20.05.2019, 20:0120.05.2019, 22:11
Was bisher geschah
- Am Samstag veröffentlichten «der Spiegel» und die «Süddeutsche» Artikel mit einem Video, das ihnen zugespielt wurde.
- Das 2017 in einer Villa auf Ibiza geheim aufgezeichnete siebenstündige Videomaterial zeigt unter anderem, wie der (jetzt ehemalige) Vizekanzler und Vorsteher der Freiheitlichen Partei Österreichs Heinz Christian Strache und sein FPÖ-Parteikollege Johann Gudenus einer vermeintlich russischen Kontaktperson Staatsaufträge in Aussicht stellen, sollte sie die Wahlen mit dem Kauf der Kronen-Zeitung zu ihren Gunsten beeinflussen.
- Bei der Kontaktperson handelte es sich um eine Schauspielerin.
- Einen Tag nach der Veröffentlichung trat Strache von all seinen Ämtern zurück. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) rief noch am Sonntag Neuwahlen aus. Die ÖVP und die FPÖ bildeten bis zu diesem Zeitpunkt eine Regierungskoalition.
- Wer hinter dem Video steckt, ist bisher unklar. Es gibt aber zwei Hauptverdächtige:
1. Jan Böhmermann
Bild: DPA
Was spricht für «Böhmi»?
- Der deutsche Satiriker wusste bereits Wochen vor der Veröffentlichung vom Video – das bestätigte sein Manager Peter Burtz am Samstag der dpa.
- «Böhmi» machte immer wieder Andeutungen zum Inhalt des Videos, lange bevor es veröffentlicht wurde. Als er am 11. April 2019, also vor gut einem Monat, den österreichischen Film- und Fernsehpreis Romy gewann (Beste Programmidee), sagte er in einer Videobotschaft: «Ich hänge gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza rum und verhandele darüber, ob und wie ich die ‹Kronen Zeitung› übernehmen kann und die Meinungsmacht in Österreich an mich reissen kann.» Damit beschrieb der deutsche Satiriker die Situation im Video auffällig genau.
- Zwei Tage vor Ausbruch der Ibiza-Affäre beendete Böhmermann seine Sendung «Neo Magazin Royal» mit den Sätzen: «Für mich ist es eine normale Sendung. Kann sein, dass morgen Österreich brennt. Lassen Sie sich einfach überraschen.»
- Böhmermann stellt gerade im Grazer Künstlerhaus aus («Deuscthland#ASNCLUSS#Östereich»). Die Ausstellung zeigt unter anderem den maskierten Heinz Christian Strache in einem deutschen Kampfanzug bei Wehrsportübungen. Ein Schelm, wer denkt, die Ausstellung und die Veröffentlichung des Videos fallen per Zufall auf dasselbe Datum.
- In einem Interview gegenüber dem ORF zu dieser Ausstellung sagte Böhmermann: «Das weiss man ja, in Österreich und im gesamten deutschsprachigen Raum: Politik und Medien müssen immer ganz eng zusammen sein. Je näher, desto besser.» Und dann fügte er an: «Man muss die Menschen, die sich anmassen, über Österreich bestimmen zu können, nur weil sie gewählt wurden, auf ein umgängliches Niveau runterholen – wieder auf Augenhöhe.»
- Böhmermann kann's: Um auf Missstände in der RTL-Sendung «Schwiegertochter gesucht» hinzuweisen, mietete Böhmermanns Team eine Wohnung in Duisburg und engagierte zwei Schauspieler. Das Vorgehen erinnert stark an die Ibiza-Affäre.
- Etwas sehr weit hergeholt scheint hingegen die These, dass Böhmermann im März 2018 in seiner Sendung «NEO Magazin Royale» statt einer österreichischen Flagge die lettische einblendete. Gerüchteweise sei die vermeintliche russische Oligarchen-Nichte von einer lettischen Schauspielerin gemimt worden. Übrigens: Die Frau, die im Video prominent vorkommt, ist Johann Gudenus' Gattin Tajana.
- Als eigentliches Hauptindiz aber gilt dieser Tweet des Satirikers – und die Reaktion darauf:
Was spricht gegen Jan Böhmermann?
- Wenig. Dass Böhmermann mit seinen diversen Andeutungen den tatsächlichen Drahtziehern die Show stiehlt, passt nicht zur Integrität seiner bisherigen Karriere. Zwei Fragen bleiben offen:
- War es ein Soloakt seiner Show «Neo Magazin Royale» (Donnerstag–Abend, ZDF, 22:15 oder in der Mediathek ab 20:15 Uhr), oder war die Aktion eine Kollaboration?
- Bleiben Strache und Gudenus die einzigen Opfer? Oder hat Böhmermann die Veröffentlichung der Videos so lange herausgezögert, weil er noch andere Politiker überführen wollte?
Fazit:
Der Deutsche hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit seine Finger im Spiel.
2. Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS)
Was spricht für das ZPS?
- Der Journalist Daniel Laufer von der «Badischen Zeitung» vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Twitter-Accounts kurzschluss (@kurzschluss14) und dem des ZPS.
- Der Twitteraccount @kurzschluss14 ist einen Tag vor dem Platzen der politischen Bombe angelegt worden.
- @kurzschluss14 scheint der offizielle Kanal der Videokreateure zu sein. Dort heisst es: «War die #IbizaAffäre alles, was #Strache zur Last gelegt werden kann? Gibt es ein #Strachevideo oder mehrere #StracheVideos? Die #HCAfterhour fängt erst an! Folgt diesem Account, mit etwas Geduld, für Neuigkeiten von der braun-türkisen Koalition. #ÖsterreichTrittZurück!»
- Weil der Twitteraccount des ZPS (@politicalbeauty) @kurzschluss14 als erstes «bewarb», schliesst Laufer daraus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Aktionsgruppe und @kurzschluss14 geben muss.
Was spricht gegen das ZPS?
- Im Aktionskanal des ZPS wird die Ibiza-Affäre (bis jetzt noch) nicht aufgeführt.
- Bisher gibt es kein Bekenntnis des ZPS zum Twitterkanal @kurzschluss14. Der ZPS-Gründer, der deutsch-schweizerische Philosoph und Aktionskünstler Philipp Ruch, wollte sich gegenüber Laufer nicht dazu äussern.
Fazit:
Die Chancen stehen gut, dass das ZPS mitwirkte.
3. Tal Silberstein
Das spricht für Tal Silberstein:
- Tal Silberstein ist ein Politikberater, der für die SPÖ 2017 eine Schmutzkampagne in den Sozialen Medien organisierte.
- Für Tal Silberstein spricht eigentlich nur der Zeitpunkt der Aufnahmen – das Jahr 2017.
Das spricht gegen Tal Silberstein:
- Ausser dem Datum spricht nichts für diese Theorie. Nur weil Kanzler Kurz und HC Strache seinen Namen nannten – er passt ihnen ins Narrativ des «politischen Attentats» – macht ihn das nicht verdächtiger.
- Das Timing: Silberstein hätte das Video wohl bereits 2017 vor den Nationalratswahlen veröffentlicht.
Fazit:
Es besteht eine gewisse Möglichkeit, dass Tal Silberstein am Video beteiligt war.
(tog)
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