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Interview von Tucker Carlson mit Wladimir Putin: Diese Punkte fielen auf

Wladimir Putin Tucker Carlson
Carlson und Putin bei ihrem Gespräch im Kreml.Bild: tucker carlson network
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So lief das Interview von Tucker Carlson mit Wladimir Putin – in 5 Punkten

In der Nacht auf Freitag gab Wladimir Putin erstmals seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine einem Amerikaner ein Interview – ausgerechnet dem Trump-Demagogen Tucker Carlson. Diese Punkte fielen auf.
09.02.2024, 05:0509.02.2024, 11:04
Dario Bulleri
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Putins Monologe

Die erste Überraschung zum Interview gab es bereits beim Blick auf die Dauer: Während die Gespräche Carlsons mit dem ungarischen Staatschef Viktor Orbán oder Argentiniens neugewähltem Präsidenten Javier Milei etwa eine halbe Stunde dauerten, war das Interview mit Putin mehr als viermal so lang – satte zwei Stunden und sieben Minuten.

Warum sich das Interview derart in die Länge zieht, wird gleich zu Beginn klar. Als Carlson seine erste Frage stellt – «erzählen Sie uns, warum Sie denken, dass die USA Russland angreifen sollten. Wie kamen Sie zu einem solchen Schluss?» –, fragt Putin zurück:

«Ist das hier eine Talkshow oder ein seriöses Gespräch?»

Als Carlson antwortet, es sei natürlich ein seriöses Gespräch, kündigt Putin an, während «einer halben oder einer Minute» einen historischen Kontext zur Lage zu geben. Eine massive Untertreibung: Putin rollt daraufhin die Geschichte Russlands und der Sowjetunion ab 862 auf. Von Zwischenfragen Carlsons lässt er sich dabei kaum abbringen.

Wladimir Putin Tucker Carlson
Hat sogar eine Mappe mit historischen Daten dabei: Wladimir Putin.Bild: tucker carlson network

Dabei erzählt der russische Präsident ziemlich genau den Inhalt seiner TV-Ansprache vor dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022. Es sind die gewohnten Argumente: Putin beschwört die historische Bedeutung Kiews für das russische Volk, spricht der Ukraine eine ethnische Gemeinschaft ab, kritisiert die Abspaltung der Ukraine zu Zeiten Lenins und wiederholt sein Ziel einer angeblichen «Denazifizierung» des Landes. Erst nach rund 45 Minuten kommt Putin nach seinem Quasi-Monolog zu einem richtigen Ende.

Auch in der Folge zeigt Putin kaum Interesse daran, Carlsons Fragen zu folgen. Auch wenn der Moderator versucht, mit einer Frage das Thema zu wechseln, lässt sich Putin nicht beirren. «Ich werde die Frage zuerst fertig beantworten», sagt er regelmässig, um dann wieder zu einem ausschweifenden Monolog anzusetzen.

Die Botschaften ans Carlson-Publikum

Nach seinem ausufernden Monolog zu Beginn zeigt sich dann doch: Putin weiss, dass sich mit dem Carlson-Interview eine wohl einmalige Chance bietet, gewisse US-Bürgerinnen und -Bürger von seinem Angriff auf die Ukraine zu überzeugen – oder zumindest den Widerstand zu schwächen.

Wladimir Putin Tucker Carlson
Reden über den «zivilisierten Westen» ist für Putin nur mit Gänsefüsschen möglich.Bild: tucker carlson network

So ist auffällig, wie der russische Präsident im Laufe des Gesprächs immer wieder Themen aufs Parkett bringt, welche beim typischen Carlson-Publikum absolut auf Anklang stossen dürfen. Immer wieder stichelt Putin gegen die Biden-Regierung: Er könne sich nicht erinnern, wann er letztmals mit dem US-Präsidenten gesprochen habe, schliesslich habe er viel anderes zu tun, berichtet Putin bewusst nonchalant.

Weiter bewirtschaftet Putin die typisch republikanischen Anliegen. Als Carlson fragt, wie er die Möglichkeit von US-Truppen in der Ukraine sehe, antwortet Putin:

«Brauchen die USA das? Wozu? Tausende von Meilen entfernt von Ihrem nationalen Territorium. Haben Sie nichts Besseres zu tun? Sie haben Probleme an der Grenze. Probleme mit der Migration, Probleme mit der Staatsverschuldung. Mehr als 33 Billionen Dollar.»

Durch Putins Antworten zieht sich zudem eine implizite Botschaft wie ein roter Faden durchs Interview: Russland ist schon lange bereit zu Gesprächen und einem Frieden, nur der Westen, vor allem die USA, würden diesen verhindern, sagt er. Wohl in der Hoffnung, in regierungskritischen Kreisen damit auf Anklang zu stossen. Und deshalb bietet er eine gar einfache Lösung an:

«Wenn Sie die Kämpfe wirklich beenden wollen, müssen Sie die Waffenlieferungen einstellen. Innerhalb weniger Wochen wird es vorbei sein.»

Was seine Truppen in dieser Zeit in der Ukraine anrichten würden, verschweigt er gekonnt.

Carlson hat seine Momente ...

Tucker Carlson macht keinen Hehl daraus, wie seine politischen Meinungen aussehen: Rechts, konservativ, gewisse sagen gar rechtsextrem. Auch zum Ukraine-Krieg hat er eine klare Meinung: Der Moderator kritisierte den Westen ständig und teilt regelmässig das russische Narrativ eines vom Westen provozierten Krieges. Zudem ist Carlson bekannt dafür, seine Haltungen auch in Interviews nicht zu verbergen – so verzichtete er bei seinen Gesprächen mit Orbán und Milei, welche politisch auf derselben Wellenlänge wie Carlson sind, fast konsequent auf kritische Fragen.

Wladimir Putin Tucker Carlson
Skeptisch? Interessiert? Carlson schaut Putin beim Sprechen zu.Bild: tucker carlson network

Umso überraschender ist es, dass der Moderator im Gespräch mit Putin den russischen Machthaber das eine oder andere Mal herausfordert – oder dies zumindest versucht. Beim anfänglichen Monolog Putins antwortet Carlson zwischendurch, er sehe nicht ein, warum der Blick auf die Anfänge des letzten Jahrtausends für die heutige Lage wichtig sein soll. Weiter versucht Carlson, vor allem in den ersten Minuten, immer wieder nachzuhaken – etwa als Putin sich konsequent weigert zu erklären, wie er eine angeblich weit verbreitete Nazi-Mentalität in der Ukraine tatsächlich stoppen würde. Und mit der Frage, wie Putin seinen selbsterklärten christlichen Glauben mit dem Töten anderer vereinbaren könne, wirft er dem Kreml-Chef implizit eine gewisse Doppelmoral vor.

Seinen wohl besten Moment hat Carlson kurz vor Schluss. Der Moderator lenkt das Gespräch auf Evan Gershkovich, Journalist des «Wall Street Journal», welcher vor fast einem Jahr in Moskau verhaftet wurde. Dabei sagt Carlson:

«Er ist 32 Jahre alt und seit fast einem Jahr im Gefängnis. Das ist eine grosse Geschichte in den USA. Und ich möchte Sie direkt fragen, (...) ob Sie als Zeichen Ihres Anstands bereit wären, ihn freizulassen, damit wir ihn zurückbringen können.»

Auch als Putin abblockt – Russland habe schon so viele wohlwollende Gesten gemacht, sagt er –, setzt Carlson nach:

«Dieser Mann ist doch offensichtlich kein Spion. Er ist ein Junge und hat vielleicht in irgendeiner Weise gegen das Gesetz verstossen. Aber er ist kein Superspion, und das weiss jeder. Er wird als Geisel gehalten, das ist wahr, bei allem Respekt.»

Erfolg hat Carlson damit nicht. Putin vertröstet ihn lediglich damit, er wolle auch, dass Gershkovich in seine Heimat zurückkehren werde, «da bin ich absolut ehrlich». Dafür brauche es aber weitere Dialoge.

epa11000757 Wall Street Journal correspondent Evan Gershkovich attends an appeal hearing against the extension of his arrest term on espionage charges at the Moscow City Court in Moscow, Russia, 22 Ju ...
Evan Gershkovich wird in Russland der Spionage beschuldigt.Bild: keystone

... aber die sind nicht von Dauer

Doch auch wenn Carlson im Interview zum Teil überrascht, fällt der Trump-Demagoge vor allem im Mittelteil des Gesprächs in alte Muster zurück. Heisst: Er liefert Putin Suggestivfragen, welche dieser nur allzu gerne ausnutzt.

Irritierend ist etwa das Gespräch über die Zerstörung der «Nord Stream»-Pipeline. «Wer hat das gemacht?», will Carlson wissen. «You», antwortet Putins Dolmetscher. «Ich war beschäftigt an diesem Tag. Vielen Dank», antwortet Carlson, wofür er von Putin Lacher erntet. Dann werden sie wieder ernst. Denn sie sind sich einig: Für die Zerstörung sind – auch wenn Stand heute nichts bewiesen ist – die USA verantwortlich. «Die Deutschen wissen doch sicher, dass ihre NATO-Partner das gemacht haben», sagt Carlson und liefert Putin so eine Steilvorlage, um zu einem weiteren Monolog gegen den Westen anzusetzen.

Tucker Carlson Wladimir Putin
Carlsons «Nord Stream»-Witz bringt den ansonsten völlig ernsten Putin zum Lachen.Bild: tucker carlson network

Auch Carlsons verschwörungsideologische Tendenzen blitzen im Interview immer wieder auf. Als Putin von Treffen mit Bill Clinton und George W. Bush berichtet, fasst Carlson zusammen, dass das alles so klinge, dass eigentlich gar nicht der gewählte US-Präsident die Geschicke im Land leiten würde – was Putin bejaht.

Zudem ist auch in diversen Formulierungen Carlsons umstrittene Sicht auf das Weltgeschehen bemerkbar. So verzichtet er konsequent darauf, von einem russischen Angriff auf die Ukraine zu sprechen – stattdessen braucht er Wörter wie «handeln».

Ebenfalls auffällig ist, dass Carlson diverse heikle Themen aussen vor lässt – so etwa die russischen Kriegsverbrechen wie in Butscha, den Tod Jewgeni Prigoschins oder die Inhaftierung Alexei Nawalnys.

Die After-Show-Eindrücke

Mit dem Interview endete Carlsons Beitrag aus Russland aber nicht. Der Moderator veröffentlichte für seine bezahlenden Kundinnen und Kunden einen neunminütigen Clip, in welchem er seine Eindrücke zum Interview teilt – zuerst wenige Minuten nach dem Gespräch noch im Kreml, dann am Abend in seinem Hotelzimmer.

Tucker Carlson
Carlson schildert seine Eindrücke nach dem Gespräch mit Putin.Bild: tucker carlson network

Dabei spricht Carlson von einem zwiespältigen Eindruck, welchen das Interview bei ihm hinterlassen habe. «Ich weiss nicht genau, was ich davon halten soll», so Carlson. Vor allem der Anfang – Putins Monolog – habe ihn im ersten Moment irritiert.

«Putin ist nicht gut darin, seinen Standpunkt zu erklären», kommt Carlson deshalb zum Schluss. Man merke, dass er in einer Welt lebe, in welcher er sich offensichtlich nicht oft rechtfertigen müsse. Und weiter:

«Putin hat seine Ansichten nicht so richtig darlegen können.»

Auch in der Nachbesprechung kann Carlson seine Seitenhiebe in Richtung Westen nicht lassen. Es sei klar, dass Russland keine Expansionsmacht sei, sagt er. Und setzt danach zu einer richtigen Brandrede an:

«All die Lügner und Ideologen im Aussenministerium wollen ihn zu einem Hitler machen.»

Putin sei «sehr verletzt» durch die historischen Abweisungen Russlands von Seiten des Westens. «Seine Augen haben aufgeblitzt, als wir über dies gesprochen haben», so Carlson. Russland sei schon so gross, da müsse man schon «ein Idiot» sein, wenn man meine, der Kreml sei an einer Expansion interessiert. Den Ukraine-Krieg erklärt sich Carlson derweil so: «Sie wollen einfach sichere Grenzen», sagt er. Vielleicht sei man in Russland diesbezüglich «etwas zu paranoid». Aber mehr stecke kaum dahinter.

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231 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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CharlieBrown88
09.02.2024 06:27registriert Juni 2022
Wichtigste Frage: warum ist der Tisch so klein?
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Zum Kommentar
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ingmarbergman
09.02.2024 05:24registriert August 2017
Im Lexikon unter ‚L‘ wie Landesverrat gibt es am Ende Querverweise auf >Carlson, Tucker, >Köppel, Roger etc
30456
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Zum Kommentar
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ELMatador
09.02.2024 06:38registriert Februar 2020
Also Fazit:

1. Trump Anhänger werden zusätzlich bestärkt dass man die Ukraine nicht unterstützt.
2. Trump Anhänger werden bestätig dass Putin ganz ein flotter ist.
3. Carlson macht stellt sich für die Vizepräsidentschaft in Stellung
19733
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