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Russland

Russische Abgeordnete wollen Putin wegen Hochverrats anklagen

Russian President Vladimir Putin attends a Security Council meeting via videoconference in Moscow, Russia, Friday, Sept. 9, 2022. (Gavriil Grigorov, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
Der russische Diktator hat nicht alle Kritiker zum Schweigen gebracht.Bild: keystone

Russische Abgeordnete wollen Putin wegen Hochverrats anklagen

Im Moskauer Stadtbezirks Lomonossow fordern gewählte Parlamentarier den Rücktritt Putins. In St. Petersburg wird sogar appelliert, ihn wegen Hochverrats anzuklagen.
10.09.2022, 21:15
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Ein Artikel von
t-online

In Russland ist der Widerstand gegen Kremlchef Wladimir Putin noch nicht gebrochen. Der Abgeordnetenrat des Moskauer Stadtbezirks Lomonossow hat den russischen Präsidenten am Donnerstag zum Rücktritt aufgefordert, berichtet die russische Webseite «The Insider».

In einem Beschluss heisst es, seit Putins zweiter Amtszeit sei «alles schief gelaufen». Das Bruttoinlandsprodukt habe sich nicht verdoppelt, der Mindestlohn sei nicht wie erwartet gestiegen, «intelligente und fleissige Menschen» würden Russland massenhaft verlassen, und die versprochene Stabilität sei nicht vorhanden.

«The Insider» zitiert aus einem Dokument des Abgeordnetenrates:

«Die Rhetorik, die Sie und Ihre Untergebenen seit Langem verwenden, ist von Intoleranz und Aggression durchdrungen, was unser Land letztendlich in die Zeit des Kalten Krieges zurückversetzt hat. Russland wird erneut gefürchtet und gehasst, und wir bedrohen die Welt erneut mit Atomwaffen.»

Diese Politiker sehen sogar Hochverrat

Eine kleine Gruppe von Abgeordneten in St. Petersburg geht sogar noch weiter. Die Politiker aus dem Bezirk Smolninskoje appellierten am Mittwoch an die Duma (dem russischen Parlament), den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Hochverrats anzuklagen.

Öffentlich gemacht hat den Vorgang der Abgeordnete Dmitri Paljuga, der auf Twitter das Dokument mit dem Beschluss des Stadtrates veröffentlichte. Paljuga schreibt:

«Der Rat des Stadtbezirks Smolninskoje beschloss, sich an die Abgeordneten der Staatsduma mit dem Vorschlag zu wenden, Präsident Putin wegen Hochverrats anzuklagen, um ihn seines Amtes zu entheben. Die Entscheidung wurde von der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten unterstützt.»

Ihrer Meinung nach führte die Entscheidung, einen Krieg mit der Ukraine zu beginnen, «zum Tod von russischen arbeitsfähigen Bürgern, Problemen in der russischen Wirtschaft, der Militarisierung der Ukraine und der Erweiterung der NATO nach Osten», was «die Sicherheit von Russland und seinen Bürgern beeinträchtigt».

Polizei ermittelte – gegen die Initiatoren

Die Initiative brachte nicht die russischen Duma-Abgeordneten, sondern die Polizei auf den Plan. Diese ermittelte – allerdings gegen die Initiatoren, wie das russische Webmagazin «Mediazona» berichtet. Die Unterzeichner des Appells seien vorgeladen worden, man werfe ihnen Diskreditierung der Armee vor. Der Abgeordnete Nikita Yuferev gab dies auch auf Twitter bekannt.

Neben Yuferev selbst eröffnete die Stadtpolizeibehörde Verfahren gegen die Abgeordneten Dmitry Baltrukov, Dmitry Palyuga, Ivan Chebotar und Anna Kiselyova. Zwei weitere wurden ohne Verhör von der Polizei entlassen. Mittlerweile sind alle wieder auf freiem Fuss, bestätigte Yuferev.

Die Kritik der Unterzeichner richtet sich auch gegen den Vorwand Moskaus, die Ukraine demilitarisieren zu wollen. «Tatsächlich erhielt die Ukraine eine moderne militärische Ausrüstung und Gelder in Höhe von 38 Milliarden US-Dollar», schreiben die Abgeordneten.

«Im Rahmen seiner eigenen Rhetorik schadet Putin der Sicherheit der Russischen Föderation», erklärte Lokalpolitiker Paljuga gegenüber der russischen Plattform «The Insider» die Motive hinter dem Appell.

«Wir wollen den Menschen zeigen, dass es Abgeordnete gibt, die mit dem aktuellen Kurs nicht einverstanden sind und glauben, dass Putin Russland schadet. Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir keine Angst haben, darüber zu sprechen.»

Quellen

(t-online)

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117 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JBV
10.09.2022 21:51registriert September 2021
Am 23.03.1933 sagte der damalige SPD-Vorsitzende Otto Wels im Deutsche Reichstag:

„Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Diese russischen Politiker handeln ehrenhaft.
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Haarspalter
10.09.2022 21:47registriert Oktober 2020
Wenn Putins Plan ebenso ausgeklügelt ist wie es jener von Saddam, Ceausescu oder Gadaffi war, dann ist das Szenario des Hochverrats (mit Folgen) gar nicht mal so unwahrscheinlich.

Geschichte(n) wiederholen sich.
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banda69
10.09.2022 22:41registriert Januar 2020
Und die von der SVP so.
Recherche enttarnt Pseudo-Journalisten, die im Auftrag Putins gegen den Westen hetzen \n... 🤷
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