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Der neue polnische Regierungschef Tusk kündigt grundlegende Wende an

Der neue polnische Regierungschef Tusk kündigt eine grundlegende Wende an

Polens neuer Regierungschef Donald Tusk hat eine grundlegende Wende in der Europapolitik seines Landes angekündigt und will, dass Polen eine führende Rolle in der EU einnimmt.
12.12.2023, 16:3812.12.2023, 17:03
Doris Heimann, dpa
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Polen müsse durch gute Zusammenarbeit zu einem Anführer in der EU werden, sagte der neue polnische Regierungschef Donald Tusk am Dienstag in seiner Regierungserklärung. Er betonte auch, dass Polen sich in EU und NATO für weitere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine einsetzen werde.

epa11024131 Prime Minister Donald Tusk addresses Polish Sejm (Parliament) in Warsaw, Poland, 12 December 2023. New Polish Prime Minister Donald Tusk is to present a program of action and the compositi ...
Donald Tusk spricht zum polnischen Parlament.Bild: keystone

Eine ursprünglich für den Nachmittag geplante Vertrauensabstimmung über die Koalitionsregierung des 66-jährigen Politikers wurde auf den Abend verschoben, weil mehr als 250 Abgeordnete Fragen angemeldet hatten. Da sich Tusks Regierung auf 248 von 460 Abgeordneten stützen kann, sollte das Vertrauensvotum keine Probleme bereiten. Am Mittwoch will Präsident Andrzej Duda den neuen Regierungschef und seine Minister vereidigen.

Neues Dreierbündnis

Das Dreierbündnis aus Tusks liberalkonservativer Bürgerkoalition, dem christlich-konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica hatte bei der Parlamentswahl am 15. Oktober eine Regierungsmehrheit errungen. Jedoch hatte die bisherige nationalkonservative PiS-Regierung den Machtwechsel mit Hilfe von Duda lange hinausgezögert.

In seiner Regierungserklärung mahnte Tusk die Einhaltung der Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an. «Was wirklich eine Gemeinschaft formt, sind Rechtsstaatlichkeit, die Verfassung, die Regeln der Demokratie, sichere Grenzen und ein sicheres Landesgebiet – das sind die Dinge, über die wir uns nicht streiten dürfen», sagte er.

In den zurückliegenden acht Jahren lag die PiS-Regierung wegen der Reform des polnischen Justizwesens im Dauerclinch mit Brüssel. Die EU-Kommission hatte mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet und blockiert einen milliardenschweren Corona-Hilfsfonds. Tusk gab sich zuversichtlich, dass sich das bald ändern werde. «Ja, ich werde die ersehnten Milliarden Euro aus Brüssel herbringen», sagte der ehemalige EU-Ratspräsident, der von 2007 bis 2014 schon einmal polnischer Regierungschef war.

Tusk will vertiefte Zusammenarbeit mit der EU

Unter seiner Regierung werde Polen durch gute Zusammenarbeit die Position eines «Anführers innerhalb der EU» erreichen, sagte Tusk. «Wir sind umso stärker, umso souveräner, je stärker die Europäische Gemeinschaft ist.» Es sei auch ein Grund für den Sieg des proeuropäischen Dreierbündnisses bei der Parlamentswahl gewesen, dass viele Wähler in Polen sich gewünscht hätten, dass das Land in der EU eine entscheidende Rolle spiele.

Tusk hob hervor, Polen bleibe ein wichtiges und starkes Nato-Mitglied und ein treuer, stabiler und selbstbewusster Verbündeter der USA. Er kündigte an, seine Regierung werde den Westen zu mehr Unterstützung für die angegriffene Ukraine bewegen. Er könne es nicht mehr hören, wenn manche westliche Politiker von einer Ermüdung durch die Situation in der Ukraine sprechen würden. «Wir werden laut und entschieden die volle Mobilisierung der freien westlichen Welt für die Unterstützung der Ukraine in diesem Krieg verlangen.» In ein paar Stunden reise er zum EU-Gipfel nach Brüssel. Dort wolle er «anders als bisher» Wege finden, um Polens traditionelle Verbündeten von der Notwendigkeit der Hilfe zu überzeugen, sagte Tusk weiter.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehörte Polen zu den wichtigsten politischen und militärischen Unterstützern seines Nachbarlandes. Zuletzt war es aber unter der Vorgängerregierung zu Spannungen zwischen Warschau und Kiew gekommen.

Neues Kabinett

Tusk stellte auch sein Kabinett vor. Neuer Aussenminister wird der bisherige EU-Parlamentarier Radoslaw Sikorski. Der 59-Jährige war bereits von 2007 bis 2014 Polens Chefdiplomat, davor diente er als Verteidigungsminister. Sikorski gilt als überzeugter Transatlantiker. Das Verteidigungsressort und zugleich das Amt des Vize-Regierungschefs übernimmt Wladyslaw Kosiniak-Kamisz. Der im Ausland wenig bekannte 42-jährige Arzt ist einer der Chefs der Partei Dritter Weg. Neuer Justizminister wird der 46 Jahre alte Verfassungsrechtler Adam Bodnar. Er war von 2015 bis 2021 Polens Menschenrechtsbeauftragter. (saw/sda/dpa)

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter Sahli
12.12.2023 17:43registriert März 2014
Ich drücke Tusk die Daumen, dass er es schafft, den restlichen EU Staaten klarzumachen, wie wichtig es ist, die Ukraine im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, das die Russen begehen, zu unterstützen.
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Ben_solo
12.12.2023 18:18registriert Januar 2021
Es tut gut zwischendurch Stimmen wie die von Tusk zu hören. Ich wünsche ihm von Herzen viel Erfolg!
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Steibocktschingg
12.12.2023 19:46registriert Januar 2018
Ich hoffe dass Tusk Polen zurück auf den Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bringen kann. Dass die jüngeren Generationen, so wie mir einige polnische Bekannte versichert haben, die PiS-Säcke mehrheitlich nicht ausstehen können wird sich langfristig tendenziell positiv auswirken. Wichtig ist, dass die Regierungskoalition von Tusk Bestand hat und nachhaltig was bewirken kann.
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