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Russland besucht jene, die Nawalny die letzte Ehre erwiesen haben

Video: watson/lucas zollinger

Russland besucht jetzt jene, die Nawalny die letzte Ehre erwiesen haben

Am vergangenen Freitag wurde der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny bestattet. Russland geht nun gegen jene vor, die an der Beerdigung waren.
07.03.2024, 14:3107.03.2024, 15:29
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Alexej Nawalny war einer der lautesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das hat ihn wohl das Leben gekostet, denn Nawalny starb am 16. Februar 2024 in einem russischen Gefangenenlager. Angeblich eines natürlichen Todes nach einem Spaziergang, wie die russischen Behörden behaupten.

Die Abdankungsfeier für Nawalny wurde in einer kleinen Moskauer Kirche für vergangenen Freitag angesetzt sowie die Begräbnisstätte auf einem kleinen Moskauer Friedhof bekannt gegeben. Die Menschen strömten zu Zehntausenden zur Kirche und auf den Friedhof, um Alexej Nawalny die letzte Ehre zu erweisen. «Nawalny, Nawalny, Nawalny!», rief die Menge in Sprechchören.

Relatives and friends pay their last respects at the coffin of Russian opposition leader Alexei Navalny in the Church of the Icon of the Mother of God Soothe My Sorrows, in Moscow, Russia, Friday, Mar ...
Abdankung in der Kirche im engsten Familienkreis. Die Eltern von Alexej Nawalny sitzen neben seinem Sarg.Bild: keystone
A woman lays flowers at the grave of Alexei Navalny a day after his funeral at the Borisovskoye Cemetery, in Moscow, Russia, on Saturday, March 2, 2024. Navalny, who was President Vladimir Putin' ...
Tausende legen Blumen an das Grab von Alexej Nawalny.Bild: keystone

Zahlreiche Regierungskritiker und sogar ausländische Diplomaten standen in der Menschenmasse. Die russischen Sicherheitskräfte hielten sich trotzdem zurück.

Doch jetzt scheint der Wind zu drehen. Russland detektiert per Gesichtserkennung die Menschen, die an der Beerdigung waren – und besucht diese.

Weitere Festnahmen werden wohl folgen

Das unabhängige Newsportal Semafor zitierte Dmitry Anisimov, einen Sprecher der Menschenrechtsorganisation OVD-Info. Dieser erzählt, dass «eine Frau, die bei der Beerdigung ‹Ruhm den Helden› (Herojam Slawa), die traditionelle Antwort auf ‹Ruhm der Ukraine› (Slawa Ukrajini), gerufen hatte, von den Behörden zu Hause aufgesucht und verhaftet wurde».

Ihr wurde eine Geldstrafe auferlegt, sie durfte jedoch am nächsten Tag wieder nach Hause.

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Die Menschenmenge auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof.Bild: keystone

Am Donnerstag wurde bekannt, dass auch die Botschafterin der USA, Lynne Tracy, vom russischen Aussenministerium vorgeladen wurde. Sie war während der Abdankung für Nawalny prominent in der Masse vor der Kirche gefilmt worden. Das Ministerium wirft ihr nun den «Versuch der Einmischung in innere Angelegenheiten» vor, heisst es in einer Mitteilung der russischen diplomatischen Abteilung.

Die russischen Behörden benenne in der Mitteilung die Beerdigung Nawalnys nicht konkret. Dafür werfen sie drei US-Organisationen vor, mit Unterstützung der Botschaft «Programme und Projekte mit antirussischer Ausrichtung» umzusetzen und so «Einflussagenten zu rekrutieren». Sollten sich US-Botschaftsvertreter an Aktionen der Organisationen beteiligen, drohe ihnen die Ausweisung, erklärte das Aussenministerium weiter.

In this photo taken from video released by Russian independent news outlet SOTAvision Telegram channel, U.S. Ambassador to Russia Lynne Tracy, centre, and Western diplomats wait outside the Church of  ...
US-Botschafterin Lynn Tracy prominent in der Menge vor der Kirche, in der Nawalnys Abdankung stattfand.Bild: keystone

Anisimov führt aus, dass es eine bekannte Taktik der russischen Behörden sei, Festnahmen erst nach unliebsamen Veranstaltungen durchzuführen. Mindestens 400 Menschen seien in ganz Russland seit dem Tod von Nawalny festgenommen worden – zum Beispiel, weil sie Blumen an Gedenkstätten niedergelegt hatten. OVD-Info geht davon aus, dass es jetzt nach der Beerdigung noch weitere Menschen treffen werde.

FILE - Police officers detain a man laying flowers to honorAlexei Navalny at a monument to victims of Soviet repression in St. Petersburg, Russia on Friday, Feb. 16, 2024. Over the last decade, Vladim ...
Drei russische Polizisten verhaften diesen Mann. Sein Verbrechen: Er hat Blumen in St.Petersburg niedergelegt in Gedenken an Nawalny, 16. Februar 2024.Bild: keystone

Big Brother is watching you

Gesucht und gefunden würden diese Menschen wohl mittels Gesichtserkennung – und so dann «bis zu ihrer Haustüre» verfolgt, meint OVD-Info. Dazu seien bereits Tage vor der Beerdigung Kameras um die Kirche und den Friedhof installiert worden.

Die Verhaftungen wären somit der jüngste Beweis für die wachsende Abhängigkeit des Kremls von Überwachungstechnologie, um die Repression gegen Kreml-Kritiker aufrechtzuerhalten. So ergab eine Recherche von Reuters vom März 2023, dass Gesichtserkennungs- und Überwachungskameras bei der Festnahme Hunderter Demonstranten eine Rolle gespielt hätten – alleine seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine.

Dabei wurden die Hunderttausenden Überwachungskameras in Moskau ursprünglich als Möglichkeit angepriesen, Kriminelle zu fangen und die öffentliche Sicherheit zu verbessern. (yam)

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146 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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banda69
07.03.2024 14:36registriert Januar 2020
Soviel zur Rede- und Meinungsfreiheit in Russland, gällend liebe Putinversteher von der ach so freiheitsliebenden SVP.
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tychi
07.03.2024 14:43registriert Juli 2016
Was meinen unsere notorischen Putin-Versteher dazu?
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Etzsegiglichöpis
07.03.2024 14:38registriert September 2020
Omg, 1984 von Orwell wird oder ist Realität, zumindest in Russland. Trump und Konsorten wird dies wahrscheinlich auch anstreben, hoffentlich merken das genug Leute bevor es zu spät ist...
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