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Rumänien: Calin Georgescu geht in die Stichwahl um die Präsidentschaft

Rechtsextremer Tiktok-Politiker geht in Rumänien in die Stichwahl um Präsidentenamt

04.12.2024, 16:3404.12.2024, 16:37
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Calin Georgescu, the independent candidate for presidency who won the first round of presidential elections, speaks after an interview with the Associated Press in Izvorani, Romania, Wednesday, Dec. 4 ...
Setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen in Rumänien überraschend stark durch: Der Rechtsextremist Calin Georgescu.Bild: keystone

Der prorussische Rechtsextremist Calin Georgescu ist überraschend in die Stichwahl um das Amt des Staatsoberhaupts im Nato-Land Rumänien eingezogen. Der parteilose Populist war mit antiwestlichen Positionen und Kult für die rumänischen Faschisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aufgefallen. Von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien wurde Georgescu weitgehend ignoriert, dafür ist er sehr erfolgreich auf der Online-Plattform Tiktok unterwegs. Im ersten Wahlgang landete er vor der zweitplatzierten Kandidatin Elena Lasconi von der konservativ-liberalen Reformpartei USR. Die Entscheidung zwischen den beiden fällt nun am 8. Dezember – eine Woche nach der Parlamentswahl.

Nach ihrer Niederlage traten die Vorsitzenden der gemeinsam regierenden Parteien PSD (Sozialdemokraten) und PNL (Bürgerliche) von ihren Parteiämtern zurück. Ministerpräsident Marcel Ciolacu (PSD) kam bei der Präsidentenwahl mit 19,15 Prozent auf Platz drei, PNL-Chef Nicolae Ciuca landete mit 8,79 Prozent auf Platz fünf. Medienkommentatoren in Bukarest befürchten nun einen weiteren Erfolg von Rechtsaussen bei der Parlamentswahl, wegen der Führungsunsicherheit bei PSD und PNL.

epa11756298 Save Romania Union (USR) party leader and run-off presidential candidate Elena Lasconi speaks during a press conference following her meeting with Romanian business community leaders ahead ...
Ist auch noch im Rennen um die Präsidentschaft: Die Liberal-Konservative Elena Lasconi.Bild: keystone

Das südosteuropäische Land Rumänien hat rund 19 Millionen Einwohner, gilt als eines der ärmeren Länder der EU und grenzt im Norden an die Ukraine, die sich seit bald drei Jahren einer russischen Invasion erwehrt.

Rechtsextremes Lager bündelt Kräfte für Stichwahl

Am Wahlabend sagte Georgescu auf einer via Facebook übertragenen Pressekonferenz, das rumänische Volk sei «zum Bewusstsein erwacht» und habe seinen Willen bekundet, «nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt» zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. «Heute Abend hat das rumänische Volk ‹Frieden› gerufen», fügte Georgescu hinzu – wohl mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine.

Im ersten Wahlgang erhielt der Extremist 22,94 Prozent der Stimmen und Lasconi 19,18 Prozent. Der Vorsprung Lasconis vor dem Drittplatzierten Ciolacu beträgt nur 2'742 Stimmen. Das teilte das Zentrale Wahlbüro nach Auszählung aller Stimmzettel mit.

Der als Viertplatzierter mit 14 Prozent der Stimmen ausgeschiedene Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Unklar war zunächst, ob Ciolacus Partei zur Wahl von Lasconi aufrufen würde.

Erinnerungen an denkwürdiges Duell werden wach

Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Situation gegeben: Damals standen sich in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und konnten auch dank kräftiger Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.

In Rumänien bestimmt der Präsident die Aussen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident und weniger als das Staatsoberhaupt in Frankreich. Das Abschneiden der Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl dürfte auch die Parlamentswahl am 1. Dezember beeinflussen.

Freund Russlands und der rumänischen Faschisten

Wegen des Vorwurfs der Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen ermittelt die rumänische Staatsanwaltschaft gegen Georgescu, über den Fortschritt dieser Untersuchungen ist laut rumänischen Medien aber nichts bekannt. Ebenso wie die als «Legionäre» bekannten rumänischen Faschisten rühmt Georgescu häufig die orthodoxe Kirche und benutzt Bibelzitate. Er war früher Mitglied der extrem rechten Parlamentspartei AUR, trat aber im Streit aus.

Georgescu warb auf Tiktok für sich – und witterte gegen andere Politikerinnen und Politiker wie die EU-Abgeordnete Diana Sosoaca

@calingeorgescuoficial Diana Sosoaca și Călin Georgescu Vorbim despre afirmațiile doamnei Diana Șoșoacă, care dorește binele românilor, dar se concentrează mai degrabă în direcția de a mă acuza, de diverse lucruri, în loc să explice ce anume face pentru a le aduce binele românilor Reamintim ca cel mai probabil PSD-ul nu a lăsat-o să intre în cursa prezidențială, nu eu, Călin Georgescu. #DianaȘoșoacă #PSD #BineRomâni #CĂLINGEORGESCU #calingeorgescu #fyp #DianaSosoaca #tiktokromania #românia🇷🇴 ♬ sunet original - calingeorgescu

Der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner hatte vor allem auf Tiktok für sich geworben. Kommentatoren in Bukarest meinten am Wahlabend, klassische Medien und etablierte Politiker müssten sich vorwerfen lassen, Georgescus politische Propaganda in sozialen Medien bisher nicht genügend beachtet zu haben. Auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht kommen sehen, selbst Nachwahlbefragungen am Wahlabend liessen das Ergebnis nicht erahnen. (sda/dpa/lyn)

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