Rund 90 Jahre nach der Umwandlung des Istanbuler Wahrzeichens Hagia Sophia in ein Museum durch Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk wird das Gebäude wieder eine Moschee. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ordnete am Freitag die Öffnung zum islamischen Gebet an. Mit dem Beschluss übergab Erdogan die Leitung der «Hagia-Sophia-Moschee» zudem an die Religionsbehörde Diyanet.
Nach dem Willen Erdogans soll die Hagia Sophia bereits in zwei Wochen als Moschee genutzt werden können. «Wir planen, die Vorbereitungen schleunigst zu beenden und am Freitag, den 24. Juli 2020, die Hagia Sophia gemeinsam mit dem Freitagsgebet für Gebete zu eröffnen», sagte der Präsident am Freitagabend.
Der Entscheid Erdogans löste in vielen Ländern und Organisationen teilweise harsche Kritik aus. Die EU, Russland und die USA sind sich plötzlich wieder in einer Sache einig. Auch die Religionsführer sind mit dem Entscheid überhaupt nicht zufrieden. Man kann hier also getrost von einem Weil wir watson sind, können wir also getrost von einem Shitstorm biblischen Ausmasses sprechen.
Nachfolgend die wichtigsten Reaktionen:
Die deutlichsten Worte findet Griechenland. Der Nachbarstaat droht der Türkei mit Konsequenzen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe einen «historischen Fehler begangen», erklärte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Samstag. Auf diese Beleidigung der christlichen Welt müsse es eine entsprechende Antwort geben. Regierungssprecher Petsas sagte am Samstag:
Details nannte er nicht. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hatte zuvor schon erklärt, dass der Beschluss Erdogans Folgen für die Beziehungen der Türkei zur EU haben werde. Griechenland und die Türkei streiten sich ohnehin schon um Erdgasvorkommen im Mittelmeer und über verschiedene Migrationsthemen.
Die griechische Presse reagierte am Samstag mit Schlagzeilen wie «Die Hagia Sophia ist Opfer des Grössenwahns Erdogans geworden» (konservative Zeitung «Kathimerini»). «Unsinn ohne Ende», hiess es in der konservativen Zeitung «Eleftheros Typos». Griechische Kommentatoren meinten, Erdogans Türkei entferne sich mit grosser Geschwindigkeit vom Laizismus, der Trennung von Staat und Religion, und sei auf dem Weg der vollen Islamisierung.
Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni sprach von einer «Provokation für die zivilisierte Welt». Erdogan führe «sein Land sechs Jahrhunderte zurück.»
Weil die Hagia Sophia eine so grosse Bedeutung für die Orthodoxie hat, kamen die deutlichsten Reaktionen aus Griechenland und Russland. Metropolit Hilarion vom Moskauer Patriarchat sprach im russischen Staatsfernsehen von einem Schlag gegen die Orthodoxie.
«Für alle orthodoxen Christen auf der Welt ist die Hagia Sophia ein wichtiges Symbol, wie der Petersdom in Rom für die Katholiken.» Die Umwidmung werde die Beziehung der Türkei zur christlichen Welt beeinflussen.
Die innenpolitische Lage in der Türkei und die Faktoren, die zur Umwidmung geführt hätten, könnten unterschiedlich eingeschätzt werden, sagte der Metropolit weiter. Aber:
Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn hat die von der Türkei geplante Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee als einen «Schlag gegen die Allianz der Zivilisationen» bezeichnet. Die von der Türkei mitbegründete Initiative sei damit in seinen Augen ausradiert, sagte Asselborn am Montag bei einem EU-Aussenministertreffen in Brüssel. «Das ist nicht gut.»
Die UN-Allianz der Zivilisationen war 2005 auf Anregung des früheren spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero und des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ins Leben gerufen worden. Ziel sollte eine bessere Verständigung zwischen der westlichen und der orientalischen Welt sein.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell kritisierte am vergangenen Montag die geplante Umwandlung der Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee. Borrell sagte mit Blick auf das Gebäude, das früher einmal das grösste Gotteshaus der Christenheit gewesen war:
Die US-Regierung hat ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht: «Wir sind enttäuscht von der Entscheidung der Regierung der Türkei, den Status der Hagia Sophia zu ändern», hiess es am Freitag auf Anfrage in einer Erklärung der Sprecherin des Aussenministeriums in Washington, Morgan Ortagus. Ortagus machte deutlich, dass die USA von der Türkei erwarten, dass die Weltkulturerbestätte weiterhin für alle Besucher zugänglich bleibt.
Auch Papst Franziskus hat sein Bedauern über die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul zu einer Moschee zum Ausdruck gebracht. «Ich denke an die Heilige Sophia, und es schmerzt mich sehr», sagte der Pontifex nach dem traditionellen Angelusgebet am Sonntag in Rom. Näher äusserte sich das Katholiken-Oberhaupt nicht zu der international umstrittenen Entscheidung der Türkei.
Die deutsche Regierung hat die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul von einem Museum zu einer Moschee «mit Bedauern zur Kenntnis genommen». Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin:
Der Status als Museum habe Menschen aller Glaubensrichtungen zu jedem Zeitpunkt freien Zugang zu diesem Meisterwerk und Weltkulturerbe ermöglicht, sagte Seibert. Es gelte nun abzuwarten, wie die Entscheidung ausgestaltet werde.
Russlands Vize-Aussenminister Alexander Gruschko erinnerte an die Bedeutung der Hagia (Aussprache: Aja) Sophia. Es gebe heute nicht mehr viele Symbole mit solch einer jahrhundertealten Geschichte, die auch Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit gehabt hätten, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax am Samstag.
Gruschko erwartet nun von der Türkei, das Gebäude zu schützen, zu erhalten und weiter öffentlich zugänglich zu lassen: «Ich hoffe sehr, dass alle Verpflichtungen [...] vollständig umgesetzt werden.»
Maria Zakharova, Sprecherin des Aussenministeriums, sagte:
Man hoffe, dass das Management der Hagia Sophia ihrem Status als UNESCO-Weltkulturerbe voll und ganz gerecht werde. Und weiter: «Wir erwarten, dass bei allen Massnahmen im Zusammenhang mit diesem einzigartigen Wahrzeichen seine aussergewöhnliche Bedeutung für Gläubige auf der ganzen Welt berücksichtigt wird.»
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Ich hätte dieses an sich faszinierende Land gerne einmal von West nach Ost durchreist. Aus Gründen werde ich vorläufig darauf verzichten und bin wohl nicht der einzige, der keinen Bock mehr hat auf Urlaub in der Türkei.