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Schröder verklagt Bundestag wegen Verlustes seiner Sonderrechte

Schröder verklagt den Bundestag – weil er seine Sonderrechte zurückhaben will

Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder verklagt den Bundestag auf Wiederherstellung seiner im Mai entzogenen Sonderrechte. Er kritisiert den Grund für den Entzug: Nicht wahrgenommene «nachwirkende Dienstpflichten».
12.08.2022, 15:34
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Schröder will sein Büro zurück

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder lässt das Urteil des Bundestags nicht auf sich sitzen. Er will seine Sonderrechte zurück, die ihm im Mai entzogen worden waren. Der 78-Jährige verlangt, dass ihm wieder ein Altkanzler-Büro mit Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird, wie Rechtsanwalt Michael Nagel aus Hannover der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mitteilte.

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Ist mit dem Entscheid des Bundestags nicht einverstanden: Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder.Bild: keystone

Die Klage sei beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht worden, sagte Nagel, der als einer der renommiertesten Strafrechtler Deutschlands gilt. Der Beschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses, Schröder (SPD) die Mittel für die Ausstattung seines Büros im Bundestag zu streichen, sei rechtswidrig, heisst es in einer der dpa vorliegenden Erklärung der Anwaltskanzlei.

Die ominösen «nachwirkenden Dienstpflichten»

Es werde «behauptet, Herr Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder nehme die sog. ‹nachwirkenden Dienstpflichten› nicht mehr wahr». Dabei werde «aber nicht festgelegt, was ‹nachwirkende Dienstpflichten› überhaupt sind, wie ihre Wahr- bzw. Nichtwahrnehmung zu ermitteln ist und welches Procedere es im Übrigen dabei einzuhalten gilt», heisst es in der Erklärung weiter.

Dem ganzen Vorgang stehe «auf die Stirn geschrieben, dass andere Gründe, als die anhand der ‹neuen Regeln› vorgegebenen, für die Entscheidung des Haushaltsausschusses massgeblich waren». Solche Entscheidungen erinnerten «im Hinblick auf die Art und Weise ihrer Entstehung eher an einen absolutistischen Fürstenstaat» und dürften in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Bestand haben, erklärten Schröders Anwälte.

Über 400'000 Euro Personalausgaben in seinem Büro

Der sozialdemokratische Altkanzler steht wegen seines Engagements für russische Energiefirmen und seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin massiv in der Kritik. Der Haushaltsausschuss hatte die teilweise Streichung von Schröders Privilegien aber ausdrücklich nicht mit dessen Arbeit für die Energiefirmen oder seiner Haltung zum russischen Krieg in der Ukraine begründet.

Vielmehr solle die «Ausstattung ehemaliger Kanzler nach den fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt erfolgen», heisst es in der Regelung. Offenbar konnten die Parlamentarier diese bei Schröder nicht erkennen. Für Personalausgaben in seinem Büro waren im vergangenen Jahr mehr als 400'000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Sein Ruhegehalt in Höhe von 8300 Euro erhält Schröder nach dem Beschluss ebenso weiter wie den Personenschutz.

So reagiert die Politik

FDP-Haushälter Otto Fricke verteidigte die Entscheidung des Haushaltsausschusses. «Als Haushälter müssen wir immer auf die vernünftige Verwendung dieses Geldes achten – und die war beim Büro des Altkanzlers nicht mehr gegeben», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki reagierte gelassen. «Ich halte zwar die Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage Gerhard Schröders gegen den Deutschen Bundestag für extrem gering, dies aber gerichtlich überprüfen zu lassen, ist sein gutes Recht», sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur.

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Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki äusserte sich pragmatisch zu Schröders Klage.Bild: keystone

Regierungssprecher Steffen Hebestreit kommentierte: «Grundsätzlich steht in einem Rechtsstreit der Rechtsweg jedem offen.» Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Entscheidung des Ausschusses im Mai als «folgerichtig» begrüsst. Das Europäische Parlament hatte sich mit grosser Mehrheit für Sanktionen gegen Schröder ausgesprochen. Am Montag hatte die Schiedskommission der SPD in Schröders Heimatstadt Hannover einen Parteiausschluss des Altkanzlers abgelehnt.

Die CSU sprach Schröder wegen seiner Klage jeden Anstand ab. «Als Putin-Lobbyist vertritt er definitiv keine deutschen Interessen. Dafür will er Sonderrechte auf Kosten des Steuerzahlers? Dreist!», schrieb Generalsekretär Martin Huber auf Twitter. In Anspielung auf das Urteil der Schiedskommission fügte er hinzu: «Aber in der SPD ist er ja nach wie vor herzlich willkommen.» (saw/sda/dpa)

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65 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Juliet Bravo
12.08.2022 16:27registriert November 2016
Für mich ist Herr Schröder eine Schande für die Sozialdemokratie und ganz sicher ist er schon lange kein Genosse mehr!
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tychi
12.08.2022 15:47registriert Juli 2016
Was für ein verbitterter alter Mann... Schröder will seine Sonderrechte zurück, seinen Anstand und seine Ehre kriegt er aber so nicht mehr wieder.
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stormcloud
12.08.2022 15:43registriert Juni 2021
IchkriegdenHalsnichtvoll hat natürlich das Recht zu klagen, wie jeder andere auch. Mit Anstand hat das jedoch nichts zu tun, absolut nichts. Ein "Sozialdemokrat" rafft, was er nur irgendwie kriegen kann....

Wenn ich bedenke, dass ich diesen Typen mal gewählt habe....😳
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