Vertreter Kiews haben den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung kurz nach dem Terroranschlag zurückgewiesen. «Die Ukraine steht in absolut keiner Beziehung zu den Vorgängen», betonte Mychajlo Podoljak, Berater von Präsidentenbürochef Andrij Jermak, in einer Videobotschaft bei Telegram am Freitag.
Sein Land stehe mit Russland und der russischen Armee in einem Krieg und werde diese mit «entschiedenen Offensivhandlungen» zerschlagen. Gleichzeitig hob er hervor:
Für eine Beteiligung russischer Sicherheitskräfte an solchen Aktionen gebe es hingegen Präzedenzfälle in der jüngeren Vergangenheit, sagte er. Es seien schon ähnliche Terrorakte gegen eigene Bürger als Rechtfertigung für das Vorgehen gegen andere ethnische Gruppen im Land genutzt worden. Podoljak spielte damit auf Sprengstoffanschläge gegen Moskauer Hochhäuser im Sommer 1999 an, die der damalige Regierungschef Wladimir Putin als Begründung für den Zweiten Tschetschenienkrieg verwendete. Bis heute gibt es Spekulationen über eine Beteiligung des Inlandsgeheimdienstes FSB an den Explosionen.
Der ukrainische Militärgeheimdienst lastete den Anschlag ebenso russischen Geheimdiensten an. «Letztendlich begann Diktator Putin so seinen politischen Weg und mit genau diesen Sachen versucht er diesen zu beenden», sagte der Vertreter des Militärgeheimdienstes, Andrij Jussow, dem Onlineportal NV. Die auf ukrainischer Seite kämpfende Einheit russischer Paramilitärs «Legion Freiheit Russlands» machte ebenfalls den Kreml für den Anschlag in der Crocus City Hall verantwortlich.
Podoljak und Jussow verwiesen zudem auf Warnungen westlicher Botschaften. «Die Vorbereitung dieser Spezialoperation, dieser Terroranschläge von Seiten der russischen Geheimdienste ist für niemanden auf der Welt ein Geheimnis», behauptete Jussow.
Die USA hatten in einer ersten Reaktion gemahnt, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne bisher nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Das US-Aussenministerium empfahl amerikanischen Staatsbürgern vor Ort, grosse Menschenansammlungen zu meiden.
Auf diese Äusserung aus Washington reagierte die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Marija Sacharowa, empört. Es sei vorschnell von den USA, die Ukraine zu entlasten, sagte sie im russischen Fernsehen. «Wenn die USA oder ein anderes Land verlässliche Fakten hat, sollten sie diese der russischen Seite zukommen lassen.» Wenn es solche Fakten nicht gebe, hätten weder das Weisse Haus noch sonst jemand das Recht, vorab eine Absolution zu erteilen, sagte Sacharowa.
Mittlerweile gibt es ein Bekennerschreiben vom «Islamischen Staat» (IS). Experten halten dieses für echt.
Das Schweizer Aussendepartement hat bestürzt auf den mutmasslichen Terroranschlag reagiert. Die Schweiz sei «entsetzt» über den Anschlag, der so viele Opfer gefordert habe, hiess es in einer Stellungnahme im Kurznachrichtendienst X rund drei Stunden nach Bekanntwerden der Tat.
#Moskau | Die #Schweiz ist entsetzt über den Anschlag, der viele Opfer gefordert hat und spricht den Angehörigen ihr tief empfundenes Beileid aus.
— EDA - DFAE (@EDA_DFAE) March 22, 2024
Das EDA verfolgt die weitere Entwicklung aufmerksam.
Die Schweiz spreche den Familien ihr tief empfundenes Beileid aus, hiess es in der Mitteilung.
Dem EDA würden derzeit keine Informationen über Schweizer Opfer vorliegen, hiess es am Samstag auf Anfrage von Keystone-SDA. Die Schweizer Vertretung in Moskau stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden.
Die Europäische Union hat ebenfalls bestürzt auf den Anschlag bei Moskau reagiert. Sie sei angesichts der Berichte über einen Terroranschlag schockiert und entsetzt, teilte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell am Freitagabend auf der Plattform X (früher Twitter) mit. «Die EU verurteilt jegliche Angriffe gegen Zivilisten. Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.»
UN-Generalsekretär António Guterres und der UN-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag ebenfalls.
Auch die NATO hat bestürzt auf den Anschlag bei Moskau reagiert. «Wir verurteilen die Anschläge auf Konzertbesucher in Moskau auf das Schärfste. Nichts kann solche abscheulichen Verbrechen rechtfertigen», erklärte eine Sprecherin am Samstag. «Unser tiefes Beileid gilt den Opfern und ihren Familien.»
Das Auswärtige Amt in Deutschland schrieb auf X von einem «furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen». Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden. «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer», hiess es weiter.
Die in Afghanistan herrschenden Taliban haben den Anschlag scharf verurteilt. Es sei eine «koordinierte, klare und entschlossene Haltung» der Länder in der Region gegen Terror erforderlich, schrieb der Sprecher des Taliban-Aussenministeriums, Abdul Kahar Balchi, am Samstag auf der Plattform X.
Der IS, der den Anschlag für sich reklamiert hatte, ist mit einem regionalen Ableger auch im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan aktiv. Die Terrorgruppe steht im Konflikt mit den islamistischen Taliban, die bei ihrer erneuten Machtübernahme vor zweieinhalb Jahren Sicherheit versprochen hatten. In einem Abkommen mit den USA hatten sich die Taliban verpflichtet, dass keine Terrorgefahr mehr von afghanischem Boden ausgehe.
Balchi bezeichnete den IS als eine Gruppe «in den Händen von Geheimdiensten, die darauf abzielt, den Islam zu diffamieren». Erst am Donnerstag hatte die Terrormiliz einen Anschlag in der südafghanischen Stadt Kandahar für sich reklamiert. Die Stadt gilt mit dem Wohnsitz des Taliban-Führers Hibatullah Achundsada als religiöses und politisches Machtzentrum.
Die Taliban hatten im August 2021 nach fast 20 Jahren westlicher Militärpräsenz wieder die Macht ergriffen. Nach den Al-Kaida-Anschlägen vom 11. September hatte 2001 eine US-geführte Militärinvasion die Taliban in Afghanistan gestürzt. Die damalige Führung hatte der Terrorgruppe und dem Drahtzieher der Anschläge, Osama bin Laden, Unterschlupf gewährt.
Bin Ladens Nachfolger, Aiman al-Zawahiri, wurde im Sommer 2022 bei einem gezielten US-Drohnenangriff in der afghanischen Hauptstadt Kabul getötet. Al-Kaidas Präsenz, die laut jüngsten Berichten des UN-Sicherheitsrats fortbesteht, aber vor allem die Aktivitäten des IS schüren Sorgen vor einer neuen Terrorgefahr aus Afghanistan.
Grossbritanniens Aussenminister David Cameron hat den tödlichen Anschlag auf eine Konzerthalle nahe Moskau verurteilt und den betroffenen Familien sein Beileid ausgesprochen. «Das Vereinigte Königreich verurteilt den tödlichen Terrorangriff auf die Crocus City Hall nahe Moskau aufs Schärfste», teilte Cameron am Samstagmorgen auf der Plattform X (früher Twitter) mit. Die Familien der vielen Opfer hätten sein tiefstes Mitgefühl. «Nichts kann jemals solch schreckliche Gewalt rechtfertigen.»
The UK condemns in the strongest terms the deadly terrorist attack at the Crocus City Hall near Moscow.
— David Cameron (@David_Cameron) March 23, 2024
We offer our heartfelt condolences and express our deepest sympathy to the families of the many victims.
Nothing can ever justify such horrific violence.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat mit Bestürzung auf den tödlichen Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau reagiert. Frankreich verurteile den Terroranschlag aufs Schärfste, schrieb er am Samstag auf der Plattform X (früher Twitter). Macron bekundete seine Solidarität «mit den Familien der Opfer, den Verletzten und dem russischen Volk.»
(lak/sda/dpa)
Das haben die USA ja vor dem Anschlag gemacht, aber Putin hat das ja als böswilligen Erpressungsversuch abgelehnt, der nur die russische Gesellschaft destabilisieren soll. Irgendwie lebt die russische Führung in einer Gaga-Welt. In einem Moment sind sie in der Spezialoperation, im anderen im Krieg mit dem kollektiven Westen und gleich darauf haben sie den Anspruch, dass sie wie ein normaler Drittstaat behandelt werden, der gerade keinen Krieg gegen die Ukraine führt.