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Biologisch abbaubare Plastiksäcke sind keine umweltfreundliche Lösung

Du denkst, biologisch abbaubare Säckli verrotten schnell? Falsch gedacht

Für Müll, Hundekot oder zum Einkaufen: Säckli aus Bioplastik werden oft als umweltfreundliche Alternative beworben. Eine echte Alternative sind sie oft nicht, bemängeln Experten schon länger. Eine aktuelle Studie bestätigt das.
29.04.2019, 07:5730.04.2019, 13:19
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Was ist das Problem?

Säckli aus biologisch abbaubarem Kunststoff können länger die Natur belasten als wohl viele Menschen annehmen. Eine Studie zeigt, dass sie nach drei Jahren im Boden oder im Meerwasser noch so stabil sein können, dass sie auch mit mehr als zwei Kilogramm Inhalt nicht reissen.

So sieht eine Tragtasche aus biologisch abbaubarem Kunststoff nach drei Jahren im Meer aus.
So sieht eine Tragtasche aus biologisch abbaubarem Kunststoff nach drei Jahren im Meer aus.bild: napper, thompson

Am stärksten zerfiel biologisch abbaubarer Kunststoff – wie auch gewöhnlicher Kunststoff –, wenn er Luft und Sonne ausgesetzt war, berichten Imogen Napper und Richard Thompson von der Universität Plymouth (Grossbritannien) im Fachmagazin «Environmental Science & Technology».

«Biologisch abbaubare, oxo-abbaubare und kompostierbare Kunststoffe werden häufig als mögliche Lösung gegen die Ansammlung von Plastikmüll und Abfällen angesehen», schreiben die Forscher. Oxo-abbaubare Kunststoffe enthalten Zusätze, die das Material rascher zerfallen lassen. Weil dabei Mikroplastik entsteht, das kaum mehr weiter abgebaut wird, gibt es Bestrebungen in der EU, solche Kunststoffe zu verbieten.

Wie gingen die Forscher vor?

Napper und Thompson wollten herausfinden, was tatsächlich mit den Materialien in verschiedenen Umgebungen geschieht. Sie besorgten sich im lokalen Einzelhandel Säckli verschiedener Kunststoffsorten, darunter Polyethylen (PE), aus dem die meisten Plastiksäckli bestehen.

Den Grossteil der Tragtaschen schnitten sie in 15 mal 25 Millimeter grosse Stücke und legten sie in Netze aus Polyethylen hoher Dichte mit einer Maschengrösse von einem Millimeter. Dann hängten die Wissenschaftler die Netze im Freien auf, vergruben sie im Boden oder versenkten sie, mit einem Gewicht beschwert, in Meerwasser. Nach 9, 18 und 27 Monaten nahmen sie jeweils Proben und untersuchten sie. Ausserdem wurden ganze Plastiksäckli den entsprechenden Umgebungen ausgesetzt.

Plastikmüll im Meer

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Plastikmüll im Meer
Plastikmüll ist tödlich. (Bild: myplasticfreelife.com)
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Was sind die Ergebnisse der Studie?

Alle Kunststoffstreifen einschliesslich des Polyethylens waren nach spätestens 18 Monaten im Freien komplett zerfallen. «Die schnellere Fragmentierungsrate an der Luft dürfte auf höhere Anteile an ultravioletter Strahlung (UV) und Sauerstoff in Kombination mit höheren Temperaturen als in anderen Umgebungen zurückzuführen sein», schreiben die Forscher.

Nach 18 Monaten hatte sich der kompostierbare Kunststoff zudem im Meer aufgelöst, während er im Boden auch nach 27 Monaten noch vorhanden war. Allerdings war seine Belastbarkeit durch Zugspannung zu mehr als 70 Prozent verringert. Das Säckli aus kompostierbarem Kunststoff war das einzige, das nach drei Jahren keinen Inhalt mehr tragen konnte. Säckli aus oxo-abbaubarem, biologisch abbaubarem und gewöhnlichem Plastik, die drei Jahre lang im Meer und in der Erde gewesen waren, hielten hingegen 2.25 Kilogramm Gewicht.

Welchen Schluss ziehen die Forscher?

«Diese Untersuchung wirft eine Reihe von Fragen auf, was die Öffentlichkeit erwarten kann, wenn etwas als biologisch abbaubar bezeichnet wird», erklärt Thompson. Er betont die Notwendigkeit von Normen für abbaubare Materialien. Das Fazit der Forscher lautet:

«Für viele Anwendungen, bei denen Kunststoff-Tragetaschen verwendet werden, stellt die Haltbarkeit in Form einer Tasche, die oft verwendet werden kann und wird, eine bessere Alternative zur Abbaubarkeit dar.»

Zu diesem Schluss kommt auch der deutsche Naturschutzbund (Nabu). Selbst der Stoffbeutel sei aus Umweltgesichtspunkten nur dann besser als ein Plastiksäckli, wenn er oft genutzt werde: «Es wird davon ausgegangen, dass eine Tasche aus konventioneller (d.h. nicht kontrolliert biologisch angebauter) Baumwolle über hundertmal so oft wie eine erdölbasierte Kunststofftüte genutzt werden muss, um die schlechtere Klimabilanz auszugleichen», heisst es beim Nabu. Die Umweltschützer raten von Bioplastiksäckli jeglicher Zusammensetzung ab, da bisher kein ökologischer Vorteil gegenüber der klassischen Plastiksäckli nachzuweisen sei. (sda/dpa/jaw)

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ferranya
29.04.2019 08:57registriert April 2018
Ich verstehe einfach nicht warum so unglaublich viele diese plastiksäckli einfach irgendwo hinschmeissen...
Ich kauf auch hin und wieder welche, benutze sie aber danach z.b. als abfall säckli für kleinabfälle in der whng (hab 2 kleine kids, da sammelt sich was an) und dann ab in den normalen abfall
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El Vals del Obrero
29.04.2019 08:39registriert Mai 2016
Für die Stoffsäcke könnte man ja auch weniger schädliche und einheimischere Textilien als Baumwolle nehmen, z.B. Hanf oder Flachs oder so.
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atomschlaf
29.04.2019 08:23registriert Juli 2015
Wenn man die Säckli ordentlich entsorgt, muss man auch nicht über Alternativen diskutieren.
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