionsparteien zweifelten an seiner Verfassungstreue und lehnten Wilders als Premier ab. So kam Schoof.
Der Premier war mehr ein Mediator als ein Regierungschef. Sein einziges Druckmittel war der sanfte Hinweis, dass mit seinem Abgang auch das Experiment Regieren mit Rechtsaussen beendet sei.
Es kam anders. Im Streit über eine Verschärfung des Asylrechts stellten sich Wilders' Koalitionspartner quer. Der Rechtspopulist liess die Koalition Ende Mai platzen. Drei Monate später ist endgültig klar: Mit Rechtspopulisten lässt sich nicht regieren. Die Zeitung «NRC Handelsblad» bilanziert: «Das ohnehin geschwächte Kabinett ist im tieferen Chaos gelandet und damit auch die komplette Verwaltung des Landes.»
Caspar Veldkamp, 61, ist Karrierediplomat. Er war niederländischer Botschafter in Griechenland und in Israel. Im Vorjahr stieg er zum Aussenminister auf. Seit Wilders' Abzug aus dem Kabinett wurde seine Lage aber zunehmend misslicher. Die rot-grüne Opposition im Parlament um den früheren EU-Klimazar Frans Timmermans drängte auf scharfe Reaktionen auf die Gaza-Politik der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu.
Aber Veldkamp war machtlos. Auf europäischer Ebene erreichte er allein eine Überprüfung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel, innenpolitisch ein Einreiseverbot für zwei rechtsgerichtete israelische Minister. Nun ging es konkret um Importverbote für Waren aus von Israel besetzten Gebieten. Das lehnten die verbliebenen Regierungsparteien, die rechtsliberale VVD von Ex-Premier Mark Rutte und die klimakritische Gruppe Bauer Bürger Bewegung (BBB) ab – auch mit Blick auf die Wahlen im Herbst. So ging Veldkamp und mit ihm seine Minister. «Ich gehe jetzt nach Hause und schreibe mein Kündigungsschreiben», erklärte Veldkamp knapp. Das Chaos war perfekt.
Und wie geht es weiter? Das vermag in Den Haag niemand zu sagen. Im September muss ein neuer Haushalt ins Parlament eingebracht werden. Doch zeichnen sich für den geschäftsführenden Premier Schoof kaum mögliche Mehrheiten ab.
Wilders' Freiheitspartei steht fest an der Seite Israels. Sie hat vor den Wahlen im Oktober kein Interesse, den alten Bündnispartnern beizuspringen. Ihr Kalkül: Chaos zahlt auf Wilders' Wahlkampf ein. Sein Problem: Mit Wilders will nach der Wahl niemand regieren.
Sozialdemokraten und Grüne treten zur Wahl mit einer gemeinsamen Liste und Frans Timmermans als Spitzenkandidat an. Das Bündnis verfolgt im Ringen um junge Wähler einen pro-palästinensischen Kurs. Rot-Grün liegt in Umfragen gleichauf mit Wilders. Auch hier stellt sich aber die Frage: Wie geht es weiter nach den Wahlen? Die drittstärkste Kraft, die rechtsliberale VVD von Ex-Premier Rutte, lehnte eine schärfere Israel-Politik im Streit mit dem zurückgetretenen Aussenminister Veldkamp gerade ab.
Am 29. Oktober wird in den Niederlanden gewählt. Die Koalitionsbildung im politisch stark fragmentierten Parlament wird sich ziehen. Mitten in aussenpolitisch schwierigen Zeiten sind die Niederlande erst einmal mit sich beschäftigt.
Verwendete Quellen:
Das kennen wir ja auch von der SVP. Rechtspopulisten bieten keine Lösungen sondern nur Probleme und fallen der Regierung und dem Volk in den Rücken.
Ja. Rechtspopulisten schaden.
Immer.
Und überall.
Und das nachhaltig.
Verdammt, diese Botschaft ist bei Netanjahu noch nicht angekommen.