Am 24. Juni machte sich die rebellische Wagner-Truppe unter der Führung von Jewgeni Prigoschin auf den Weg nach Moskau. Grund dafür sei ein Angriff der russischen Armee auf das Wagner-Militärlager am selben Tag gewesen, so der Wagner-Chef.
Mit dem Marsch habe er sowohl gegen diesen Angriff als auch gegen die vom Verteidigungsministerium angestrebte Auflösung seiner Wagner-Truppe protestieren wollen. Dies habe Prigoschin in einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärt, bestätigte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag.
Mit keinem Wort aber wurde erwähnt, dass ein Teil der Wagner-Gruppe am 24. Juni, auf dem Weg in den Norden nach Moskau, plötzlich nach Osten abgebogen war ...
Erste Berichte über den Wagner-Konvoi zirkulierten bereits einen Tag nach dem Aufstand auf Twitter. Einerseits über den Kriegsblogger Igor Shushko, andererseits auch über die russische Partisanengruppe «Russlands Freiheit». Sie sagt, der Konvoi sei unterwegs zum befestigten russischen Armeestützpunkt Woronesch-45 gewesen, wo sich angeblich Atomwaffen befinden sollen. Und nicht nur das: Die Wagner-Truppen hätten sogar die Kontrolle über den Armeestützpunkt übernommen und seien eine Weile dort geblieben.
According to our activists, yesterday afternoon, one of the groups of PMC Wagner moved in the direction of Borisoglebsk with the purpose to enter the territory of the military camp "Voronezh-45", where the military unit 14254 (12th Main Directorate of the Russian Defense Ministry… pic.twitter.com/gFqQAuMFd4
— "Liberty of Russia" Legion (@legion_svoboda) June 25, 2023
Diesen Informationen ist die Nachrichtenagentur Reuters nachgegangen. Anhand von online veröffentlichten Videos sowie Interviews mit Anwohnern konnte sie die Spur des nach Osten abgebogenen Konvois verfolgen. So soll dieser bereits im ersten Dorf, das er erreichte, in ein Feuergefecht mit russischen Streitkräften geraten sein.
Dann aber sei er die nächsten 90 Kilometer ohne jegliche Zwischenfälle bis zur Stadt Talovaya vorgerückt, so Reuters weiter. Dort – 100 km vom Armeestützpunkt entfernt – sei der Konvoi erneut angegriffen worden, berichteten Anwohner gegenüber Reuters. Dabei sei ein russischer Helikopter abgeschossen worden.
Was dann geschah, weiss Reuters nicht. Westliche Beamte hätten laut der Nachrichtenagentur aber wiederholt erklärt, dass das Atomwaffenarsenal während des Aufstandes nie in Gefahr gewesen sei.
Ukraine’s head of military intelligence, Kyrylo Budanov, told @Reuters that Wagner fighters reached a Russian nuclear base called Voronezh-45 during their mutiny with the intention of acquiring small Soviet-era nuclear devices in order to raise the stakes https://t.co/mDfM0iFdQ7 pic.twitter.com/z3RmxEff11
— Reuters (@Reuters) July 10, 2023
Im Interview mit Reuters sagt der Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanov, allerdings etwas anderes. Gemäss seinen Angaben hat der Wagner-Konvoi den Atomstützpunkt erreicht. Er erklärt:
Laut Budanov würden in Woronesch-45 kleine Nuklearsprengkörper gelagert, die in einem Rucksack transportiert werden können. Daran dürfte Wagner interessiert gewesen sein. Der Armeestützpunkt sei eine der wichtigsten Lagereinrichtungen dafür, so der Leiter des ukrainischen Geheimdienstes weiter.
Ob derartige Waffen tatsächlich dort gelagert werden, konnte Reuters nicht feststellen und Budanov selber legte keine Beweise vor. Einem Bericht von UN-Wissenschaftlern zufolge handelt es sich aber bei Woronesch-45 um eines der 12 russischen Atomwaffenlager auf nationaler Ebene.
Bei den kleinen Atombomben, die sich laut Budanov noch dort befinden sollen, handelt es sich um ein Relikt aus dem Kalten Krieg. Eigentlich hatten sich die USA und Russland Anfang der 1990er-Jahre darauf geeinigt, diese Waffen aus ihren Arsenalen zu entfernen.
Einige US-Beamte weisen aber darauf hin, dass man nicht sicher wisse, ob Russland diese Waffen tatsächlich zerstört habe. Reuters zitiert David Jonas, den ehemaligen Chefberater der U.S. National Security Administration, welche die Atomwaffen und radioaktives Material weltweit überwacht:
Womöglich nicht so viel. Matt Korda, Senior Research Associate und Projektleiter für das Nuclear Information Project bei der Federation of American Scientists, relativiert gegenüber Reuters. Für einen nichtstaatlichen Akteur sei es praktisch unmöglich, die russische Nuklearsicherheit zu durchbrechen. Er bezweifelt, dass ein Soldat der Wagner-Truppe in der Lage wäre, eine Bombe zu zünden:
Und dafür, so der Experte, brauche es jemanden aus dem 12. Direktorat, welches für den Schutz des russischen Atomwaffenarsenals zuständig ist.
Amy Woolf, die von 1988 bis 2022 als Nuklearwaffenspezialistin für US-Gesetzgeber an der Library of Congress tätig war, zweifelt derweil an der Funktionalität der Nuklearwaffen:
Laut Budanov scheiterten die Wagner-Soldaten ohnehin schon an einem früheren Punkt. Sie hätten den Armeestützpunkt zwar erreicht, aber zu den Waffen seien sie nicht gelangt:
Gemäss Budanovs Darstellungen: ja. Auch eine dem Kreml nahestehende Quelle mit militärischen Verbindungen bestätigte gegenüber Reuters einige von Budanovs Aussagen. Demnach sei es einer Gruppe von Wagner-Soldaten gelungen, «in eine Zone von besonderem Interesse einzudringen, woraufhin sich bei den Amerikanern Unruhe breitmachte, weil dort Nuklearmunition gelagert wird».
Eine weitere Quelle aus dem von Russen besetzten Osten der Ukraine nannte dies als Grund für das hastig eingeleitete Ende des Aufstandes, welches vom belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vermittelt worden war.
Die USA äussern Zweifel an diesem Hergang. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weissen Hauses, Adam Hodge, antwortete auf Anfrage von Reuters:
Weitere Experten weisen gegenüber Reuters zudem darauf hin, dass ein Transport von Nuklearwaffen zeitaufwendig gewesen wäre und mit grosser Wahrscheinlichkeit von amerikanischen Satelliten hätte beobachtet werden können.
Laut dem Militärblogger Igor Sushko ist die gesamte dort anwesende russische Militäreinheit zur Wagner-Seite übergelaufen oder hat sich ergeben. Dies hätten unter anderem Quellen innerhalb der Wagner-Gruppen bestätigt.
Based on this information, Wagner PMC had the opportunity to seize nukes at Voronezh-45 (Borisoglebsk Nuclear Storage Facility). The entire military unit there surrendered or switched to his side. https://t.co/a0H84wWFS0 pic.twitter.com/T24NJKsuW8
— Igor Sushko (@igorsushko) June 25, 2023
Dasselbe erfuhr Reuters von fünf Quellen. Ihnen zufolge sind russische Militäreinheiten dem Befehl, sich den Wagner zu widersetzen, nicht nachgekommen.
Dies, weil sie entweder überrumpelt worden oder unterlegen gewesen seien, oder aber auch, weil sie dachten, dass die Wagner auf Befehl des Kreml handelten. Wiederum andere sympathisierten gemäss Quellen mit Wagner und teilten die Kritik am russischen Verteidigungsministerium.
Prigoschin hatte wenige Tage nach der Rebellion dementiert, einen Machtwechsel in Moskau angestrebt zu haben. «Wir sind losgegangen, um Protest zu demonstrieren, nicht um die Obrigkeit im Land zu stürzen», beteuerte der 62-Jährige vor zwei Wochen in einer öffentlichen Stellungnahme.
Einmal mehr wiederholte er da auch seinen Vorwurf gegen das russische Verteidigungsministerium, Militärlager der Söldner beschossen zu haben. Dabei wurden seinen Angaben nach 30 Wagner-Kämpfer getötet.
Dies sei zusätzlich zur vom Ministerium angestrebten Auflösung der Wagner-Truppe der Auslöser für den Marsch Richtung Moskau gewesen, sagte Prigoschin. Er hatte, nachdem er Verteidigungsminister Sergei Schoigu den Angriff auf das Militärlager seiner Privatarmee vorgeworfen hatte, die südrussische Stadt Rostow am Don von seinen Einheiten besetzen lassen. Bei ihrem Vormarsch auf die russische Hauptstadt schossen die Wagner-Truppen mehrere Hubschrauber und ein Flugzeug ab; mehrere Besatzungsmitglieder starben.
Dass der Aufstand von Prigoschin nach den Verhandlungen mit Lukaschenko aber so plötzlich abgebrochen wurde, sorgt noch immer für Fragezeichen. Igor Sushko glaubt, dass Moskau womöglich gar nie Prigoschins letztes Ziel gewesen sei. Stattdessen sei es Woronesch-45 gewesen. Auf Twitter verbreitet er seine Theorie:
Dass Putin den rebellischen Prigoschin am 29. Juni – 5 Tage nach dessen Aufstand – zu einem klärenden Gespräch in den Kreml eingeladen hat, zeigt, dass er die Macht des Wagner-Chefs nicht unterschätzt.
Am Wochenende hatten auch Experten des US-Instituts für Kriegsstudien ISW darauf hingewiesen, dass die Wagner-Armee eine «potenzielle Gefahr» für «Putins Regime» darstelle. Putin habe entweder ein bemerkenswertes Vertrauen in die beteuerte Loyalität Prigoschins oder er sei unfähig, gegen die Wagner-Truppen vorzugehen, meinten die ISW-Experten. Sie gehen davon aus, dass derzeit hinter den Kulissen die Zukunft der Söldner-Armee ausgehandelt wird.
Dass dabei Nuklearwaffen eine Rolle spielen, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Doch nur schon die Tatsache, dass die Wagner-Gruppe gemäss diverser Quellen so einfach in einen Nuklearstützpunkt einmarschieren konnte, gleicht einer Machtdemonstration der Wagner-Gruppe, die Putin wohl zu denken gibt.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Aber wenn man dem inzwischen völlig durchdrehenden Medwedev so zuhört, wird man sehr unsicher, wen im Russischen Reich des Bösen und der abgründigen Verlogenheit man überhaupt noch mit der Verantwortung über das russische Atomwaffen-Overkill-Arsenal betraut haben möchte...
Ich befürchte, dass in diesem Agressorkrieg (RUS-UKR) und dem internen Bürgerkrieg (RUS) früher oder später ein Nuklearsprengkörper gezündet wird. Die Frage ist nur noch wann, wo, von wem und ob es absichtlich oder durch einen Fehler geschieht.