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Putins Grossoffensive: Wo Russland am ehesten angreift

Putins Grossoffensive: Wo Russland am ehesten angreift

06.02.2023, 18:45
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Am 24. Februar 2023 jährt sich die russische Invasion in die Ukraine. Aus dem geplanten Handstreich wurde nichts. Stattdessen forderte die erbitterte Abnützungsschlacht bisher über 200’000 Tote. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Experten sind sich sicher, dass die schlimmsten Monate des Krieges noch bevorstehen und Russland eine Grossoffensive plant: «Wir wissen, wie sehr sie [die russische Regierung, Anm. d. Red.] Symbolik lieben. Wir gehen deshalb davon aus, dass sie um den 24. Februar etwas planen», erklärte der ukrainische Verteidigungsminister gegenüber dem französischen Fernsehsender BFMTV letzte Woche.

Vor allem drei Szenarien werden dabei immer wieder genannt: Ein erneuter Angriff auf Kiew, ein Angriff im Süden auf Saporischschja, ein Angriff im Osten.

Ein erneuter Marsch gegen Kiew

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bild: Wikimedia/Basque mapping mit editing von watson.ch

Vor der Invasion ging man in Moskau davon aus, dass die gegnerische Armee schnell kollabieren und die Zivilbevölkerung die Besatzer euphorisch begrüssen würde. Dementsprechend hoch waren die Ambitionen, dementsprechend dilettantisch die Angriffsbemühungen. Der kilometerlange Monsterkonvoi auf Kiew blieb stecken, wurde aufgerieben und musste unverrichteter Dinge wieder umkehren. Russland kassierte eine erste schwere Blamage. Ausserdem offenbarte die Schmach vor Kiew die enormen logistischen Probleme.

Trotzdem schliessen einige westliche Experten einen erneuten Angriff auf die Hauptstadt nicht kategorisch aus. Putin habe, so die Begründung, seine eigentlichen Kriegsziele noch nicht revidiert.

Der kürzeste Weg nach Kiew führt über Belarus. Dort sind aktuell 12’000 russische Soldaten stationiert. Zu wenig, um eine Millionenstadt einzunehmen. Zum Vergleich: Auch mit einem Vielfachen an Soldaten ist es Russland bisher nicht gelungen, Bakhmut einzunehmen. Die Stadt im Nordosten der Oblast ist mit 70’000 Einwohnern (vor dem Krieg) um ein Vielfaches kleiner. Hinzu kommen veränderte Vorzeichen. Russland antizipierte eine wohlwollende Bevölkerung und damit eine relativ problemlose langfristige Besetzung. Doch statt Blumen gab es Trommelfeuer. Die Frage, wie eine vor Hass triefende Grossstadt kontrolliert werden kann, dürfte in Moskau für rauchende Köpfe sorgen.

Ein Angriff von Saporischschja

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bild: wikimedia/basque mapping mit editing von watson.ch

Wie Luhansk und Donezk gehört auch Saporischschja zu den vier Gebieten, die sich Russland mit einem Scheinreferendum einverleibte. Und wie Luhansk und Donezk wurde auch die Oblast Saporischschja nie ganz eingenommen. Unter russischer Kontrolle ist das hiesige Kernkraftwerk, nicht aber die gleichnamige Stadt am Ufer des Dnipro und das sich darin befindende Wasserkraftwerk. Beides wird als mögliches Ziel einer russischen Grossoffensive gesehen. Dafür spricht, dass laut einem Berater des ins Exil geflüchteten Bürgermeisters von Mariupol zusätzliche 10’000 bis 15’000 russische Einheiten im südöstlich gelegenen Mariupol stationiert wurden.

In der zerstörten Stadt am Asowschen Meer haben die Besatzer derweil den Zugang zum Internet gekappt. Die Bevölkerung ist auf russische Informationsquellen angewiesen. Diese vermelden Befehle, die Städte Wuhledar und Saporischschja wie auch verschiedene Gebiete südwestlich von Bachmut und in der Oblast Saporischschja anzugreifen. Ukrainische Beobachter glauben dabei an eine reine Desinformationskampagne. Für sie ist eine Offensive im Süden kaum vorstellbar.

Ein Angriff im Osten

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bild: wikimedia/basque mapping mit editing von watson.ch

Die Gebiete von Luhansk und Donezk sind seit Kriegsbeginn hart umkämpft. Trotz enormem Einsatz und hohen Verlustzahlen ist es den Invasoren bisher nicht gelungen, die zwei Oblaste komplett unter Kontrolle zu bringen. Aktuell wütet der Stellungskrieg vor allem um Bachmut. Die Salzmetropole der Ukraine wurde dabei beinahe komplett zerstört.

Nun sei bei Wladimir Putin der Geduldsfaden gerissen, meldet der ukrainische Geheimdienst. Russlands Machthaber soll schon Mitte Januar den Befehl erteilt haben, die beiden Oblaste bis Ende März komplett zu erobern. An Mannstärke soll es dabei nicht fehlen. Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksej Reznikow soll Russland rund 500’000 Soldaten mobilisiert haben. Viele davon stünden bereits an der Grenze: «Offiziell sind 300’000 angekündigt worden, doch wir sehen die Truppen an den Grenzen. Und wir gehen von einer viel höheren Zahl aus.» Es wird davon ausgegangen, dass der Kreml seine Soldaten mit wenig Rücksicht auf Verluste anrennen lassen will.

An eine Offensive in Luhansk und Donezk glaubt auch der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Oleksij Danilow. Dort sei die Zivilbevölkerung aus ihren Häusern vertrieben worden. Dahinter stehe der Versuch, zu verhindern, dass russische Stellungen an die ukrainische Armee verraten würden.

Die meisten Experten glauben deshalb an eine Grossoffensive im Osten der Ukraine. Dafür spricht auch die Rede von Waleri Gerassimow am 22. Dezember 2022. Der Oberbefehlshaber des Überfalls auf die Ukraine erklärte bereits damals, die Einnahme des Donbas sei mit das wichtigste Kriegsziel.

Im gefährlichsten Land der Welt wurde gerade ein Mega-Gefängnis eingeweiht

Video: watson/lucas zollinger
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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Typu
06.02.2023 21:17registriert Oktober 2015
Die Unterstützung der Ukraine ist zu zaghaft und zu langsam. Russland ist auf Dauer so nicht zu stoppen. Gang zulegen sonst endet das übelst.
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Kanzo
06.02.2023 20:11registriert Mai 2022
Ich hoffe mal das Putin mit seiner Geduld
dermaßen dämlich ist, um wieder am Jahrestag anzugreifen. Dann wiederholt sich das ganze Schlamm Spektakel.
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Milindli
07.02.2023 04:04registriert Dezember 2022
Im Kreml hat man inzwischen gemerkt, dass man die wahre Situation des Krieges nicht mehr schönreden kann. Im russichen Staats-TV redet man schon vom schlecht laufenden Krieg, V. Putins Irrtum, zerstörten Städten, humanitärer Katastrophe etc. Allerdings nur um direkt im Anschluss damit weiteren Krieg mit noch mehr Mobilisierten zu rechtfertigen.
Logik ist da nicht vorhanden. So etwas kann man nur manipulierten Menschen andrehen. Warum auch soll man sich noch in einen falschen Krieg schicken lassen.
V. Putin ist aber durchaus zuzutrauen, Russland für die Steinzeit klarzumachen.
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