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Gazakrieg: Was die Bodenoffensive in Rafah bedeutet

Noch mehr Todesfälle und Krankheiten – was die Bodenoffensive in Rafah bedeutet

Rafah ist der letzte verbliebene Schutzort für Binnenflüchtende im Gazastreifen. Aber auch die letzte verbliebene Hochburg der Hamas, so Israel. Darum sei eine Bodenoffensive alternativlos. Was das für die Menschen bedeutet.
06.05.2024, 12:1006.05.2024, 13:16
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Von Tod, Verwesung und Vertreibung in Rafah

Streunende Hunde graben verweste Leichen aus, knabbern an den Toten. Nebenan spielen Kinder. Viele Kinder.

Rafah, die Stadt im südlichen Gazastreifen, ist zu einer Stadt der Kinder geworden, zu einem Zufluchtsort für 1,4 Millionen Menschen, darunter 600'000 Kinder.

Die teilweise mehrmals vertriebenen Kriegsflüchtenden harren in der völlig überfüllten Stadt aus, die nach Tod und Verwesung stinkt, in der es eine Toilette für 850 Menschen und eine Dusche für 3600 Menschen gibt.

This image provided by Maxar Technologies, shows a rows of tents built near Rafah in Gaza on April 23, 2024. (Satellite image �2024 Maxar Technologies via AP)
Palästinenserinnen und Palästinenser leben in Rafah in Zelten oder selbst gebauten Verschlägen.Bild: keystone

Krankheiten breiten sich bereits aus, es kommt zu Durchfallerkrankungen, Hepatitis A und Meningitis – und es herrscht weiterhin eine Hungersnot. Alternativen gibt es keine. Die anderen Stadtteile der Enklave sind in Schutt und Asche gelegt worden.

Rafah beherbergt die letzten verbliebenen Krankenhäuser in Gaza – und gilt als letzte Bastion der Hamas.

Die übrigen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas möchte Israel nun zerschlagen. Dafür müssen der israelischen Armee zufolge einige Teile von Rafah evakuiert werden, wobei 100'000 Menschen betroffen sind.

Die Frage ist nur: wohin?

Heftige Kritik an Israels Bodenoffensive

Die USA lehnen die Offensive klar ab, solange Israel nicht plausibel darstellen kann, wie es die Hunderttausend Binnenflüchtlinge in Sicherheit bringt. Die WHO richtet zwar zusätzliche Feldlazarette ein. Doch reichen die aus? Und was passiert mit den kranken und älteren Menschen, die in den Spitälern untergebracht sind?

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant bezeichnete einen bevorstehenden Militäreinsatz in Rafah als alternativlos. Der zionistische Finanzminister Bezalel Smotrich hat gar zur «absoluten Zerstörung» in Rafah aufgerufen.

Hilfsorganisationen haben zuvor vor der Bodeninvasion in Rafah gewarnt. «Jede Bodenoperation bedeutet mehr Leid und Tod», sagt der OCHA-Sprecher Jens Laerke.

FILE - Palestinians line up for free food during the ongoing Israeli air and ground offensive on the Gaza Strip in Rafah, Jan. 9, 2024. A top U.N. official said Friday, May 3, 2024, that hard-hit nort ...
In Gaza herrscht eine Hungersnot.Bild: keystone
epa11251705 Displaced Palestinians children, who fled their homes with their families due to Israeli raids, walk next to the border fence with Egypt, in Rafah, in the southern Gaza Strip, 30 March 202 ...
In Rafah befindet sich der einzige Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Bild: keystone
epa11305315 An internally displaced Palestinian woman walks past a tent with a thank you message dedicated to students at the Columbia University in New York, USA, at the Rafah refugee camp in the sou ...
Fluchtsuchende bedanken sich für die Proteste an der Columbia University in New York.Bild: keystone

«Wir haben bereits eine Gesundheitskrise. Wir haben eine Wasser- und Sanitärkrise, eine Nahrungsmittelkrise. Es gibt eine humanitäre Katastrophe. Es wird also nur eine weitere humanitäre Katastrophe zusätzlich dazu geben», sagt Rik Peeperkorn, WHO-Vertreter für die Palästinensergebiete, der kürzlich aus Rafah zurückgekehrt ist, gegenüber BBC. Er geht davon aus, dass die Offensive zu einer hohen Sterblichkeit führen wird.

«Es wird noch mehr Todesfälle und noch mehr Krankheiten geben.»
Rik Peeperkorn

US-Präsident Joe Biden bezeichnet das Vorgehen als «überzogen». Es gebe zu viele unschuldige Opfer. «Das muss aufhören», fordert er. Auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock warnte eindringlich. Auf der Plattform X schreibt sie: «Eine Offensive der israelischen Armee auf Rafah wäre eine humanitäre Katastrophe mit Ansage. Die Menschen in Gaza können sich nicht in Luft auflösen.»

Und auch die Hamas warnt. «Die Offensive ist eine gefährliche Eskalation, die Folgen haben wird», sagt der Hamas-Funktionär Sami Abu Suhri.

Klar ist: Auch wenn alle Flüchtenden an einem neuen Ort untergebracht werden können, im zerbombten Gazastreifen werden sie den Tod, die Krankheiten und die streunenden Hunde mitnehmen.

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230 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tiqu80
06.05.2024 12:20registriert November 2020
Die Hamas hat die Verhandlungen am Wochende abgebrochen, bzw. Unrealiatisches gefordert.
Es wäre die Chance gewesen für die Bewohner im Gaza.
Aber um Menschenleben haben sich diese Herren noch nie gekümmert.
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Lisbon
06.05.2024 12:36registriert Januar 2019
Eine Katastrophe. Israel gab den Hamas 1 Woche Zeit bis heute um auf das Angebot zu reagieren. Stattdessen schoss die Hamas gestern aus Rafah Raketen ab und tötete Soldaten am Grenzübergang, die mit Hilfslieferungen beschäftigt waren. Würde die Hamas sich um etwas anderes als ihr eigenes Hintern kümmern, würden sie sich ausliefern und den Einwohnern all dies ersparen.
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Randy Orton
06.05.2024 12:23registriert April 2016
Schade, ist Hamas weiterhin nicht bereit, ernsthafte Verhandlungen aufzunehmen und fordert unablässig nicht erfüllbare Bedingungen um die Geiseln freizulassen. Israel hat mehrmals Forderungen der Hamas übernommen und zuletzt ein für die Palästinenser sehr vorteilhaften Vorschlag gemacht - da Hamas dies abgelehnt hat, gibt es keine Alternative zu einem Angriff auf Rafah. Hoffentlich können sich möglichst viele Zivilisten in Schutz begeben und die Hamas nun möglichst komplett eliminiert werden, es wäre ein Gewinn für alle Seiten.
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