Es ist früh am Morgen, in einem Waldstück in Alba, in der italienischen Provinz Piemont. Trüffeljäger Michele Bertolusso läuft mit seiner weissen, struppigen Hündin Maghia durchs Gestrüpp. Plötzlich erschnüffelt Maghia eine Spur. Unter aufgeregtem Schwanzwedeln beginnt sie zu graben und bringt schliesslich einen schwarzen Trüffel zum Vorschein.
Bertolusso lobt und streichelt sie freudig, auch wenn er eigentlich auf einen weissen Trüffel gehofft hat. Doch diese werden im Norden Italiens immer rarer. Und das hat schwere Folgen, vor allem für die Hunde der Trüffeljäger, wie die neue Arte-Doku «Das gefährliche Geschäft der Trüffeljäger» aufzeigt.
Diese drei Punkte hallen nach dem Schauen der Doku nach:
Mehr als 100 Millionen Euro Umsatz macht das Piemont im Jahr durch den Trüffel-Tourismus. Für den weissen Trüffel reisen Menschen aus aller Welt an das Weisstrüffel-Festival von Alba, wie die Doku zeigt. So etwa eine Frau aus Singapur, die ihren Freunden zuhause ein Exemplar mitbringen möchte. Ein teures Geschenk.
Zwischen 4000 und 5000 Euro kann man für ein Kilogramm weisser Trüffel hinblättern. Je nachdem wie gross, schön und frisch das Exemplar ist. Die Pilze müssen nämlich sehr schnell verzehrt oder verarbeitet werden. Maximal drei Tage bleiben sie frisch.
Der Preis für einen weissen Trüffel variiert deshalb von Woche zu Woche. Oder anders gesagt: Je weniger Trüffel gerade erhältlich sind, desto mehr können die Trüffeljäger für ihre Pilze verlangen. Und die Trüffel werden immer rarer.
Das wird klar, als die Arte-Reporter einen 80-jährigen Trüffeljäger besuchen, der seit 1975 von Hand dokumentiert, wie der weisse Trüffel in seiner Region zurückgeht. Fand er in seinem Suchgebiet früher noch drei bis vier Kilo weissen Trüffel pro Jahr, waren es 2022 noch 500 Gramm. In diesem Jahr sieht es nicht besser aus.
Es ist schmerzhaft mitanzusehen, wie der 80-Jährige in der Doku mit zittrigen Händen seine Ausbeute der letzten Woche auspackt. Man stellt sich vor, wie er für die kleinen, weissen, teilweise von Schnecken angeknabberten Klumpen jede Nacht mit seinem Hund durch die Wälder gezogen ist. Auf der Suche nach dem weissen Gold. Er schimpft:
Wütend ist er auf den Menschen. Mit der Klimaerwärmung werden die Sommer im Norden Italiens immer heisser und trockener. Der weisse Trüffel mag es hingegen kühl und nass. Er wächst an den Wurzeln von Eichen, Pappeln und Linden. Lockere Mischwälder sind darum optimal für ihn. Doch genau diese Wälder gibt es immer weniger. Stattdessen hat man dichte Monokulturen angepflanzt.
Je seltener der weisse Trüffel, desto härter der Konkurrenzkampf unter seinen Jägern. Bertolusso aus der Anfangsszene kann diesen Hype nicht verstehen. Er sagt: «Es ist zu einem Zirkus geworden. Die Leute haben nur noch Geld im Kopf. Nur darum geht es.» Ihm und den anderen «Trifulau», wie sich die traditionellen Trüffeljäger selbst nennen, gehe es hingegen um Leidenschaft:
Die UNESCO erklärte die Trüffelsuche in der Region 2021 zum immateriellen Weltkulturerbe. Seither hat der Kampf um das weisse Gold einen grausigen Höhepunkt erreicht. Die Trüffeljäger schlitzen einander nicht mehr nur Autoreifen auf oder ernten unreife Trüffel. Um einander nachhaltig zu schaden, haben sie es inzwischen auch auf die Trüffelhunde abgesehen.
Mit traurigem, aber gefassten Blick sagt Bertolusso direkt in die Kamera:
Drei seiner Hunde habe er noch retten können. Die anderen seien gestorben. Hackbällchen, gespickt mit Rasierklingen oder gefüllt mit Rattengift werfen die Saboteure aus. Fressen die Hunde die Giftköder, verbluten sie in kürzester Zeit innerlich und unter starken Schmerzen.
Auf seinen nächtlichen Touren durch den Wald begleitet Bertolusso darum immer die Angst um seine Hündin Maghia. Für ihn ist sie nicht nur ein Arbeitstier, das er vier Jahre lang selbst zum Trüffelhund ausgebildet hat. Sie ist seine Gefährtin. Er sagt: «Der Tod eines Hundes, mit dem man 10 Jahre zusammen war, ist wie der Verlust eines Verwandten.» Umso schockierter lässt es einen zurück, als er resigniert anfügt:
Ein Spiel ist es, die Suche nach dem weissen Trüffel. Ein Spiel, bei dem in der Doku niemand zu gewinnen scheint. Weder die Trifulau, die nach wie vor in einfachen Verhältnissen leben. Noch die Trüffelkäufer, die wegen des rarer werdenden Guts Zukunftsängste äussern. Und am wenigsten die Trüffelhunde. Der italienische Tierschutzverband schätzt, dass allein im letzten Jahr 400 Trüffelhunde vergiftet wurden. So viele wie noch nie.
Die Doku besucht auch eine Polizeistation in der Region, in Bra. Dieser sind die Giftköder-Attacken bekannt. Eine Polizistin sagt:
Ein Trüffeljäger könne zwei oder drei gute Hunde haben. Normalerweise nehme er aber nur seinen besten mit auf die Suche. «Und wenn der beste Hund vergiftet wird, ist das ein grosser Schaden.»
Sie und ihre Kollegen versuchen gegen die Praxis vorzugehen. Aber das gestaltet sich schwierig. Die wenigsten Trüffeljäger erstatten Anzeige, wenn ihr Hund vergiftet wurde. Denn sie wollen ihre geheimen Plätze, an denen sie seit vielen Jahren nach weissen Trüffeln suchen, nicht preisgeben. In Bra sucht die Polizei darum präventiv mit extra dafür geschulten Hunden ganze Waldgebiete nach Giftködern ab.
Aber auch dieses Vorgehen ist eher ein Tropfen auf den heissen Stein. Ein Polizist sagt: «Man muss schon innerhalb der ersten 24 Stunden, nachdem ein Giftköder ausgelegt wurde, kommen, weil ihn sonst schon ein Tier gefressen hat.» Den Giftköder-Attacken fallen schliesslich nicht nur Trüffelhunde zum Opfer, sondern auch zahlreiche Wildtiere.
Die Doku lässt einen fassungslos und tieftraurig zurück. Man hofft nur, dass Maghia und ihr Trifulau Bertolusso noch viele Jahre zusammen Freude am Trüffelsuchen haben können und ein Giftköder dem nicht auch ein jähes Ende setzt.
Der Mensch als Individuum ist wertvoll, ich kenne so viele wunderbare Menschen.
Als Spezies sind wir einfach nur ein Schaden für alle, unsere Mitmenschen eingeschlossen.