Norilsk – das ist wahrscheinlich die härteste Stadt Russlands. Die rund 180'000 Einwohner leben komplett abgeschottet im Norden Sibiriens. Nicht nur eisige Temperaturen machen ihnen zu schaffen, sondern auch der Dreck. Norilsk schaffte es 2013 in die Top-10 der verschmutztesten Städte der Welt. Darüber haben wir vor einiger Zeit berichtet:
Nun wurde in Norilsk der Notstand ausgerufen. Vor wenigen Tagen flossen aus einem Wärmekraftwerk fast 20'000 Tonnen Diesel in die Flüsse Daldykan und Ambarnaja. Fotos zeigen, wie sich das Gewässer in der Folge rot verfärbte.
State of emergency in Norilsk after 20,000 tons of diesel leaks into Arctic river system. Fear that thawing permafrost caused damage to storage tank https://t.co/EYvzar8jUQ pic.twitter.com/oN4pOtLZy0
— The Siberian Times (@siberian_times) June 2, 2020
Die Lage ist derart ernst, dass sich der Präsident einschaltete. Wladimir Putin wies den Zivilschutz am Mittwoch an, umgehend Massnahmen zu erarbeiten. «Es ist notwendig, jetzt so schnell wie möglich zu reagieren - jetzt sofort», sagte er bei einer Besprechung mit den Behörden in Moskau.
Putin stufte den zuvor für die sibirische Industriestadt Norilsk ausgerufenen Notstand zu einem Fall von nationalem Ausmass hoch.
Das Leck war bereits Ende Mai entstanden. Putin kritisierte die Behörden scharf, zu langsam reagiert zu haben und nicht umgehend informiert worden zu sein.
Das Kraftwerk gehört zu einem der weltgrössten Nickelhersteller, Norilsk Nickel. Das Unternehmen betonte, die Lage sei unter Kontrolle. Dutzende Mitarbeiter und auch Spezialisten seien bereits an der Reinigung der Flüsse und Wege beteiligt.
Das Leck sei entstanden, weil ein Tank beschädigt worden sei. Dieser sei von Stützen gehalten worden, die jedoch im Boden absackten. Das Unternehmen äusserte in seinem Statement die Vermutung, dass das Auftauen des Permafrosts der Grund für das Absacken der Stützen sei.
Norilsk steht auf Permafrostgebiet. Der Klimawandel ist in Sibirien stark spürbar. Der Boden hat sich zwischen 1999 und 2013 um ein Grad erwärmt. 60 Prozent der Gebäude in Norilsk weisen deshalb bereits Strukturschäden auf.
Die Behörden leiteten zudem eine Untersuchung wegen Verletzung der Sicherheitsbestimmungen, Zerstörung des Bodens und Wasserverschmutzung ein, wie die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Ein Leiter des Kraftwerks sei festgenommen worden, hiess es Agenturen zufolge. Man war nach Angaben des Ermittlungskomitees erst auf das Leck aufmerksam geworden, als in der Nähe des Kraftwerks Öl auf der Fahrbahn entdeckt wurde. Zudem habe ein vorbeifahrendes Auto Feuer gefangen.
Die Umweltschützer der Organisation WWF warnten vor einer Katastrophe. Mit speziellen Ölsperren haben man zwar die Ausbreitung eindämmen können. «Das bedeutet aber nicht, dass die Giftstoffe nicht in das Wasser des nahe gelegenen Sees gelangt sind», sagte der WWF-Experte Alexej Knischnikow. Diese könnten das sensible Ökosystem des Grossen Arktischen Schutzgebietes gefährden. (cma/sda/dpa)
https://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article11573932/Neues-Gas-vom-Rand-der-Welt.html