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Das war angeblich der Plan hinter Prigoschins Meuterei

Das war angeblich der Plan hinter Prigoschins Meuterei

Hatte es der Wagner-Chef mit seiner Meuterei eigentlich auf die beiden wichtigsten russischen Militärchefs abgesehen? Das legt nun ein Medienbericht nahe.
29.06.2023, 02:4629.06.2023, 02:46
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Ein Artikel von
t-online

Jewgeni Prigoschin soll während seiner Meuterei am vergangenen Wochenende versucht haben, die zwei derzeit wichtigsten russischen Militärentscheider gefangen zu nehmen. Er soll es auf den Oberbefehlshaber der russischen Armee in der Ukraine, Waleri Gerassimow, und Verteidigungsminister Sergej Schoigu abgesehen haben – und sein Vorhaben beschleunigt haben, nachdem der russische Inlandsgeheimdienst von dem Komplott erfahren hatte. Das berichtet das «Wall Street Journal» am Mittwoch unter Berufung auf westliche Geheimdienstquellen.

In this handout photo taken from video released by Prigozhin Press Service, Yevgeny Prigozhin, the owner of the Wagner Group military company, records his video addresses in Rostov-on-Don, Russia, Sat ...
Jewgeni Prigoschin versuchte sich am vergangenen Wochenende mit einem Aufstand in Russland.Bild: keystone

Die beiden Militärs hatten einen Besuch in Rostow am Don geplant. Dort hätte die Gefangennahme stattfinden sollen, berichtet die US-Zeitung. Nach Angaben westlicher Beamter erfuhr der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) jedoch zwei Tage vor der Ausführung von dem Plan. Die «Festnahme» hätte offenbar am Wochenende der Meuterei stattfinden sollen.

Auch General Wiktor Solotow, Befehlshaber der russischen Nationalgarde, einer militärischen Einheit, die Präsident Wladimir Putin direkt unterstellt ist, sagte, dass die Behörden von Prigoschins Absichten wussten, bevor er seinen mutmasslichen Umsturzversuch startete.

Wagner-Chef Prigoschin hatte Gerassimow und Schoigu in der Vergangenheit in Videos, Audiobotschaften und Textbeiträgen in sozialen Medien immer wieder scharf angegriffen und ihnen vorgeworfen, seine Arbeit und die seiner Söldner unter anderem mit ausbleibenden Munitionslieferungen zu sabotieren. Er machte sie auch direkt verantwortlich für den Tod zahlreicher russischer Soldaten. Mehr dazu sehen Sie hier. Direkte Kritik an Kremldiktator Wladimir Putin hatte er vermieden, Prigoschin stand lange unter dessen Schutz.

Russian Defense Minister Sergei Shoigu, right, and Head of the General Staff of the Armed Forces of Russia and First Deputy Defense Minister Valery Gerasimov listen to Russian President Vladimir Putin ...
Sie sollten angeblich gefangengenommen werden: Waleri Gerassimow (links) und Sergej Schoigu. Bild: AP Pool Sputnik Kremlin

«Konkrete Informationen über die Vorbereitungen für einen Aufstand, der zwischen dem 22. und 25. Juni beginnen sollte, sind aus Prigoschins Lager durchgesickert», sagte der russische General Solotow am Dienstag zu staatlichen Medien.

Auch westliche Geheimdienste hatten laut «Wall Street Journal» durch die Analyse abgefangener elektronischer Kommunikation und Satellitenbilder früh von den Plänen Prigoschins erfahren. Entsprechende Beamte sagten der US-Zeitung demnach, sie glaubten, dass der ursprüngliche Plan gute Erfolgschancen hatte, aber scheiterte, nachdem die Verschwörung aufgedeckt wurde und Prigoschin gezwungen war, einen alternativen Plan zu vollziehen.

Nach Prigoschins Vorstellung hätte sich ein Teil der russischen Streitkräfte der Rebellion anschliessen und sich gegen die eigenen Befehlshaber wenden sollen, so der Geheimdienst laut «Wall Street Journal». Als Prigoschin von der undichten Stelle erfuhr, war er demnach gezwungen, am Freitag früher als geplant zu handeln; es gelang ihm daraufhin, die südrussische Stadt Rostow einzunehmen, einen wichtigen Kommandopunkt für die Invasion der Ukraine. Die aktuellen Entwicklungen nach dem Putsch-Versuch lesen Sie hier.

Am Mittwoch wurde dann bekannt, dass auch General Sergei Surowikin, der Befehlshaber der russischen Luft- und Raumfahrtkräfte, eingeweiht gewesen sein könnte. Das berichtete die «New York Times», der Kreml allerdings dementierte das als «Spekulationen und Tratsch». Surowikin war 2022 Oberbefehlshaber der russischen Armee in der Ukraine geworden und ist auch nach seiner Entlassung vom dortigen Posten in Russland weiter anerkannter Militär.

Surowikin war der erste ranghohe Kommandeur, der den Umsturzversuch am Freitag verurteilte und Prigoschin aufforderte, seine Männer zu stoppen. Truppen unter Surowikins Kommando führten Luftangriffe auf die Wagner-Kolonne durch. Es war der einzige Angriff regulärer Truppen gegen die Aufständischen.

Seit dem versuchten Marsch auf die russische Hauptstadt ist weiter unklar, wie es den Paramilitärs gelingen konnte, soweit ins Landesinnere vorzurücken, obwohl den Behörden wohl im Vorfeld Kenntnisse darüber vorlagen. Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass einige Kommandeure der regulären Streitkräfte an dem Komplott beteiligt gewesen sein könnten. Die Macht des Kremldiktators Putin gilt seitdem als massiv geschwächt.

Verwendete Quellen:

  • wsj.com: "Wagner’s Prigozhin Planned to Capture Russian Military Leaders" (englisch)

(t-online, cli)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rötzpötz
29.06.2023 10:17registriert März 2014
Ich erinnere an dieser Stelle gerne:
Vor nicht allzu langer Zeit hat Putin die Existenz von Wagner stets geleugnet. Nun hat genau dieser Putin vor zwei Tagen eingeräumt, dass die Wagner-Armee vollkommen vom russischen Staat finanziert wurde.
Nimmt mich wunder, was all die Putin-Bewunderer dieses mal für Ausreden bereit halten!
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