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Russland

Putin liess sich wieder vor TV-Kameras blicken

Video: watson/kreml

Putin, ein Covid-Hypochonder? Gestern sah das anders aus

Gerüchte über den Gesundheitszustand von Russlands Präsidenten Wladimir Putin gibt es viele. Am Freitag zeigte er sich aber alles andere als hypochondrisch.
11.06.2022, 12:5111.06.2022, 13:16

Seit Kriegsbeginn häufen sich Berichte über angebliche «Geheimdienstinformationen» über den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Häufig kamen sie aus der britischen Boulevardpresse, deren Schlagzeilen von Woche zu Woche dramatischer wurden: Ende Mai hiess es, Putin sei möglicherweise schon tot. Erst kürzlich war bei der «Sun» zu lesen: «Vlad, the Weak» – Wladimir, der Schwächling – brauche «dringende medizinische Hilfe».

Solche Gerüchte haben gewiss nichts mit journalistischen Standards zu tun. Sie lassen sich weder bestätigen, noch stützen sie sich auf überprüfbaren Fakten ab. Ein wenig anders verhält es sich mit den Spekulationen, die sich auf Indizien stützen: So gab der Kremlsprecher Dmitri Peskow bekannt, dass Putins stundenlange Fernseh-Audienz verschoben wird. Sie fand – mit einer Ausnahme während des Pandemiejahrs 2020 – immer Mitte Juni statt und war in Russland immer ein grosses Fernsehspektakel.

Peskow begründete die Verschiebung nicht, die angeblichen «Insiderinformationen» aus dem Kreml zum Gesundheitszustand von Putin wären aber eine passende Erklärung. Sie würden zudem erklären, wieso sich Putins äussere Erscheinung seit Kriegsbeginn deutlich verschlechtert hat: Sein Gesicht wirkt aufgedunsen, und er begegnete im Frühjahr ausländischen Staatschefs nur aus grosser Distanz (man erinnert sich an die langen Tische).

Handschlag, Umarmung und viele Claqueure

Kurz nach Bekanntwerden der Audienz-Verschiebung zeigte sich Putin aber von einer anderen Seite: Gestern Freitag traf der russische Präsident seinen turkmenischen Amtskollegen Serdar Berdimuhamedow. Der russische Staatssender Rossija 1 berichtete um 20 Uhr in der Primetime-Nachrichtensendung «Vesti» darüber. Es wurden Bilder gezeigt, die offenbar die Gerüchte um seinen Gesundheitszustand widerlegen sollten.

Video: watson/kreml

Was war da zu sehen? Einerseits wurde erklärt, warum Putin überhaupt Berdimuhamedow in den Kreml einlud: Es wurden diplomatische Gepflogenheiten ausgetauscht, Partnerschaften angekündigt und lobende Floskeln ausgesprochen. Gezeigt wurden aber auch Bilder, wie sich die beiden Herren die Hand geben, umarmen und danach mehr als eine Viertelstunde vor laufender Kamera unterhalten. Lange Tische gab es also keine, die vor Wochen noch als Indizien für eine angebliche Covid-Hypochondrie Putins angesehen wurden.

Dafür gab es im Publikum reichlich Claqueure – also Leute, die auf Kommando applaudieren: Auf der rechten Seite sassen fünf Herren im Anzug, welche die ganzen zwanzig Minuten lang Notizen machten. Ein vom Kreml veröffentlichtes Video zeigte diese Gäste mehr als 20-mal, wobei sich die Person an der Kamera kreativ zeigte: Einmal gab es einen Schwenker von links nach rechts, dann eine Totale des ganzen Publikums und eine Fokusaufnahme einer schreibenden Hand.

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Zu welcher Seite sie gehörten, liess sich nicht herausfinden. Das Kreml-Video zeigte nur, dass sie eher Diplomaten als Medienschaffende sind: Am Ende der Pressekonferenz gehörten sie zu den ersten, die applaudierten. Ebenso wenig war darüber zu erfahren, was diese fünf Herren die gesamte Zeit protokollierten und wieso sie so wichtig waren, dass sie mehrmals beim Notizenmachen gefilmt wurden: Die Abschrift der Pressekonferenz war kurz danach vom Kreml selbst veröffentlicht worden.

Video: watson/kreml

(pit)

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43 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roger Mitg
11.06.2022 13:22registriert November 2021
Es sind ja nicht nur die fünf Herren in der ersten Reihe, die irgendetwas schreiben, sondern auch die Leute in der 2. und 3. Reihe.

Das wirkt schon grotestk. Keiner hält mal einen Moment inne, keiner schaut mal nach vorne oder zur Seite.

Vielleicht sind das Teilnehmer eines Stenographiekurses?
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kleine_lesebrille
11.06.2022 13:08registriert Mai 2022
Unwichtiger russischer Propaganda-Event. Das ist nur Ablenkung.

Zeitgleich passieren schlimmste Dinge in der Ukraine - begangen durch russische Soldaten und sonstiges Gesindel, das für Russlands Völkerrechtsverstösse ‚kämpft‘.
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Lowend
11.06.2022 13:13registriert Februar 2014
Letzthin habe ich mit einer serbischen Pflegefachfrau über die Gesundheit des Paten gesprochen und sie lachte nur und fragte, welchen der vielen ich meine? Jeder Diktator, der länger leben will, habe doch seine Doubles.

Ich traue daher diesen Bildern so ziemlich gar nicht, denn wer weiss wirklich, ob wir bei dieser Freak-Show den echten Terrorpaten sehen?
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