Nach Monaten in russischer Gefangenschaft ist die ukrainische Sanitäterin Yuliia Paievska letzte Woche freigelassen worden. Dies gab der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, höchstpersönlich bekannt. «Ich bin allen dankbar, die sich für dieses Ergebnis eingesetzt haben», so Selenskyj.
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Paievska meldete sich in einer Videobotschaft am Sonntag ebenfalls zu Wort und bedankte sich bei Selenskyj. «Ich glaubte immer daran, dass es so kommen wird», so die Ärztin. Zudem machte sie den anderen Gefangenen Hoffnung, dass auch sie eines Tages freikommen könnten.
Ukrainian paramedic Yuliia Paievska has thanked President Zelenskyy following her release from Russian captivity. Her bodycam footage revealed the horrors inside Mariupol.
— Sky News (@SkyNews) June 20, 2022
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Die Freilassung Paievska sorgte nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit für Schlagzeilen. Denn sie hatte für seltene Einblicke in den Krieg in der Ukraine gesorgt – unter anderem dank Netflix und dem britischen Prinzen Harry.
Paievska machte sich in der Ukraine schon vor Jahren bei den Konflikten mit Russland einen Namen. 2013 leistete sie als Freiwillige Hilfe bei den Euromaidan-Protesten. Später reiste sie in den Donbass, wo es zu Konflikten zwischen Separatisten und dem ukrainischen Militär gekommen war.
Vor Ort gründete Paievska ihre eigene Sanitäter-Gruppe mit dem Namen «Tairas Engel» – Taira in Anlehnung an ihren Nickname im Computerspiel World of Warcraft, das sie gerne spielte. Paievska bildete so weitere Sanitäter aus und brachte medizinischem Personal das Verhalten an der Front bei. 2019 reisten sie und ihre Gruppe nach Mariupol, wo sie ihre Arbeit fortsetzten.
Für ihren Einsatz an der Front wurde Paievska auch international gewürdigt. So wurde sie zu den Invictus Games eingeladen, eine Sportveranstaltung der britischen Royal Foundation, bei welcher Kriegsveteranen aus verschiedenen Ländern in diversen Sportarten gegeneinander eintreten. Paievska reiste an, um beim Bogenschiessen und Schwimmen anzutreten – und kam dabei mit dem britischen Prinzen Harry ins Gespräch.
Dieser zeigte sich ebenfalls beeindruckt von Paievskas Geschichte und bat sie darum, Teil einer Video-Dokumentation zu sein, welche auf Netflix ausgestrahlt werden sollte. Die Sanitäterin willigte ein und bekam so eine kleine Kamera. Mit dieser sollte sie Aufnahmen ihrer Arbeit machen. Dies ereignete sich 2021 – also noch vor dem russischen Angriffskrieg.
Als die russischen Truppen im Februar 2022 dann einmarschierten, konnte Paievska dank der kleinen Kamera weiterhin filmen. Somit hielt sie auch Bilder fest, als viele Journalisten das Kriegsgebiet bereits verlassen hatten. Insgesamt sammelte sie 256 Gigabytes an Videomaterial, welches das Leiden in Mariupol zeigt, wo sich die Soldaten wochenlang blutige Kämpfe lieferten. Zudem ist zu sehen, wie Paievska versucht, den Soldaten zu helfen – manchmal auch vergeblich.
Schliesslich übergab sie den Chip mit den Aufnahmen einem Team aus Medienschaffenden der Associated Press. Diese schmuggelten ihn in einem Tampon aus dem Land, um zu verhindern, dass er von russischen Soldaten gefunden wurde. So konnte der Chip ins Ausland gebracht werden, wodurch seltene Aufnahmen aus dem Mittelpunkt des Kriegsgeschehens an die Öffentlichkeit gebracht werden konnten. Unter anderem Bilder zum russischen Luftangriff auf eine Geburtsklinik in Mariupol, der weltweit für Schlagzeilen sorgte.
Für Aufsehen sorgte Taira auch, weil in den Aufnahmen zu sehen ist, dass sie nicht nur den Ukrainern half. Immer wieder ist zu sehen, wie sie sich auch um russische Soldaten sorgt. In einem Clip erkennt man, wie sie auf einen ukrainischen Soldaten einredet, während dieser einen verwundeten Russen beleidigt. «Wirst du die Russen behandeln?», wird sie deshalb von einer Frau gefragt. «Sie werden nicht freundlich zu uns sein», so Paievskas Antwort, «aber ich kann nicht anders. Sie sind Kriegsgefangene.»
In einer weiteren Aufnahme ist zudem zu hören, dass selbst Russen über das Verhalten der Sanitäterin verwundert waren. «Du kümmerst dich um mich», so ein russischer Soldat zu ihr, als dieser verletzt behandelt werden muss. Ihre Antwort: «Wir behandeln alle gleich.»
Am 16. März wurden Yuliia Paievska und ihr Fahrer von russischen Soldaten festgenommen. Als Grund wurde eine angebliche Verbindung zum umstrittenen Asow-Bataillon genannt, das eine wichtige Rolle in Russlands angeblicher «Denazifizierung» der Ukraine spielt.
Die Associated Press ging diesen Vorwürfen nach, konnte aber keine Verbindung zwischen Paievska und Asow feststellen. Das Militärspital, wo sie arbeitete, wurde zwar von Soldaten der umstrittenen Truppe bewacht, aber nicht von ihr kontrolliert.
Mitte Juni wurde Paievska schliesslich wieder aus der Gefangenschaft entlassen. Sie ist wieder zuhause. Die Hintergründe zu ihrer Freilassung sind derweil unklar. Sowohl die Ukraine als auch Russland nannten keine Details. Dies sorgte in Russland für Kritik: Irina Kuksenkova, eine Journalistin und Kriegskorrespondentin, sprach von einem «schmutzigen Plan». Es wird spekuliert, dass tschetschenische Truppen einem Tausch mit dem festgenommenen Sohn eines Freundes von Machthaber Ramsan Kadyrow zugesagt haben sollen.
Ich wünschte es würde mehr Menschen dieser Sorte geben, die keine Unterschiede machen. Dann wäre unsere Welt ein viel besserer Ort.
Möge sie aus all den Ereignissen und Erlebnissen unversehrt und unbeschadet herauskommen!
Chapeau!