Österreich erlebt einen massiven Rechtsruck. Die konservative ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten Sebastian Kurz hat die Parlamentswahl am Sonntag klar gewonnen. Auch die rechtspopulistische FPÖ legt massiv zu. Die Zeichen stehen auf eine rechte Koalition.
Die ÖVP kann laut Hochrechnungen mit 31,7 Prozent rechnen, ein Plus von fast 8 Prozentpunkten gegenüber 2013. Die rechte FPÖ legt ebenfalls deutlich zu und kommt laut Hochrechnung auf 26 Prozent (2013: 20,5 Prozent).
Die 3. ORF-Hochrechnung, erstmals mit Wiener Sprengeln. Grüne knapp draußen. SPÖ jetzt vor FPÖ. Schwankungsbreite 2,1% #nrw17 #orfwahl17 pic.twitter.com/2z8QHPSpRi
— Jakob Weichenberger (@jawei) 15. Oktober 2017
Die sozialdemokratische SPÖ unter Kanzler Christian Kern - bislang stärkste Kraft - kommt demnach auf den zweiten Platz. 26,8 Prozent bedeuten den gleichen Wert wie beim Negativrekord von 2013.
«Das ist unsere Chance für echte Veränderung in diesem Land», sagte Kurz vor begeisterten Anhängern. Mit der Rückendeckung der Wähler wolle er einen neuen politischen Stil etablieren.
«Ich nehme diese Verantwortung mit grosser Demut an», so Kurz. Sollte er Kanzler werden, wäre Kurz der jüngste Regierungschef in Europa.
Der 31-jährige Aussenminister Kurz war seit Monaten in Umfragen als Favorit gehandelt worden. Er steht für einen strengen Migrationskurs und will die illegale Zuwanderung auf Null begrenzen.
FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache hatte sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen, dass Österreich Teil der Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien) wird, die für eine restriktive Flüchtlingspolitik und das Pochen auf nationalen Interessen stehen.
Nach ihrem Rekordergebnis von 12,4 Prozent vor vier Jahren stürzen die Grünen diesmal in der Gunst der Wähler ab. Sie kommen laut Hochrechnung nur noch auf 3,8 Prozent und könnten damit den Wiedereinzug ins Parlament verpasst haben.
Die liberalen Neos erreichen den Angaben zufolge 5,1 Prozent (2013: 5 Prozent). Die erstmals angetretene Liste des Grünen-Abtrünnigen Peter Pilz sehen die Demoskopen bei 4,3 Prozent. In Österreich gilt eine Vier-Prozent-Hürde.
Sollte es zur Bildung einer ÖVP-FPÖ-Regierung kommen, wird Österreich bei der EU-Reform und in der Migrationsfrage voraussichtlich einen völlig anderen Kurs fahren als bisher. Kurz und Strache sind sich einig, dass die EU sich künftig auf Kernaufgaben beschränken sollte. In der Flüchtlingskrise verfechten beide einen harten Kurs, auch in Anlehnung an Ungarns Politik unter Ministerpräsident Viktor Orban.
ÖVP und FPÖ hatten bereits von 2000 bis 2007 gemeinsam regiert. Vor 17 Jahren hatte der Regierungseintritt der FPÖ unter Jörg Haider massive Proteste in Europa ausgelöst. Die übrigen damals 14 EU-Mitglieder sanktionierten die österreichische Regierung und schränkten ihre bilateralen Beziehungen zu Wien ein.
Experten gehen nicht davon aus, dass ein solches Bündnis noch einmal solche Auswirkungen auf das Verhältnis Österreichs zur EU hätte. Dennoch könnte sich eine rechtsgerichtete Regierung im wohlhabenden EU-Staat als schwieriger Partner innerhalb des Staatenbundes erweisen. Wien übernimmt in der zweiten Jahreshälfte 2018 die EU-Ratspräsidentschaft - zu diesem Zeitpunkt will Brüssel die Brexit-Verhandlungen beenden.
In die Karten schauen liessen sich die Spitzenkandidaten beim Thema künftige Koalition aber noch nicht. Nach der Wahl werde er mit allen Parteien Koalitionsgespräche führen, erklärte Kurz. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache betonte, alles sei möglich.
Eine Neuauflage des bislang in Österreich dominanten rot-schwarzen-Kabinetts gilt als unwahrscheinlich. Schliesslich war das Bündnis im Mai geplatzt, nachdem ÖVP-Chef Kurz öffentlich auf Neuwahlen drängte. Regulär wäre die Wahl im Herbst 2018 anberaumt gewesen.
Zuvor hatte die Regierung seit Monaten über die Umsetzung von Teilen des Regierungsabkommens gestritten. Weiter zugespitzt hat sich die Situation im Wahlkampf. Im Zusammenhang mit einer Schmutzkampagne im Internet gegen ÖVP-Chef Kurz haben sich ÖVP und SPÖ gegenseitig angezeigt.
Angeblich ohne Wissen der SPÖ-Parteiführung hatte ein international bekannter Spezialist für «Dirty Campaigning» zwei Fake-Facebook-Seiten organisiert, die mit ihren teils rassistischen und antisemitischen Inhalten dem ÖVP-Spitzenkandidaten Kurz schaden sollten. Die SPÖ hat ihrerseits den Verdacht, die ÖVP habe mit Bestechung versucht, an parteiinterne Dokumente zu kommen.
Das endgültige Wahlergebnis wird erst mit der Auszählung der rund 750'000 Briefwahlstimmen feststehen. Diese wird am Montag und Donnerstag erfolgen. (sda/dpa/reu/afp)