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Kreml-Medium nimmt Glosse ernst – und macht sie zur Putin-Propaganda

epa11034468 Russian President Vladimir Putin visits the Russia Expo international exhibition and forum at the VDNKh exhibition centre as he attends the United Russia party congress in Moscow, Russia,  ...
«Geopolitischer Sieger des Jahres»: Wladimir Putin.Bild: keystone

Kreml-Medium nimmt Glosse ernst – und macht sie zur Putin-Propaganda

21.12.2023, 21:5921.12.2023, 21:59
Rebecca Sawicki / watson.de
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Die russischen Propagandamühlen mahlen besonders fein. Regelmässig werden in den TV-Shows der Star-Propagandisten Fake News über den mal bösartigen, mal verelendeten Westen erzählt.

Mal wird über einen Atomkrieg diskutiert, und darüber, wie Russland die neue Welt nach einem solchen Krieg gestalten könnte. Mal wird behauptet, die Menschen in Grossbritannien müssten Eichhörnchen essen, weil sie wegen der Sanktionen gegen Russland keine Lebensmittel mehr haben. Oder über die Deutschen, denen wegen der Sanktionen und der Energiekrise nahegelegt wird, nicht mehr zu duschen – weshalb eine Floh-Epidemie droht. Die Geschichten der Propaganda-Maschinerie sind haarsträubend.

Auch über den Ukraine-Krieg hat Russland eine ganz eigene Erzählung. Statt der grossen Verluste, die Russland erleidet und den geringen Gebietsgewinnen, ist es eine Geschichte des Erfolgs und der Helden. Nun nutzt die russische Nachrichtenagentur Tass sogar eine humoristisch-satirische Glosse, um die Macht Putins in der Welt zu unterstreichen.

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Putin als «geopolitischer Sieger des Jahres»

Konkret geht es um einen Preis, den ein «renommiertes westliches Medium» an Putin verliehen hat. Es handelt sich dabei um das «Wallstreet Journal», das Wladimir Putin zum «geopolitischen Sieger des Jahres» gekürt hat.

Wie die «Frankfurter Rundschau» (FR) berichtet, suggeriert die russische Nachrichtenagentur allerdings, dass es sich bei dem Text sehr wohl um eine ernstgemeinte Aufzählung der «Gewinner des Jahres» handelt, wie es zum Ende des Jahres üblich ist. Der Autor der Glosse, der in dem Text darstellt, dass die Aufgabe des Kolumnisten auch die Übertreibung ist, kürt im Übrigen nicht nur Putin, sondern etwa auch die US-Wirtschaft mit ihrem Verbraucherpreisschock zur «Volkswirtschaft des Jahres».

Der Nachrichtenagentur ist Humor offenbar nicht so wichtig. Stattdessen stellt sich Tass eine Lobpreisung aus einzelnen Sätzen zusammen. Denn begründet sei der Titel laut «FR» mit Kiews festgefahrener Gegenoffensive, der russischen Wirtschaft, die den Sanktionen bislang standhält, den fehlenden Lösungen Europas und der weg bröckelnden Unterstützung der USA.

Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy poses for a photo after his interview with The Associated Press in Kharkiv, Ukraine, Thursday, Nov. 30, 2023. (AP Photo/Felipe Dana)
Seit bald drei Jahren verteidigt sich die Ukraine unter Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen Russland.Bild: keystone

In der Glosse stehe der Satz zwar wirklich, allerdings komme es laut der Zeitung hierbei auf den Kontext an. Denn direkt nach der Verkündung, dass Putin der «geopolitische Sieger des Jahres» sei, folgt in der Laudatio:

«Obwohl sein Krieg gegen die Ukraine weiterhin grossen Schaden für Russland anrichtet, während unschuldige Ukrainer abgeschlachtet werden, wirkt seine Position unermesslich viel stärker als noch vor einem Jahr.»

Wirklich staatstragend klingt das nicht. Tatsächlich lässt sich der Krieg in der Ukraine wohl als festgefahren beschreiben. Zwar habe Russland laut der Ukraine mit der aktuellen Bodenoffensive Landgewinne gemacht, grosse Geländegewinne kann allerdings keine der beiden Parteien verzeichnen. Stattdessen handelt es sich vielerorts um einen Stellungskrieg, die Bedingungen in den Schützengräben sind schlecht, Krankheiten machen die Runde. Auf beiden Seiten sterben zudem viele Soldaten, während die Rekrutierung neuer Kämpferinnen und Kämpfer zunehmend schwierig wird.

Zum «geopolitischen Verlierer» ernennt der Kolumnist den früheren Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der im Sommer bei einem Flugzeugabsturz gestorben ist. Prigoschin, der als enger Vertrauter Putins galt, habe aus Sicht des Kolumnisten das Rezept vermasselt. Grund dafür: Die mutmasslich geplante Meuterei der Wagner-Söldner, die allerdings stoppte, ehe sie richtig begonnen hat. Prigoschin wurde deshalb «zu Toast», zitiert die «FR» aus der Glosse. Diesen Preis verschweigt die Nachrichtenagentur Tass in ihrer Putin-Hymne allerdings.

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
21.12.2023 22:59registriert Juni 2016
Nachdem man Hitler erlaubt hat, einen Weltkrieg zu starten, lassen wir das nun Putin wieder zu? Haben wir nichts gelernt? Solche Wahnsinnigen, die mit einem Nuklearkrieg drohen, müssen gestoppt werden. Jeder Mensch hat Schwachstellen. Findet Putins Schwachstellen und setzt ihm ein Ende, solange es noch möglich ist. Er hat bereits Hunderttausende von Toten auf seinem Gewissen. Wir müssen seine Drohungen ernst nehmen, bevor es Millionen werden.
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Juliet Bravo
21.12.2023 23:31registriert November 2016
Die russischen Propagandisten wissen natürlich sehr wohl, dass es sich um eine Glosse handelt. Da nehmen sie dann einen satirisch gemeinten Satz raus und können ihn als Frankfurter Rundschau zitieren.
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