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Russland

Supermarkt-Protest gegen den Krieg wird junger Russin zum Verhängnis

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Aleksandra Skochilenko bezahlt eine Anti-Kriegs-Aktion in Russland mit ihrer Freiheit.Bild: keystone

Für diesen Anti-Kriegs-Protest bezahlt eine junge Russin vielleicht mit ihrem Leben

Aleksandra Skochilenko muss jahrelang hinter Gitter, obwohl sie gravierende gesundheitliche Probleme hat. Amnesty International kritisiert das Vorgehen des russischen Staates scharf.
18.11.2023, 16:4018.11.2023, 20:45
Anna Von Stefenelli /
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Russlands Machthaber Wladimir Putin geht rigoros gegen all jene vor, die sich öffentlich gegen die Haltung des Kreml stellen. Das ist kein Geheimnis. Wer sich in Russland etwa gegen den Ukraine-Krieg positioniert, muss mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Vom Verlust des Jobs, über Drohungen bis hin zu Haftstrafen oder mysteriösem Ableben.

Wie teuer offener Protest den Menschen in dem Land zu stehen kommen kann, musste auch eine 33-Jährige am eigenen Leib erfahren. Sie ist keine Unbekannte und hatte Ende März 2022 mit einer Aktion in einem Supermarkt für Aufregung gesorgt. Nun muss sie jahrelang hinter Gitter. Freunde und Familie der Frau schlagen wegen unmenschlicher Haftbedingungen Alarm. Auch Amnesty International schaltet sich ein. Was dahinter steckt.

Russische Ärzte bitten Putin um Freilassung
Mehr als hundert Ärzte in Russland rufen in einen offenen Brief den russischen Präsident Wladimir Putin zur Freilassung der inhaftierten Künstlerin Alexandra «Sascha» Skotschilenko auf. «Als Ärztegemeinschaft sind wir in grosser Sorge um Saschas Gesundheit», hiess es in dem Brief, der am Samstag in Onlinenetzwerken und von unabhängigen russischen Nachrichtenportalen veröffentlicht wurde.

Die Ärzte verwiesen in ihrem offenen Brief auf zahlreiche gesundheitliche Probleme der Künstlerin, die unter anderem einen angeborenen Herzfehler hat und unter Zöliakie leidet, einer durch Glutenunverträglichkeit verursachten Krankheit.

Bei Skotschilenko seien eine Reihe «schwerer chronischer Erkrankungen» diagnostiziert worden, die eine angemessene medizinische Behandlung sowie eine spezielle Diät erforderten, schrieben die Ärzte. Wenn sie im Gefängnis bleibe, könne dies zu einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen.

Initiiert wurde der Brief von dem Chirurgen Alexander Wanjukow, der in diesem Jahr bereits einen ähnlichen Appell organisiert hatte, in dem um eine angemessene medizinische Versorgung für den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny gebeten wurde. (sda)

Warum wurde sie verurteilt?

Russland: Supermarkt-Protest hat für Frau ernste Konsequenzen

Aleksandra Skochilenko wurde eine Aktion in einem Supermarkt in Sankt Petersburg zum Verhängnis. Sie muss sieben Jahre lang ins Gefängnis, sitzt seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Der Grund: Die Russin hatte Preisschilder in dem Geschäft ausgetauscht.

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Sasha Skochilenko hinter Gitter, während sie auf die Anhörung in einem Bezirksgericht in St. Petersburg wartet.Bild: keystone

Auf den ersten Blick liess sich nicht erkennen, was genau die Frau verändert hat. Das Problem hinter der subtil durchgeführten Aktion steckt für den Kreml in den Worten, die die 33-Jährige auf den neuen Preisschildern versteckte: Botschaften zum Krieg Russlands in der Ukraine.

Zwar war der Preis der Produkte auf den Schildern immer noch zu lesen, allerdings standen auf den manipulierten Zettelchen nun zusätzlich Botschaften wie «Stoppt den Krieg» oder «Rekordinflation durch Militäreinsatz». Aber auch längere Sätze waren darauf zu lesen.

Für Russland und seinen Machthaber Putin ein rotes Tuch.

Wegen ihrer Anti-Kriegs-Aktion in einem russischen Supermarkt muss Aleksandra Skochilenko ins Gefängnis.
Auf dem manipulierten Preisschild steht: «Die wöchentliche Inflation hat wegen unserer militärischen Aktionen in der Ukraine den höchsten Stand seit 1990 erreicht.»Bild: Telegram

Unbemerkt blieb die Aktion nicht. Es dauerte nicht lange, bis ein Kunde des Supermarktes die manipulierten Preisschilder bei der Polizei denunzierte. Die Folge: eine Festnahme Skochilenko, nur elf Tage später.

Seitdem kam Skochilenko auch nicht mehr aus dem Gefängnis frei, sie sass zunächst in Untersuchungshaft. Ein russisches Gericht hat sie nun zu sieben Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt, wie russische Medien sowie die AP berichteten.

Damit hatte sie aus russischer Sicht noch Glück. Denn ihr wird vorgeworfen, wissentlich Falschinformationen über das russische Militär verbreitet zu haben. Eine Straftat, die mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann, in schwerwiegenden Fällen können es auch bis zu 15 Jahre sein. «Ich wollte den Krieg einfach beenden, das war meine Motivation», sagte die Beschuldigte in ihrem Prozess.

Skolichilenko ist eine friedliche Aktivistin

Skochilenko ist keine Unbekannte. Sie ist besonders bei jüngeren Russinnen und Russen durchaus beliebt, veröffentlichte 2014 eine autobiografische Graphic Novel über Depressionen. Ein schwieriges Thema in einem Land, in dem persönliche Emotionen oft hinten anstehen müssen oder hinter verschlossenen Türen besprochen werden. «A Book About Depression» wurde sogar auf Englisch übersetzt.

Nun sitzt Skochilenko im Gefängnis. Bilder zeigen die Frau, wie sie Zeichen des Friedens und der Liebe sendet, selbst hinter Gittern.

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Während des Prozesses lächelte Skochilenko und verbreitete Liebes-Botschaften.Bild: keystone

Vor Gericht sagte Skochilenko laut «MR7.ru» vor der Urteilsverkündung am vergangenen Donnerstag:

«Mein Fall ist so seltsam und lustig, dass die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt 5, wenn ich davon erzähle, die Augen weit öffnen und fragen: Ist es wirklich möglich, dass Menschen dafür inhaftiert werden? (...) Dass ein Ermittler in meinem Fall gekündigt hat. Er sagte meinem Anwalt, dass er nicht hierhergekommen sei, um sich um solche Angelegenheiten zu kümmern.»

Amnesty International (AI) kritisiert das Vorgehen gegen die Russin scharf. Für die Menschenrechtsorganisation ist Skotschilenko eine gewaltlose politische Gefangene. «Sie ist nur deshalb inhaftiert, weil sie friedlich ihren Widerstand gegen den Krieg zum Ausdruck gebracht hat», heisst es in einem Statement von AI. Zudem macht die Organisation auf das Schicksal der Russin aufmerksam, die in Untersuchungshaft Gewalt ausgesetzt ist.

Gesundheitliche Probleme: Sorge um Skochilenko in Russland-Haft

Sorgen machen sich Menschenrechtsaktivistinnen sowie Freunde und Familie von Skochilenko wegen ihres Gesundheitszustandes. Ihr gehe es schlecht, sagt etwa ihre Ärztin, die Skotschilenko in der Untersuchungshaft aufsuchte. Denn: Sie habe einen Herzfehler, ihr Leben sei in Gefahr, ein Herzstillstand drohe, berichtet MR7.ru.

Zudem leide sie an Zöliakie und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Laut dem russischen Portal warnen ihre Anwälte, dass Skochilenko möglicherweise nicht in der Kolonie überleben wird, wo der Zugang zu geeigneten Nahrungsmitteln, Medikamenten und Ärzt:innen äusserst schwierig sein wird.

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Troxi
18.11.2023 16:47registriert April 2017
Irgendwie habe ich das Gefühl Putin fährt die Demografie komplett an die Wand. Die jungen Männer werden durch den Fleischwolf gedreht und die jungen Frauen landen im Gefängnis. Kann schon vorsorglich Russland als grösstes Naturschutzgebiet der Welt deklarieren? Nicht, dass der Chinese noch auf die Idee kommt, er könnte gegen Norden expandieren...
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Liebu
18.11.2023 17:48registriert Oktober 2020
Damit hatte sie aus russischer Sicht noch Glück. Denn ihr wird vorgeworfen, wissentlich Falschinformationen über das russische Militär verbreitet zu haben.

Dasselbe macht der Kreml und sogar das Militär selber, werden aber nicht eingelocht, denn sie bestimmen, was als falsch oder richtig zu gelten hat. So wird dann aus der Wahrheit Falschinformation und umgekehrt.
Viel Kraft den Inhaftierten und dass die echte Wahrheit ans Licht kommt und dem Kreml um die Ohren fliegt.
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Reto Schnurrenberger-Stämpfler
18.11.2023 17:58registriert Dezember 2019
Aleksandra Skochilenko hat extrem viel Mut und meinen vollen Respekt.
Sie ist ein wunderbares Beispiel dafür wie tief bspw. eine Greta Thunberg abgesunken ist.
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