Russland erlebt mitten in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine die schärfsten Gegenattacken seit Monaten – dieses Mal in der russischen Grenzregion Kursk.
Am Dienstag hatten ukrainische Truppen unterstützt von Panzern und Artillerie die russische Grenze vom Gebiet Sumy aus bei Sudscha überschritten und Berichten zufolge mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht. Nach russischen Angaben sind gut 1000 ukrainische Soldaten an der Operation beteiligt.
Am Mittwoch hat das russische Verteidigungsministerium die Kämpfe bestätigt. Wladimir Putin sprach von einer «schweren Provokation».
Während Kiew die Situation im Gebiet nicht weiter kommentiert, überschlagen sich die Ereignisse in Russland. Alles, was du dazu wissen willst.
Deutsche Panzer des Typs Marder wurden in der Kursk-Offensive vom ukrainischen Militär eingesetzt. Die Schützenpanzer wurden von russischen Kamikazedrohnen attackiert.
Drei deutsche Marder im Dienste der ukrainischen Armee bei der Offensive in Kursk, im Westen Russlands.
— Julian Röpcke🇺🇦 (@JulianRoepcke) August 8, 2024
Leider erneut ohne adäquate Flugabwehr und somit nach nur vier Kilometern Opfer russischer Kamikaze-Drohnen … pic.twitter.com/Z8VlxQ5omC
Auf Telegram teilt der geschäftsführende Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, mit, dass für das Gebiet der Ausnahmezustand verhängt worden ist. «Die Region Kursk ist weiterhin mit einer schwierigen operativen Situation in den Grenzgebieten konfrontiert», sagt Smirnow. Er leite einen Operationsstab, der rund um die Uhr arbeite.
Angaben des russischen Gesundheitsministeriums zufolge wurden durch ukrainischen Beschuss im Kursker Gebiet über 30 Menschen verletzt. Davon seien mindestens 19 zur Behandlung in Krankenhäuser eingeliefert worden. Unter den Verletzten ist auch der bekannteste Kriegskorrespondent des russischen Fernsehens, Jewgeni Poddubnyj. Das Staatsfernsehen meldete, er werde in einem örtlichen Krankenhaus behandelt. Medienberichten zufolge erlitt er infolge eines Drohnenangriffs starke Verbrennungen. Ein auf ukrainischen Kanälen verbreitetes Video zeigte zudem angeblich im Gebiet Kursk rund 20 gefangen genommene russische Grenzsoldaten. Unabhängig bestätigen liessen sich die Aufnahmen nicht.
Die russische Nationalgarde hat den Schutz für das Atomkraftwerk Kursk, das vier Blöcke und eine Leistung von fast zwei Gigawatt hat und sich nur gut 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt befindet, verstärkt. Ausserdem seien zusätzliche Kräfte für die Bekämpfung von Sabotage- und Aufklärungstrupps in den Gebieten Kursk und Belgorod herangezogen worden, teilte die Behörde mit. Das geschehe in Kooperation mit den russischen Grenztruppen und der Armee.
Der russische Gasexport durch Kursk läuft nach Angaben des Konzerns Gazprom weitgehend normal. Am Donnerstag werde mit der Durchleitung von etwa 37,3 Millionen Kubikmeter Erdgas gerechnet, teilte das Unternehmen in Moskau mit.
Dies seien fünf Prozent weniger als am Vortag, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass nach diesen Angaben. Ukrainische Truppen haben bei ihrem Vorstoss über die Grenze die Stadt Sudscha mindestens teilweise unter Kontrolle gebracht und damit wohl auch eine Messstation der wichtigen Gaspipeline Richtung Westeuropa.
Von dort führt der Transit durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. 2023 wurden auf diesem Wege trotz des laufenden Krieges 14,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Europäische Union transportiert.
Die Behörden in Kiew kommentierten die Situation im Gebiet Kursk nicht weiter. In seiner Abendansprache erwähnte Präsident Wolodymyr Selenskyj lediglich eine Beratung mit Armeeoberbefehlshaber Olexander Syrskyj. «Details folgen später», sagte der Staatschef. Zudem habe er mit Verteidigungsminister Rustem Umjerow den Ausbau des ukrainischen Raketenprogramms besprochen.
Selenskyj erwähnt darüber hinaus, dass er mit Regierungsmitgliedern über das bereits seit langem diskutierte Smartphoneprogramm «Army+» gesprochen habe, mit dem künftig Berichte von Kommandeuren gleich digital erfasst werden sollen. «Das wird eindeutig die tagtäglichen Aufgaben der Kommandeure erleichtern», unterstrich der Präsident. Später werde dies auch für jeden Soldaten zugänglich gemacht.
Der ukrainische Generalstab informierte wiederum über starken russischen Gleitbombeneinsatz im grenznahen Bereich des an Kursk grenzenden Gebiets Sumy. Es seien allein dort etwa 30 Gleitbomben abgeworfen worden. Zudem wurden demnach ein halbes Dutzend Orte durch russische Artillerie beschossen.
Das russische Verteidigungsministerium zeigte am Abend ein Video vom Einsatz einer Kurzstreckenrakete des Typs «Iskander-M». Der Raketenangriff mit einem Streubombensprengkopf habe einer ukrainischen Truppenkonzentration unweit der russischen Grenze im Gebiet Sumy gegolten. Auch diese Angaben waren nicht überprüfbar.
Gemäss dem US-Magazin «Newsweek» soll die Ukraine nicht nur in der Region Kursk vorgestossen sein, sondern auch auf der Tendra-Nehrung, eine rund 65 Kilometer lange und fast zwei Kilometer breite Insel in der Region Cherson, einen Vorstoss vollzogen haben. Gemäss dem Bericht habe das ukrainische Militär russische Soldaten getötet und deren Ausrüstung zerstört. Ein ehemaliger Berater des ukrainisches Innenministeriums, Anton Gerashchenko teilt auf «X» ein Video, dass den Angriff zeigen soll.
Ukrainian Defense Intelligence reports an operation in the northern part of the Black Sea:
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) August 7, 2024
On August 6, 2024, special forces of the Artan active operations unit and the Maritime Center of the Ministry of Defense of Ukraine landed on Tendrivska Kosa and destroyed Russian armored… pic.twitter.com/RQpMdywYKZ
Auf «Telegram» zeigen sich die Blogger erbost, es wird von einem Versagen des Militärs gesprochen. «Die Region Kursk lebte, wie Moskau, ohne darüber nachzudenken, dass der Feind in der Nähe nicht am Schlafen ist», heisst es dort.
Sie werfen der russischen Regierung Untätigkeit vor: «Wir wussten, dass die ukrainischen Streitkräfte einen Angriff auf Kursk planen. Wir wussten, sie bringen sich in Stellung. Es wurde rapportiert, aber die da oben haben nichts unternommen», heisst es in einem weiteren «Telegram»-Beitrag. Die Militärblogger kritisierten auch, dass Putin mit seiner Bewertung, es handele sich um eine Provokation, oder die Einstufung als Terroranschlag, den Ernst der Lage herunterspiele. Sie forderten einen harten und entschlossenen Gegenschlag.
Experten glauben, dass der ukrainische Vorstoss dazu dienen könnte, die russischen Truppen von Angriffen in dem Krieg gegen das Nachbarland abzulenken. Militärbeobachter gehen davon aus, dass die Ukraine mit den Attacken versucht, russische Truppen in ihrem Vormarsch zu stoppen. Die russischen Streitkräfte hatten zuletzt ein Gebiet von der Grösse des Bundeslands Bremen nach eigenen Angaben in der Ukraine eingenommen. Die ukrainischen Truppen mussten zurückweichen. Sie sind seit Monaten in der Defensive.
Das ukrainische Militär erwartet unterdessen eine Intensivierung der Kämpfe im ostukrainischen Gebiet Charkiw. «Der Gegner setzt Artillerie, Mörser und Mehrfachraketenwerfer ein, was von der Absicht des Feindes zeugen kann, aktive Sturmhandlungen zu beginnen», teilte die in dem Gebiet aktive ukrainische Armeegruppierung bei Telegram mit. Besonders betreffe das die Region um die seit Mai umkämpfte grenznahe Stadt Wowtschansk.
Auch im Gebiet Donezk wurde von weiterhin starken Kämpfen vor allem um die Stadt Torezk und die Ortschaft Nju-Jork berichtet. Ein von ukrainischen Militärbeobachtern registrierter ukrainischer Rückzug östlich von Nju-Jork wurde bisher nicht offiziell bestätigt. (sda/dpa/ome)
Wagenknecht? Köppel? Wo sind eure "Friedensstimmen"?
Haben Köppel und Wagenknecht sich schon für eine friedliche Lösung ausgesprochen?
Und danach steht ... nichts. 😅