Nun wissen wir also, worüber sich Diktatoren unterhalten, wenn sie unter sich sind: Gesprächsthema Nummer eins von Wladimir Putin, Xi Jinping und Kim Jong Un waren die neuesten Anti-Aging-Trends. 150 Jahre lägen durchaus drin, findet Xi, mit 70 sei man gewissermassen noch ein Kind. Dank Organtransplantationen werde man womöglich sogar ewig leben können, befand Putin. Wegen einer Mikrofon-Panne wurde der diktatorische Smalltalk live im chinesischen Staatsfernsehen übertragen und ging dann auch auf westlichen Kanälen viral.
Eigentlich sollte uns das nicht wundern. Diktatoren haben dieselben Ängste wie wir alle – vor dem Altwerden und vor dem Tod. Langlebigkeit ist zum Lifestyle geworden. Bücher wie «Das Ende des Alterns» stehen zuverlässig auf den Bestseller-Listen, in Metropolen eröffnen Longevity-Kliniken im Monatsrhythmus, und Substanzen mit sperrigen Namen wie Nicotinamid-Mononukleotid oder Trimethylglycin liegen in den Badezimmern der Wohlhabenden neben Zahnbürste und Gesichtscreme.
Zum Leben eines Diktators passt der Drang nach Langlebigkeit besonders gut. Denn die neuen Anti-Aging-Methoden könnten die Lösung für einen Widerspruch sein, mit dem sich jeder Autokrat mit überhöhten Ansprüchen früher oder später konfrontiert sieht. Im Vergleich zu den historischen Dimensionen, in denen er sich selbst verortet, ist seine Lebenszeit zu kurz. Wer ein Tausendjähriges Reich gründen will, aber nur ein paar Jahrzehnte Zeit hat, wird unweigerlich auf die eigene Endlichkeit zurückgeworfen.
Die Pharaonen versuchten das Problem zu lösen, indem sie sich Pyramiden bauen liessen – steinerne Monumente, die ihre Herrschaft über den Tod hinaus behaupten sollten. Doch was nützte die grösste Grabkammer, wenn das Zepter im Jenseits nutzlos blieb? Mit dem Sterben war auch die Macht dahin, und der Sohn setzte das Werk fort. Aber ein wahrer Autokrat will nicht abtreten, auch nicht für die eigene Familie. Für Allmachtsfantasien in der Grösse eines Putin oder Xi gibt es nur eine wirklich befriedigende Lösung: das ewige Leben.
Das 21. Jahrhundert ist deshalb für Diktatoren eine Zeit voller Hoffnungen. Dank neuer Technologien und wissenschaftlicher Erkenntnisse macht die Anti-Aging-Bewegung grosse Fortschritte. So gelingt es Forschern mittlerweile, das Leben von Mäusen im Labor zu verdoppeln – und das bei bester Gesundheit. «Das Alter», sagt Harvard-Professor und Anti-Aging-Guru David Sinclair in einem Interview mit dieser Zeitung, «lässt sich nicht nur verlangsamen, sondern womöglich immer wieder rückgängig machen.» Er ist überzeugt, dass bereits Menschen unter uns leben, die 150 Jahre alt werden.
Exakt diese Zahl wirft Xi im Gespräch mit Putin in den Raum. Womöglich denkt der 72-Jährige, dass er es selbst schaffen könnte. Das würde bedeuten, dass er noch 78 Jahre an der Macht bleiben möchte – also bis ins Jahr 2103. Wer sich auf ein langes Leben voller Chancen freut, vergisst leicht, dass dieselbe Aussicht für Diktatoren bedeutet: Sie könnten unsere Welt noch ein ganzes Jahrhundert regieren.
Auch Putins Aussage, dank Organtransplantationen ewig leben zu können, entbehrt nicht jeder wissenschaftlichen Grundlage. Allerdings bleibt die Alterung des Hirns ein Problem – denn es lässt sich nicht einfach austauschen wie eine Niere. Aber vielleicht dereinst hochladen, auf eine Festplatte oder in die Cloud. Genau das verspricht Ray Kurzweil, der Hohepriester des Silicon Valley. Wenn die künstliche Intelligenz einmal schlauer ist als wir, soll sie uns die Unsterblichkeit schenken. Wer vorher stirbt, muss nicht für immer verloren sein. Firmen wie Alcor oder KrioRus pumpen den Toten das Blut aus dem Körper und lagern ihn bei minus 196 Grad. Dort wartet er, bis die Zukunft kommt – und ihn zurückholt.
Kryonik, so der Name des Verfahrens, ist nichts anderes als die Mumifizierung des 21. Jahrhunderts. Niemand würde sich wundern, wenn Putin sich dereinst einfrieren liesse. KrioRus, die russische Firma für Kryonik, hat schon Dutzende Tote in Tanks voller flüssigem Stickstoff eingelagert. Für Putin würde bestimmt ein Sondergefäss hergerichtet. Für einen Diktator, der nicht in Jahren, sondern in Jahrhunderten denkt, wäre es nur eine kurze Auszeit – so wie damals 2008, als er Medwedew kurz auf den Präsidentensessel setzte, um vier Jahre später wiederzukehren. (aargauerzeitung.ch)
Man könnte ihn aber statt dessen schon heute verbrennen. Das funktioniert seit ewig und brächte der Welt viel mehr. 🤷♂️
Ich bekomme schon beim gegenwärtigen Zeitgeist Kinder, Vögel, Anfälle und verstärkten Haarausfall. Ich will gar nicht wissen - und erst recht nicht erleben, wie das Leben in 70, 80 Jahren sein wird! 😱
Sollen die Diktatoren mal ihre Leben zu verlängern versuchen. Klappt eh nicht.