Papst Franziskus trug im Sarg, in welchem er am Samstag zur letzten Ruhe gebettet wurde, immer noch seine schweren, leicht abgenutzten Strassenschuhe, mit denen er die Peripherien der Welt, die ihm so wichtig waren, symbolisch und auch physisch abgeschritten hatte. Vielleicht ist es genau diese persönliche Authentizität, die die Menschen an dem Mann mit dem grossen Herzen und den bescheidenen Ansprüchen so faszinierte, die ihn so liebenswürdig und menschlich machte. Und so unvergleichlich.
Franziskus war nicht unfehlbar. Seine Reformen blieben überschaubar, sein Kampf gegen den Missbrauch kam spät und war zunächst zögerlich. Das wurde aber alles überstrahlt von seinem Einsatz für die Armen und Schwachen. Seine unermüdlichen Appelle für den Frieden in der Ukraine und im Nahen Osten – aber auch in allen anderen Konfliktherden der Welt – hatten etwas Episches.
Nach der Beisetzung von Franziskus in der Römer Marienkirche Santa Maria Maggiore fiebert Rom nun dem Konklave entgegen, das im Mai beginnen wird und eines der spannendsten der letzten Jahrzehnte zu werden verspricht. Mit offiziell 135 wahlberechtigten Kardinälen aus über 70 Ländern wird es das internationalste und das mit den meisten Teilnehmern der Kirchengeschichte. Die grosse Anzahl von Wählern in der Sixtinischen Kapelle und der Umstand, dass sich die meisten von ihnen kaum oder gar nicht kennen, macht die Sache unübersichtlich.
Offiziell soll es in der Sixtinischen Kapelle nicht um Personalpolitik gehen. In Wahrheit wird aber sehr wohl und in erster Linie um Kirchenpolitik, um Altersfragen und um geopolitische Positionskämpfe gerungen werden. Insbesondere die US-Kardinäle betreiben schon jetzt ein aktives Lobbying im Bestreben, am Konklave erstmals einen der Regierung von Donald Trump genehmen Papst wählen zu lassen, um auf diese Weise auch die katholische US-Landeskirche «great again» zu machen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Schreckensszenario eintrifft, ist gering – immerhin sind 80 Prozent der wahlberechtigten Kardinäle von Franziskus nominiert worden. Aber die Frage steht im Raum: Was für eine Kirche wollen die in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinäle verwirklicht sehen? Eine, in der das Vermächtnis von Franziskus erhalten bleibt oder eine, in der dieser Kurs mehr oder weniger brüsk korrigiert wird?
Und sollen nach den beiden Senioren Joseph Ratzinger und Jorge Mario Bergoglio, die bei ihrer Wahl beide schon älter als 75 waren, die Geschicke der Kirche wieder einmal von einem jüngeren Papst geleitet werden? Und wenn ja, aus welcher Weltgegend soll dieser neue Pontifex stammen? Aus Europa, wo die Kirchen leer sind, oder aus Asien oder Afrika, wo die Zahl der Katholiken rasant zunimmt und wo die Kirche jung und dynamisch ist?
Nach der kirchlichen Überzeugung wird der Heilige Geist die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle bei ihrer Suche nach dem neuen Papst begleiten und unterstützen. Aber eines kann auch der Heilige Geist nicht ändern: Dass der Nachfolger von Franziskus in sehr grosse Fussstapfen wird treten müssen.