Seinen Aufstieg hat Jewgenij Prigoschin einem Catering-Unternehmen zu verdanken, das dank guter Kontakte in den Kreml ihm den Spitznamen «Putins Koch» einbrachte. Doch der gewiefte Geschäftsmann wollte mehr und schuf ein Konglomerat aus Söldner-Truppen, Medienfirmen und Internettrollen. Nach dem misslungenen Aufstand bricht das Imperium jetzt offenbar zusammen.
Wie die «Washington Post» berichtet, steht aber nicht nur der Wagner-Chef vor den Trümmern. Auch der Kreml überlegt, wie er mit den logistischen und wirtschaftlichen Auswirkungen umgeht. Denn Moskau bezahlte Prigoschins Catering-Unternehmen Concord und der zu ihr gehörenden Firma Voentorg fast eine Milliarde US-Dollar, um die russischen Soldaten zu verpflegen. Das hatte Wladimir Putin selbst eingeräumt. Gleichzeitig verkündete der Präsident, dass die Verträge und Zahlungen unter die Lupe genommen werden. Nach inoffiziellen Berichten sollen nach der Durchsuchung der Wagner-Zentrale in St. Petersburg Vans voller Bargeld weggefahren sein.
Putin strikes another blow against Prigozhin following his coup attempt: claims Wagner was financed by the government while Prigozhin earned last year circa €1 billion from his Russian army food catering and from Voentorg. Promises to check whether there was corruption pic.twitter.com/2yTsSayCVz
— козлов (@petrkozlov) June 27, 2023
Doch die Prigoschin-Firmen einfach nur zu schliessen, dürfte nicht so einfach sein. «Das russische Militär ist auf Prigoschins Unternehmen angewiesen, um die in der Ukraine kämpfenden Soldaten zu ernähren, und kann sich Störungen nicht leisten», heisst es in den Recherchen der «Post». Das brachte offenbar satte Profite: «Die Einnahmen dieser Unternehmen werden dann zur Finanzierung der Projekte in Afrika, Syrien und anderen Ländern verwendet», schrieb laut Artikel Prigoschin dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu.
Und hier zeigt sich ein Dilemma für den Kreml: Die Prigoschin-Verpflegung von heute auf morgen einzustellen, hätte direkte Auswirkungen auf die Truppen vor Ort. Und dort ist die Stimmung ohnehin nicht am besten, wie russische Militärblogger immer wieder berichten. Hinzu kommt, dass sich Voentorg auch um die schmutzige Wäsche der Soldaten kümmerte – und diese reinigte.
Mit Prigoschin verbundene Unternehmen lieferten die Lebensmittel nicht nur selbst, sondern servierten die Lebensmittel Berichten zufolge auch direkt in den Militäreinheiten selbst, berichtete das US-Magazin «Newsweek». Diese waren nicht immer glücklich: Nach Angaben des unabhängigen russischen Magazins «Mozhem Obyasnit» soll es mindestens 500 Verfahren gegen die Caterer gegeben haben, mit dem Vorwurf, dass Lebensmittel verdorben gewesen oder von geringer Qualität gewesen seien.
In einem Bereich des Oligarchen-Firmennetzes hat es bereits Säuberungen gegeben; seinen Medienaktivitäten. Den Grundstein für seine heutige Machtstellung hatte Prigoschin mit der Gründung einer Medienholding gelegt. Das Ziel: Einfluss nehmen und falsche Informationen verbreiten. Mit dem Medienapparat kontrollierte Prigoschin verschiedene Nachrichtenseiten im Netz, regionale wie überregionale. Hinzu kamen offenbar reichweitenstarke Kanäle in den sozialen Medien. Besonders wichtig war dabei die «Federal News Agency» (FAN). Mit seiner Medienmacht manipulierte und beeinflusste er russische und ausländische Medien, wie Recherchen verschiedener Medien bereits Anfang des Jahres herausfanden.
«Prigoschin ist nicht nur die Wagner-Gruppe, er repräsentiert eine Struktur, die versucht, an der ideologischen Front, an der politischen Front usw. zu arbeiten», sagte Denis Korotkov, ein russischer investigativer Journalist, der als erster die Wagner-Gruppe aufdeckte, gegenüber der «Washington Post». «All dies funktioniert in einem engen Ökosystem mit anderen Seiten seines Geschäfts.» Dazu gehören neben den Einnahmen aus der Truppenverpflegung auch viele Webseiten und Telegramkanäle.
Mit seiner «Patriot»-Gruppe befüllte er Telegramkanäle mit Propaganda. Wohl auch deshalb wurden viele der Prigoschin-Webseiten nach dem Aufstand abgeschaltet – angeblich auf Weisung der russischen Internetbehörde Roskomnadzor. Der Chef von RIA FAN, eine der wichtigsten Prigoschin-Medienseiten, verkündete selbst, dass man das Unternehmen schliesse. Und auch die Internetseite des Catering-Unternehmens Voentorg ist nicht mehr erreichbar. Auf Twitter gab es – offiziell unbestätigte – Berichte, nach denen die Mitarbeiter bereits entlassen worden seien.
Wie und ob die russische Regierung die Aktivitäten der Wagner-Gruppe übernehmen kann, muss sich erst zeigen. Nach Informationen der «Washington Post» werde noch um Rekruten geworben und die Kämpfer hätten keine Absicht, sich beim russischen Militär einzuschreiben.
Am Samstag waren Bilder eines riesigen Camps in Belarus bekannt geworden – es soll mutmasslich Wagner-Söldnern eine Unterkunft bieten. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko hatte auch sein Interesse an den Kenntnissen der Einheiten bekundet. Die Wagner-Gruppe ist ausserdem in Syrien, Libyen und in Mali aktiv. Das schwere Gerät in der Ukraine ist jetzt in den Händen der russischen Kräfte, und unklar ist, wie viele Söldner noch bei Prigoschin angeheuert sind.
Der russische Aussenminister Sergei Lawrow sagte, er überlasse es den jeweiligen Regierungen, ob sie die Wagner-Söldner weiter beschäftigen wollen. In der Zentralafrikanischen Republik scheint man mit Prigoschins Arbeit zufrieden zu sein. Fidèle Gouandjika, ein Berater des Präsidenten Faustin-Archange Touadéra, sagte der Nachrichtenagentur AFP: «Wagner hat die Zentralafrikanische Republik gerettet», sagte er. «Im Moment sind wir bei Wagner. Aber ob wir bei Wagner bleiben, hängt nicht von uns ab. Es hängt von Russland ab … und wir haben Vertrauen in Russland.»
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