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Palästina

Ist das das Ende des Gaza-Kriegs?

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Palästinenser feiern nach der Bekanntgabe, dass Israel und die Hamas sich auf die erste Phase eines Friedensplans geeinigt haben.Bild: keystone

«Meine erste Reaktion war, hemmungslos zu weinen»

09.10.2025, 18:4109.10.2025, 21:44

Israel und die Hamas stimmten in einem als «historisch» gefeierten Moment der ersten Phase des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump zu. Trump bezeichnete das Abkommen als ersten Schritt «hin zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden. Alle Parteien werden fair behandelt!», schrieb er auf der Plattform Truth Social.

«Wir haben Garantien von den Vermittlern und der US-Regierung erhalten und alle haben bestätigt, dass der Krieg vollständig vorbei ist.»
Hamas-Anführer Chalil al-Haja

Die Hamas erklärte am Abend, sie sehe den Gaza-Krieg als beendet an. «Wir haben Garantien von den Vermittlern und der US-Regierung erhalten und alle haben bestätigt, dass der Krieg vollständig vorbei ist», sagte der höchste Hamas-Anführer im Ausland, Chalil al-Haja, in einer Fernsehansprache am Abend. Al-Haja ist auch der Leiter der Verhandlungsdelegation der Hamas bei den Gesprächen über eine Feuerpause.

Die Hamas habe «eine Antwort gegeben, die den Interessen des palästinensischen Volkes dient und Blutvergiessen erspart», sagte al-Haja zur Zustimmung zu der Vereinbarung auf Grundlage des US-Friedensplans. «Wir bekräftigen, dass die Opfer unseres Volkes nicht umsonst sein werden und dass wir unserem Versprechen treu bleiben und die nationalen Rechte unseres Volkes nicht aufgeben werden: Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erlangen.»

«Wir alle haben schon viel zu lange auf diesen Moment gewartet. Jetzt müssen wir es hinbekommen, dass er wirklich zählt»
UN-Generalsekretär António Guterres

Das Abkommen sieht vor, dass alle 48 israelischen Geiseln binnen 72 Stunden freikommen oder ihre Leichen in die Heimat übergeführt werden, rund 2'000 palästinensische Häftlinge freigelassen werden und sich Israel auf eine bestimmte Linie zurückzieht. «Wir alle haben schon viel zu lange auf diesen Moment gewartet. Jetzt müssen wir es hinbekommen, dass er wirklich zählt», sagte UN-Generalsekretär António Guterres.

A Jewish man watches smoke rise in the sky after an explosion in the Gaza Strip, as seen from southern Israel, Thursday, Oct. 9, 2025, following the announcement that Israel and Hamas have agreed to t ...
Ein Mann beobachtet den Rauch, der nach einer Explosion im Gazastreifen in den Himmel aufsteigt, 9. Oktober 2025.Bild: keystone

Hoffnungen auf Stabilität für gesamte Region

Die Einigung löste unter Israelis wie unter Palästinensern grosse Erleichterung aus. Sie wurde auch international und vor allem im Nahen und Mittleren Osten gefeiert. Die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen können nach langer Zeit grossen Leidens nun mit umfangreicher humanitärer Hilfe rechnen.

«Dies ist ein diplomatischer Erfolg und ein nationaler und moralischer Sieg für den Staat Israel»
Benjamin Netanjahu

«Dies ist ein diplomatischer Erfolg und ein nationaler und moralischer Sieg für den Staat Israel», sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israels Militär wird den Angaben zufolge nach dem Rückzug hinter besagte Linie weiterhin 53 Prozent des Gazastreifens kontrollieren. Netanjahu forderte für Trump den Friedensnobelpreis.

Palestinians celebrate following the announcement that Israel and Hamas have agreed to the first phase of a peace plan to pause the fighting, outside Al-Aqsa Hospital in Deir al-Balah, central Gaza St ...
Palästinenserinnen feiern die angekündigte Einstellung der Kämpfe.Bild: keystone

Feiern im Gazastreifen und in Israel

Die Angehörigen der Geiseln und viele Palästinenser im Gazastreifen feierten erleichtert das mögliche Ende des seit zwei Jahren dauernden Kriegs mit Zehntausenden getöteter Zivilisten.

«Meine erste Reaktion war, hemmungslos zu weinen»
Mohammed Abu Auda im Gazastreifen

Im Gazastreifen brachen nach Bekanntwerden der Einigung Jubelszenen aus. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira zeigte Bilder von feiernden Menschen in Chan Junis. Junge Männer trugen sich gegenseitig auf den Schultern, andere tanzten und spielten Musik. «Meine erste Reaktion war, hemmungslos zu weinen», sagte Mohammed Abu Auda im Gazastreifen der Deutschen Presse-Agentur.

Auch in Tel Aviv, auf dem sogenannten Geiselplatz, versammelten sich Menschen mit strahlenden Gesichtern, fielen sich in die Arme und stiessen an. Einige schwenkten israelische und US-Flaggen. «Alle von ihnen – jetzt!», riefen sie zudem. Bei vielen ist die Erleichterung auch von Vorsicht begleitet. «Wir sind auch immer noch angespannt und hoffen, dass alles so läuft wie geplant», sagte ein Israeli.

«das Tor der Hoffnung für die Völker der Region – für eine Zukunft, die von Gerechtigkeit und Stabilität geprägt ist»
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi

Merz: «Die Entwicklung in Israel macht uns Mut»

Das Abkommen weckte Zuversicht in der gesamten Region. Es öffne «das Tor der Hoffnung für die Völker der Region – für eine Zukunft, die von Gerechtigkeit und Stabilität geprägt ist», so Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in einem Post auf X. Der Deal biete eine Chance zur Versöhnung und zur Heilung und eröffne neue Perspektiven für die Region, sagte Israels Präsident Izchak Herzog. «Die Entwicklung in Israel macht uns Mut», sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU).

Spitzenvertreter der EU kündigten nach dem Durchbruch bei den Verhandlungen Hilfe an. Die EU werde weiterhin die schnelle und sichere Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen unterstützen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Und wenn die Zeit reif dafür sei, werde die EU auch bereitstehen, um den Wiederaufbau zu unterstützen.

Exterior view of the International Congress Center at the Red Sea city of Sharm el-Sheikh, Egypt, Thursday, Oct. 9, 2025, where Israeli and Hamas officials are set to hold indirect talks. (AP Photo)
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Das Kongresszentrums in der Stadt Sharm el-Sheikh, Ägypten, wo die Gespräche stattfanden.Bild: keystone

Deutschland will gemeinsam mit Ägypten zu einer Wiederaufbaukonferenz einladen. «Das wird aber eine politisch breiter angelegte Konferenz sein müssen, die auch den politischen Rahmen mit vorzeichnet für den Gazastreifen und die natürlich immer im Blick hält, dass am Ende eine Zweistaatenlösung wird stehen müssen», sagte Aussenminister Johann Wadephul (CDU) am Rande einer Westbalkankonferenz in der nordirischen Hauptstadt Belfast.

Grosser Druck auf Konfliktparteien

Die Einigung müsse das Ende des Konflikts und den Beginn einer politischen Lösung auf der Grundlage der Zweistaatenlösung markieren, forderte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Als wesentlicher Grund für den Erfolg gilt der grosse Druck, den Trump auf Netanjahu ausgeübt hat. Vermittler-Staaten wie Ägypten und Katar hatten dem Trump-Plan zugestimmt und damit ihrerseits die Hamas unter Druck gesetzt.

Die Vereinbarung betrifft nur die erste Phase des US-Friedensplans. In einer zweiten Verhandlungsphase sollen Bedingungen geschaffen werden, die einen langfristigen Frieden sichern. Dazu gehören der vollständige Rückzug israelischer Soldaten aus Gaza, sobald eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit sorgt sowie eine Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter internationaler Aufsicht.

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Emmanuel Macron während eines Ministertreffens zur Umsetzung des Nahost-Friedensplans in Paris am 9. Oktober 2025.Bild: keystone

Unklar bleibt, welche Rolle die Hamas in der zukünftigen Verwaltung des Gazastreifens spielen wird. Auch um eine Entwaffnung der Terrororganisation wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt gehen. Laut ägyptischen Angaben hat die Hamas Israel angeboten, den Einsatz ihrer Waffen im Rahmen des US-Friedensplans für Gaza «einzufrieren», diese aber nicht ganz abzugeben.

Trump plant Reise nach Israel

US-Präsident Trump hatte schon vor der Einigung einen möglichen Besuch in Israel am Wochenende ins Gespräch gebracht. Es scheint klar, dass er diesen diplomatischen Erfolg auskosten und weitere Schritte zum Frieden mit seinem sichtbaren Engagement absichern will.

In den zwei Jahren des Gaza-Kriegs hatte es mehrere Verhandlungsrunden und Abkommen gegeben. So einigten sich beide Seiten Ende November 2023 auf eine erste Waffenruhe und auf eine Freilassung von 105 Geiseln und 240 palästinensischen Häftlingen. Im Mai 2024 präsentierte US-Präsident Biden einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe. Eine im Januar vereinbarte Waffenruhe wurde noch wenigen Wochen gebrochen. Seit 1. Oktober war konkret über den Trump-Friedensplan verhandelt worden. (sda/dpa/val)

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63 Kommentare
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Amadeus
09.10.2025 19:13registriert September 2015
Könnten man bitze bitte bitte mal aufhören ständig zu wiederholen, dass Trump diesen Preis will oder nominiert wurde. Genau so normalisiert man diese dumpfe Forderung von Trump. Es ist doch auch so einfach mal gut, dass es einen Waffenstillstand gibt.
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Lohner
09.10.2025 19:30registriert August 2025
Es wäre wünschenswert, wenn im Nahen Osten Frieden herrschen würde. Trump hin oder her.
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Clife
09.10.2025 19:48registriert Juni 2018
Ein wichtiger Schritt, aber so schnell endet ein Krieg, der über Jahrzehnte dauert, nicht. Ist nur eine Frage der Zeit, bis hier irgendwas wieder als Auslöser zum nächsten Kampf angezettelt wird.
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