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ZDF-Doku zu Superreichen: Reiche sind eine diskriminierte Minderheit

ZDF-Doku über Superreiche: «Reiche sind eine diskriminierte Minderheit»

237 Milliardäre leben in Deutschland – Tendenz steigend. In einer neuen Dokumentation des ZDF werden sie und ihr Vermögen genauer unter die Lupe genommen.
14.12.2023, 20:0215.12.2023, 09:50
Anna Böhler
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Eine neue Dokumentation des ZDF wollte herausfinden, wie die Reichsten der Reichen in Deutschland leben und wie sie so reich wurden. Die knapp 45 Minuten Video sind voller Zitate, die so realitätsfern sind, dass einem die Kinnlade herunterfällt. Wir haben deshalb für euch zusammengefasst, worum es geht:

Loslassen beim Um-die-Welt-Jetten

Nachdem der Reporter Jochen Breyer und sein Team zuerst viele Absagen kassiert haben, folgt schliesslich doch ein erster positiver Bescheid: Hans-Peter Wild lädt sie dazu ein, mit seinem Privatjet von Salzburg nach Paris zu fliegen. Wild ist Besitzer der Marke Capri Sun, die ihren Hauptsitz hier in der Schweiz hat.

Vom Journalisten danach gefragt, gibt er sein Lebensmotto bekannt. Es lautet «Hard Work and Fun». Denn wer hart arbeite, der müsse immer auch etwas haben, bei dem er loslassen könne. Dazu gehöre auch dieser Privatjet, mit dem Wild bis vor der Pandemie dreimal im Jahr um die Welt geflogen sei. Angekommen in der Pariser Innenstadt, empfängt der Milliardär sie in seiner Suite, die pro Nacht normalerweise 17'000 Euro kostet – das Frühstück ist dabei nicht inklusive.

«Wer hart arbeitet, muss auch immer etwas haben, bei dem er loslassen kann.»
Hans-Peter Wild

Wie es denn eigentlich sei, mehr Geld zu haben, als man jemals ausgeben könne, will der Reporter wissen. «Darüber habe ich noch nie nachgedacht», meint Wild schulterzuckend. Es sei auf jeden Fall gut, welches zu haben, denn es mache unabhängig. All sein Geld sei immer in das Unternehmen geflossen, bis er sich eines Tages vorgenommen habe, innerhalb von fünf Jahren 150 Millionen «Cash» zu machen – und dies sei dann auch so geschehen. Wild belegt im jährlichen Ranking der reichsten Deutschen des «Manager»-Magazins den Platz 77 mit schätzungsweise 3,1 Milliarden Euro.

Eine ganze Villa als Büro

Thomas Bscher gehören in Berlins edlem Viertel Kurfürstendamm nicht nur Gebäude, sondern ganze Strassenblöcke. Bscher stammt ab von einer Familie, die seit Generationen im Geld schwimmt. Angesprochen auf sein Erbe stellt Bscher klar: «Ich hatte einen guten Start ins Leben, das steht ausser Frage.» Seinen Reichtum aber, den habe er sich selbst verdient. Und der ist so gross, dass er eigens für den Zweck dessen Verwaltung eine Villa im Kölner Reichenviertel Marienburg besitzt, die er quasi als Büro braucht.

«Wenn das Geld verteilt wird, wird es ausgegeben und nicht investiert.»
Thomas Bscher

Als der Reporter von ihm wissen will, wie viel die ärmeren 50 Prozent der Deutschen besitzen, winkt Bscher ab und fragt zurück, was denn wäre, wenn sie statt bloss 1,4 zwanzig Prozent des Gesamtvermögens besitzen würden. «Sie hätten etwas mehr Sicherheit», kontert Jochen Breyer. Bscher stellt daraufhin infrage, ob das Geld von diesem Teil der Bevölkerung auch benutzt würde, um sich finanziell abzusichern. «Ich sorge dafür, dass Dinge passieren. Wenn das Geld verteilt wird, wird es ausgegeben und nicht investiert. Deutschland ist kein Land der Eigenverantwortung.»

«I Love Capitalism»

Die Stimme des Reporters fasst aus dem Off zusammen: Die Milliardäre legitimieren ihren Reichtum gegenüber dem Rest des Volkes damit, dass sie dafür gearbeitet hätten und hohe Steuern bezahlten. In der Dokumentation wird aufgezeigt, wie sich die Steuerpolitik Deutschlands seit Mitte der Neunzigerjahre immer weiter zu Gunsten der Superreichen entwickelt hat: Die Vermögenssteuer wurde abgeschafft, die Unternehmenssteuer und der Spitzensteuersatz wurden kleiner. Weil so viele Milliardäre das Land aus steuertechnischen Gründen verlassen würden, steige der Druck auf die Politik, die zurückgebliebenen reichen Steuerzahler in Deutschland zu behalten.

«Reiche sind eine diskriminierte Minderheit.»
Rainer Zitelmann

Als Begleitung des Multimillionärs Rainer Zitelmann erhält das Kamerateam Zutritt zum «China Club», einem Social Club für Reiche in Berlin. Der Mann, der sich als Redner mit «I Love Capitalism»-Shirt auf die Bühne stellt, lebt nicht nur den Lifestyle, sondern schreibt auch Bücher darüber, wie man reich wird. Er ist der Meinung, Reiche seien eine diskriminierte Minderheit, und prangert an, dass gegen diese «Minderheit» in den Medien und der Politik immer «Stimmung gemacht» werde. Viele seiner Unternehmer-Freunde würden deswegen darüber nachdenken, auszuwandern. «Sie fühlen sich nicht willkommen und nicht genug wertgeschätzt», bedauert Zitelmann.

In Frankfurt trifft das ZDF auf einen Steuerberater der Superlative, der anonym bleiben möchte, weil er sonst seinen Ruf in der Branche gefährde. Er hilft seinen reichen Kunden, die Steuern mit legalen Massnahmen zu senken. Der Finanzexperte erklärt, dass zur Senkung der Steuern aber auch aggressivere Wege begangen werden, indem man Lücken und Schlupflöcher im Gesetz findet. Die Experten aus dieser Branche haben ein Stundenhonorar von 400 bis 900 Euro.

Deutschlands höchste Finanzbeamtin gibt Spartipps

Es gibt einen ganzen Dienstleitungsbereich, der sich der Steuervermeidung widmet. Die Grosskanzlei Flick Gocke Schaumburg (FGS) ist ein bekanntes Beispiel dafür. ZDF war im Sommer mit versteckter Kamera bei einem Seminar der FGS in einem Luxushotel dabei. Am Event rät ein dozierender Anwalt dazu, «Wohnungen in ein Wohnungsunternehmen zu verpacken» oder «eine Familienstiftung zu gründen». Auf der Bühne steht zur Überraschung des Reporters Ministerialbeamtin Gerda Hofmann. Sie ist Deutschlands höchste Staatsbeamtin für die Bereiche Erbschaftsteuer, Grundsteuer und Vermögensteuer und warnt am Seminar Superreiche davor, dass sich bald ein Steuerschlupfloch schliessen könnte – wovor sich aber niemand fürchten solle, denn sie habe ja einen ganzen Werkzeugkasten zur Hand. Wie das Bundesfinanzministerium der deutschen Tageszeitung «TAZ» inzwischen mitteilte, werden derzeit dienstrechtliche Konsequenzen geprüft.

«Was ist die Alternative? Hätten wir das zu Fuss gehen sollen, mit der Bahn, mit dem Fahrrad? Was hätten wir denn machen sollen?»
Hans-Peter Wild, als er nach seinem schlechten Gewissen gefragt wird

Zum Schluss liefert Hans-Peter Wild noch ein denkwürdiges Zitat, als er mit seinem Privatjet Richtung seiner Yacht fliegt. Als Reporter Jochen Breyer ihn fragt, ob er aufgrund seines Fliegens nicht manchmal ein schlechtes Gewissen habe, sagt er: «Was ist die Alternative? Hätten wir das zu Fuss gehen sollen, mit der Bahn, mit dem Fahrrad? Was hätten wir denn machen sollen?», und zuckt dazu mit den Schultern.

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238 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
14.12.2023 20:18registriert Oktober 2018
In Deutschland ist der Steuersatz irgendwo bei 40%. Reiche können dies auf unter 1% drücken…

Masslose Schmarotzer sondergleichen…
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Dr. Hans-Werner Cobretti
14.12.2023 20:14registriert Dezember 2023
Capri Sun Super Zuckergetränk hat Kinder dick und krank gemacht, Zahnärzten viele Aufträge beschert und die Pharma macht mit dem Problem Diabetes grosse Umsätze. Das freut den Aktionär.
Gut Gemacht Hans-Peter Wild. Du hast deinen Reichtum verdient. Bravo, kannst stolz sein auf dich. In einer anderen Gesellschaft würdest du für so etwas im Knast sitzen, 100%.
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Heinz Schmid
14.12.2023 21:26registriert Mai 2018
Die Panama Papers haben aufgezeigt wie unfair das System wirklich ist und Kriminalität die Norm, nicht die Ausnahme ist.
Und dennoch gibt es genug Lakaien die dieses Verhalten noch verteidigen und die trickle-down Lüge nachplappern.
Von mir aus dürfen die auch reich sein, aber die Umschichtung von Arm zu Reich wird immer grösser.
Zur Erinnerung, damit diese Menschen so viel Vermögen haben, müssen ganz viele Menschen Schulden abzahlen - Alles Geld stammt aus Schuld. Und echte Menschen müssen Zinsen / Dividenden abbezahlen.
Deswegen sind Immobilien etc. für viele Menschen unbezahlbar geworden
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Ich habe zu viele Jacken. EIGENTLICH bräuchte ich nur diese eine einzige
Ohne Absicht akkumuliert man viel zu viele Kleidungsstücke. Wirklich brauchen täte man aber nur wenige.

Ich wollte diese Kolumne mit der Aussage beginnen: «EIGENTLICH interessiere ich mich nur mässig für Kleider» ... doch dann stellte ich fest: Das stimmt so nicht ganz. Gewiss, aktuelle Modetrends gehen mir am Allerwertesten vorbei. Doch Kleidung per se scheint mir offenbar nicht unwichtig zu sein. Oder wie anders kann ich's erklären, dass ich so was von krass viele Jacken und Mäntel besitze?

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