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Putin plante riesige Show im Stadion – die Stimmung blieb aber mies

Miese Stimmung und eisige Kälte – 6 Punkte zu Putins Mega-Show im Stadion

Morgen jährt sich der russische Invasionskrieg in der Ukraine. Putin feierte dies bereits gestern, als er für den Tag des Verteidigers des Vaterlandes eine riesige Show inszenierte. Der Aufwand war gross, das Resultat liess aber zu wünschen übrig.
23.02.2023, 19:1024.02.2023, 15:54
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Am 23. Februar wird in Russland der Tag des Verteidigers des Vaterlandes gefeiert, der an die Anfänge der Roten Armee am 23. Februar 1918 erinnern soll. An diesem Feiertag werden all diejenigen geehrt, die in den russischen Streitkräften dienen oder gedient haben.

Genau dies hat der russische Präsident Wladimir Putin gestern zum Anlass genommen, eine riesige Show zu veranstalten. Selbstverständlich nutzte er die Gelegenheit auch, um wieder darauf hinzuweisen, wie heroisch Russland in der Ukraine für das Vaterland kämpfe.

Die Bilder des gefüllten Luschniki Stadions in Moskau, in dem die Show stattfand, wirken zunächst beeindruckend. Bei genauerem Hinsehen aber, wird schnell klar, dass sich die feierliche Stimmung an der Show in Grenzen gehalten haben dürfte.

Participants wave Russian national flags during the ''Glory to the Defenders of the Fatherland'' concert waiting for Russian President Vladimir Putin, a day before the Defender of  ...
Die Stimmung im Luschniki Stadion scheint gut. Der Schein täuscht allerdings.Bild: keystone

Erzwungene und erkaufte Teilnahmen

Putin hat im Vorfeld der Show nichts anbrennen lassen. Um mögliche Peinlichkeiten – wie ein halbleeres Stadion oder kaum verkaufte Tickets – zu verhindern, kamen diese gar nicht erst in den Verkauf. Nicht nur das: Auf der Webseite des Luschniki-Stadions ist die Show nicht einmal gelistet.

Und doch schien das Stadion gestern komplett gefüllt zu sein. Gemäss russischen Medien sollen am Event 200'000 Menschen teilgenommen haben. Wie das?

Schon letzte Woche sollte damit begonnen worden sein, Statisten und Zuschauerinnen zu rekrutieren. Verwendet wurden dafür Kanäle, auf denen üblicherweise Zuschauende für TV-Formate gesucht werden. Für ihre Teilnahme wurde den Interessierten 500 Rubel sowie Werbegeschenke versprochen.

Auch Studierende sollen eingeladen und gebeten worden sein, noch Freunde mitzubringen. Sie seien unter anderem mit Freipässen für Prüfungen gelockt worden, berichtet die New York Times. Andere wiederum hätten gar keine Wahl gehabt: Grigory B. Yudin, ein Professor für politische Philosophie, berichtet, dass Studierende mit Bussen abgeholt und zur Teilnahme gezwungen worden seien. Ihm lägen entsprechende Berichte von mehreren Universitäten vor. Dasselbe Schicksal ereilte auch viele Staatsangestellte. Sie seien einfach in Busse gesetzt und zum Stadion gefahren worden.

Überwachtes Fahnenschwingen

Videos des noch leeren Stadions vor der Show zeigen, wie zur Vorbereitung alle Plätze mit russischen Fähnchen ausgestattet wurden.

Damit diese auch ordentlich geschwenkt werden, wurden extra Leute aufgeboten, die dies sicherstellen sollten. Ein Video eines französischen Journalisten zeigt, wie ein unzufriedener Aufseher einen Zuschauer dazu aufruft, seine Fahne besser zu schwenken. Wer seinen Job nicht gut genug gemacht habe, dem sei die Fahne weggenommen und jemand anderem gegeben worden, berichtet der Journalist.

Warnung an den Westen

Den Zuschauenden, die bei -12 Grad Celisus im Stadion froren, wurde eine Show geboten, welche das Militär romantisierte, den Ukrainekrieg feierte und den Westen verteufelte.

Den Auftakt machte eine Gruppe in verschiedenen Kostümen, welche die russischen Soldaten durch verschiedene Zeiten hinweg darstellen sollte. Dazu wurde ein Text vorgelesen, der Parallelen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zog und eine nicht so subtile Warnung an den Westen enthielt:

«Die Geschichte ist auch heute noch dieselbe. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen wir erneut dem Westen gegenüber, um die Russen zu verteidigen. Und wieder einmal erinnern wir die Welt eindringlich daran: Zieht nicht in den Krieg gegen die Russen.»

Es folgten angebliche Helden von der Front in der Ukraine, die emotionslos patriotische Texte vortrugen. Die anschliessend auftretenden Musiker zeigten zwar Leidenschaft, ernteten aber mit wenigen Ausnahmen nur spärlichen Applaus. Daran vermochten sogar die Kriegsszenen aus der Ukraine nichts zu ändern, die während der Auftritte auf den Leinwänden abgespielt wurden.

Die ganze Show:

Hier die ganze Show zur Feier des Tages des Verteidigers des Vaterlandes.Video: YouTube/Комсомольская Правда

Die rote Flagge über Berlin

Video: watson/Fabian Welsch

Nach etwa 50 Minuten gab ein russischer Soldat einen für den Ukrainekrieg gedichteten Rap zum besten. In einer Anspielung an die sowjetische Siegesfahne rappte er davon, wie die rote Flagge über Berlin wehen wird:

Ich habe keine Angst davor, dass meine Hände blutig werden. Es ist Krieg und wir haben ihn nicht begonnen. Wir werden diesen Krieg beenden, aber es ist nicht bekannt, wann genau. Die leuchten rote Flagge wird über Berlin wehen, aber in der Zwischenzeit tränkt rotes Blut den Boden. Unsere Nachkommen werden ihn den ‹Grossen Krieg› nennen.

Die geretteten Kinder von Mariupol

Wenig später wurden Kinder und Jugendliche auf die Bühne geholt. Sie alle seien aus Mariupol gerettet worden, verkündet die Moderatorin stolz. Ein Mädchen bedankte sich unter Tränen bei Onkel Yura – dem neben ihr stehenden Soldaten – dafür, dass er sie und Tausende andere Kinder aus Mariupol gerettet habe.

In Wahrheit wird Russland beschuldigt, Tausende ukrainische Kinder gewaltsam auf russisches Territorium deportiert und zur Adoption freigegeben zu haben. Sollte sich dies bewahrheiten, käme dies einem Kriegsverbrechen gleich.

Putins Mini-Auftritt

Dann endlich, nach fast 1.5 Stunden seit Beginn der Show, betrat Putin die Bühne. Erstmals erklang ein lauterer Applaus, auch sein Name wurde in vereinzelten Chören gerufen.

Nachdem er einigen Armeeangehörigen, die im Einsatz gewesen sein sollen, die Hand geschüttelt hatte, begann er seine Rede. Er versuchte im Publikum patriotische Gefühle zu schüren und sprach vom Schutz von Familie und Heimat. Damit führte er zur Ukraine über und betonte wie schon in der Vergangenheit so oft, dass man dort um rechtmässiges Gebiet kämpfe:

«Wir haben uns hier eigentlich zu einem festlichen Anlass versammelt, aber ich weiss – ich habe es soeben von der obersten militärischen Führung des Landes gehört –, dass in diesem Moment an unseren historischen Grenzen ein Kampf um unser Volk stattfindet.»

Dann rief der 70-Jährige in die Russlandfahnen schwenkende Menge: «Zu ihren Ehren: Ein dreifaches »Hurra«!» Das Publikum rief zur offensichtlichen Verwirrung Putins nur einmal zurück. Daraufhin animierte er das Publikum, stattdessen das Wort «Russland» zu rufen.

Dies schien ihm besser zu gefallen. Unter den Sprechgesängen, die aber bereits nach wenigen Sekunden wieder abebbten, verliess er nach nicht mal 8 Minuten wieder die Bühne. (saw)

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71 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Palpatine
23.02.2023 19:40registriert August 2018
Warum nur erinnert mich das, was Russland in letzter Zeit propagandistisch abliefert, immer mehr an Goebbels?
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Knut Knallmann
23.02.2023 19:48registriert Oktober 2015
Freipässe für Prüfungen, damit man den Dikator abfeiert im Stadion, weil sonst keiner hingeht. So was kannst du dir fast nicht ausdenken… 😂
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Hiker
23.02.2023 19:49registriert Januar 2017
Hässlich, Zynisch, Verlogen. Diese drei Adjektive genügen um diese groteske Show zu beschreiben.
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