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Philosoph Alex Karp hilft Trump, den Überwachungsstaat zu schaffen

Dieser Philosoph hilft Trump, den perfekten Überwachungsstaat zu schaffen

Alex Karp ist Doktor der Philosophie und CEO des boomenden Technologieunternehmens Palantir, das auch in der Schweiz tätig ist. Dank seiner Software lassen sich alle Arten von Menschen aufspüren, überwachen – und gezielt töten.
10.08.2025, 11:1227.10.2025, 08:13
Julian Schütt / ch media

2025 ist das Jahr des Alexander oder Alex Karp, auch wenn ihn noch immer viele Menschen ausserhalb der Tech- und Finanzbranche nicht kennen und auch nicht wissen, was sein mysteriöses und oft klandestin agierendes Unternehmen Palantir eigentlich so erfolgreich macht.

FILE - In this Wednesday, May 15, 2019, file photo, Palantir CEO Alex Karp arrives for the Tech for Good summit in Paris. (AP Photo/Thibault Camus, File)
Palantir Results
Sieht sich als «Freakshow-«Anführer»: Palantir-CEO und Philosoph Alex Karp.Bild: keystone

In der Schweiz ist die Firma etwas bekannter, weil Palantir den Europa-Hub in Altendorf im Kanton Schwyz hat und Karp in Hurden am oberen Zürichsee einmal ein Haus kaufte (das er aber gleich wieder verkaufte). Zu seinen Schweizer Kunden oder «Partnern» gehören bereits die Credit Suisse, der Rückversicherer Swiss Re und das Medienhaus Ringier.

Der CEO, der im Jahr 6,8 Milliarden Dollar verdient

Mit einem Börsenwert von 350 Milliarden Dollar ist Palantir die grösste private Überwachungsfirma der Welt. Gegründet hat Karp sie mit dem hoch umstrittenen Unternehmer Peter Thiel. Beide lernten sich während des Studiums an der Stanford-Universität kennen.

Das Wirtschaftsmagazin «Economist» kürte den 57-jährigen Alex Karp 2024 zum «CEO des Jahres». Er ist zugleich einer der bestbezahlten Bosse: Im vergangenen Jahr wurde er durch sein Gehalt und den gestiegenen Wert seiner Aktienanteile um unglaubliche 6,8 Milliarden Dollar reicher. Und im ersten Halbjahr 2025 ging der Aufstieg von Palantir beeindruckend weiter. Die Aktie legte um 74 Prozent zu. Im Juni gab es nach Spionagevorwürfen allerdings einen Kursrückgang. Am 11. August gibt das Unternehmen seine neuen Quartalszahlen bekannt.

Es ist davon auszugehen, dass die immense Erfolgsstory weitergeht und man Palantir bald in einem Zug mit Imperien wie Google, Microsoft oder Apple nennen wird, obwohl das Unternehmen nur rund 4000 Angestellte hat. Der Grund: Karps Firma profitiert von «Deals» mit der US-Regierung und vom Boom der Künstlichen Intelligenz.

Entsteht dank Palantir eine gigantische Datenbank?

Trump erteilte Palantir sogar einen Grossauftrag: Dank ihrer Technologie soll die Einwanderungs- und Zollbehörde vermehrt illegale Einwanderer aufspüren. Zudem verlangte er per Dekret, dass alle Ministerien und nationalen Behörden ihre Daten über Bürgerinnen und Bürger mit der Regierung teilen müssen. Um das zu bewerkstelligen, soll wiederum Palantir-Software zum Einsatz kommen.

epa12290514 US President Donald Trump attends a signing ceremony in the State Dining Room of the White House in Washington, DC, USA, 08 August 2025. US President Trump said he would host the leaders o ...
Make America Gläsern Again: US-Präsident Donald Trump will sich Palantir zunutze machen.Bild: keystone

Anzapfen lässt sich ziemlich alles, sogar Mobiltelefone und Social-Media-Profile. Trump möchte daneben auch Bankkontonummern und sämtliche Daten aus den Ministerien für Heimatschutz, Verteidigung, Gesundheit, Sozialversicherung sowie aus der Bundessteuerbehörde sammeln. Alles soll zu einer gigantischen Datenbank zusammengeführt werden. Make America Gläsern Again.

Die frühere Palantir-Ingenieurin Linda Xia sagte der «New York Times»: «Je mehr Daten man zusammenträgt, desto höher ist das Risiko für Missbrauch – egal, wie nobel das ursprüngliche Ansinnen ist.» Palantir bestreitet, am Aufbau einer Superdatenbank mit privaten Daten aller in den USA lebenden Personen beteiligt zu sein.

Die Technologie kommt in der Ukraine und in Israel zum Einsatz

Der Firmenname ist Fans von Tolkiens «Herr der Ringe» vertraut: Dort ist Palantir ein «sehender Stein». Durch ihn lassen sich ferne Orte beobachten und eine Art Allwissenheit erreichen. Doch Tolkiens Palantir wurde vom Schurken Sauron kontrolliert, und die Gefahr ist real, dass Karps Palantir vom US-Präsidenten kontrolliert werden könnte.

Wer über die Daten verfügt, verfügt über eine gefährliche Macht. Karps und Thiels Unternehmen produziert zwar keine sehenden Steine, aber seine Analyse-Werkzeuge lassen sich zum Aufspüren, Überwachen und auch zur gezielten Tötung von Menschen einsetzen, von Terroristen und Kriminellen, aber eben auch von Migranten und Kranken und sogar von politischen Gegnern. Die Technologie bewährt sich schon in Kriegen: Die Ukraine und Israel benutzen Palantir-Software.

Als er vor Aktionären die Quartalsergebnisse verkündete, gab Alex Karp unlängst zu: «Ja, unser Produkt kann auch zum Töten von Menschen eingesetzt werden.» In einer vorzüglichen neuen ARD-Doku über Palantir und Karp mit dem Titel «Watching You» fügt dieser noch hinzu: «Wenn Sie irgendwo einen Terroristen suchen, nutzen Sie dazu wahrscheinlich unser Produkt. Und um diese Person auszuschalten, nutzen Sie vermutlich ebenfalls ein Produkt von uns.»

Osama bin Laden, Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001, soll mithilfe der Software in Pakistan aufgespürt und eliminiert worden sein. Tatsächlich hängt die Gründung von Palantir eng mit der Nachgeschichte zu 9/11 zusammen. Damals versagten die Geheimdienste und staatlichen Ermittlungsbehörden. So duldete man die Kooperation mit einer privaten Überwachungsfirma.

Doch Karp ist, anders als sein Kompagnon Thiel, eigentlich ein human eingestellter Doktor der Philosophie und spricht lieber davon, wie seine Firma schon «Hunderte» von Anschlägen verhindert und damit Menschenleben gerettet habe.

Da zeigt sich die Widersprüchlichkeit von Palantir. Karp, der in Frankfurt beim Stardenker Habermas studiert hat und einmal zu dessen Geburtstagsfeier eingeladen war, zitiert gern die grossen Geister der Kulturgeschichte, vom heiligen Augustinus über Hegel und Nietzsche bis zu Houellebecq, Harari und zum Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget.

Doch mit seiner Software gibt er den USA und anderen Staaten und Firmen die Instrumente in die Hand, um die Theorie des Überwachens und gezielten Tötens in die Praxis umzusetzen. Insofern ist er der derzeit mächtigste Philosoph und tödlichste Aufklärer. Für Karp ist das «zentrale Geheimnis» von Palantir eher die «Aufhebung des Widerspruchs». Dank seiner Software werde die Welt sicherer, weil man sie besser vor ihren Feinden schützt.

Karp unterstützte Kamala Harris, Thiel aber Trump und JD Vance

Die Gründer Karp und Thiel arbeiten vor allem an der Aufhebung ihrer internen Gegensätze. Karp ist ursprünglich der Linke und Progressive, der beim Präsidentschaftswahlkampf noch Kamala Harris unterstützt hat, während Thiel zum innersten Zirkel Trumps zählt und JD Vance aufgebaut hat. Thiel ist rechtslibertär, ein Staats- und Demokratiefeind, obwohl er mit Palantir nicht zu knapp von staatlichen Aufträgen profitiert. Zudem entwickelte er sich zum Erzkatholiken, der jedoch Schwache verachtet, und schwach ist für ihn eigentlich jeder, der nicht Milliarden auf der Seite hat. Wenn Trump nun missliebige Medien und Unis und Comedians drangsaliert, entspricht das ganz der Einstellung von Thiel – und immer mehr auch von Karp.

FILE - In this July 21, 2016, file photo, entrepreneur Peter Thiel speaks during the final day of the Republican National Convention in Cleveland. ProPublica recently uncovered that billionaire and Pa ...
Trump-Intimus und Demokratiefeind: Palantir-Mitgründer Peter Thiel.Bild: keystone

Dieser sagte kürzlich: «Die Skeptiker und Zyniker, diejenigen, die zweifeln, ohne etwas zu riskieren, und diejenigen, welche die Arbeit anderer herabwürdigen, ohne auch nur den Anschein zu erwecken, selbst etwas aufzubauen, werden beiseitegeschoben.» Ursprünglich zeigte er noch Verständnis für Kritiker und Demonstranten, die in den USA einen Überwachungsstaat fürchten. «Ich habe mich gefragt, ob ich auch gegen mich demonstrieren würde, wenn ich jünger wäre.»

Er wuchs in einem aktivistischen Elternhaus auf. Sein Vater, ein jüdischer Professor für Kinderheilkunde, und seine Mutter, eine schwarze Künstlerin, nahmen ihn zu Bürgerrechtsdemos mit. Er betont, ihm gehe es nicht nur ums Geld, sondern um die Mission, die Werte der freien Welt zu verteidigen, womit er vor allem die Werte der USA meint. Gern erinnert er mit Tränen in den Augen an die US-Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg kämpften, «um Leute wie mich» zu befreien.

Lange sah man Palantir als «Frankenstein-Monster»

Hier treffen sich Karp und Thiel: Beide sind Exzentriker, für beide ist ihre Technologie der Schlüssel zur Weltverbesserung. Die Zeitenwende oder «Revolution» sei längst im Gange. In einem Hirtenbrief verkündete Karp vor den Aktionären, Palantir sei lange nur als «Frankenstein-Monster» gesehen worden, mit ihm als «Freakshow-Anführer». In seinem in diesem Februar erschienenen Buch «The Technological Republic» rechnet er mit dem linksliberalen Tech-Establishment im Silicon Valley ab und wirft ihm mangelnden Patriotismus vor.

Man habe viel zu lange die standfesten «Palantirians» belächelt und lieber unnütze Konsum-Apps entwickelt, statt das Talent für Amerikas Wehrfähigkeit einzusetzen. Nun aber hat der Wind gedreht. Ja, man kann sagen, dass Karp mit seinem Tech-Pamphlet offene Türen einrennt: Google hatte einst die militärische Nutzung seiner KI-Technologie untersagt, doch inzwischen will man martialisch mitmischen.

Das ganze Silicon Valley rüstet auf, auch weil Investoren verrückt nach Rüstungs-Start-ups sind. Meta-Boss Mark Zuckerberg fordert zudem mehr «männliche Energie» am Arbeitsplatz und weniger Faktenprüfung. Palantir steht an der Spitze der neuen militaristischen Tech-Avantgarde. Zufrieden kann Karp feststellen, dass patriotische «Rebellen» wie er endgültig «ins Innere gelangt» seien – er kann damit nur das Innere von Trumps Machtapparat meinen. 2025 ist definitiv das Jahr des Alex Karp.

(aargauerzeitung.ch)

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