Nach dem gescheiterten Aufstand der Wagner-Söldner wachsen die Sorgen um eine Destabilisierung Russlands. «Die Instabilität einer Atommacht ist gefährlich», warnte beispielsweise Christian Dussey, Direktor des Schweizer Nachrichtendiensts (NDB), am Montag bei seinem Lagebericht «Sicherheit Schweiz 2023».
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn erklärte vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen, dass Russland sich in einem «kläglichen Zustand» befinde. Es bestehe die Gefahr, dass das «Monopol der öffentlichen Macht, der Militärs, der Polizei» bald nicht mehr in der Hand der Regierung sein könnte. Eine Destabilisierung des Landes könne zu grossen Problemen führen – «nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt», gibt Asselborn zu bedenken. Dann nämlich, wenn im Chaos fragwürdige Kräfte Zugriff auf den Nuklearwaffenbestand des Landes erhielten.
Seit Beginn des Krieges mit der Ukraine im Februar 2022 drohte Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder mit Atomwaffen, zuletzt Ende März dieses Jahres. Bislang blieb es bei Drohungen – vom Tisch ist der Einsatz von Nuklearwaffen aber noch nicht. Vor allem dann nicht, wenn noch radikalere, nationalistische Kräfte die Macht in Russland übernehmen sollten. Der ehemalige stellvertretende NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow meinte zuletzt, dass ein gestürztes Putin-Regime wohl nicht in der Lage wäre, den Zugang zu den Nuklearcodes sehr lange oder überhaupt zu verweigern.
Russland ist derzeit die grösste Atommacht der Welt. Von den rund 12'500 Atomwaffen auf der Welt gehören 5889 den Russen, wie das Nuclear Notebook des «Bulletin of the Atomic Scientists» festhält. 4489 davon sollen funktionsfähig sein, 1400 wurden ausser Dienst gestellt und sollten im Laufe der Zeit im Rahmen der Abrüstungsverträge vernichtet werden. Experten gehen davon aus, dass Russland zurzeit rund 1674 Sprengköpfe unmittelbar – das heisst innert weniger Minuten – einsetzen könnte.
Die Hälfte dieser sofort einsetzbaren Atombomben würde mit Trägerraketen von Land aus abgeschossen, etwa 580 sind für die Atom-U-Boote vorgesehen, der Rest würde von den 60 bis 70 schweren Bomberflugzeugen abgeworfen.
Unterschieden werden ausserdem strategische und taktische Atomwaffen. Strategische Atomwaffen werden nicht im direkten Gefecht, sondern über weite Distanzen eingesetzt. Taktische Nuklearsprengköpfe haben dagegen eine kürzere Reichweite sowie eine geringere Sprengkraft und können deshalb auch auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden. Sie sind als Kräfteausgleich vorgesehen, wenn eine Kriegspartei ihre militärischen Ziele mit konventionellen Waffen nicht erreichen kann.
Mitte der 1980er-Jahre hatte sich Russland mit den USA auf einen Abbau atomarer Langstreckensysteme geeinigt. 2009 wurde der Vertrag verlängert, womit sich beide Staaten verpflichteten, ihre atomaren Sprengköpfe auf maximal 1550 und die Zahl der Trägersysteme wie Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützte Raketen und Bomber auf 800 zu reduzieren. Seit letztem Sommer sind die gegenseitigen Kontrollen von Russland allerdings gestoppt worden.
Trotz nuklearer Abrüstung arbeitet Russland seit mehreren Jahrzehnten gleichzeitig auch an der Modernisierung seiner atomaren Streitkräfte. Gemäss Verteidigungsminister Sergei Schoigu wurden die alten Waffensysteme bis 2021 zu knapp 90 Prozent durch neue ausgetauscht.
Gemäss zwei Atomwaffen-Experten des James Martin Center for Nonproliferation Studies ist das russische Atomwaffen-Arsenal auf rund 48 Standorte im ganzen Land verteilt, ein Grossteil davon liegt im Westen des Landes nahe der Grenze zur NATO. Die strategischen Raketen lagern in etwa zwölf Standorten über ganz Russland verteilt. Hinzu kommen rund 35 Basis-Depots für die taktischen Atomwaffen. Ausserdem steht die im März von Putin angekündigte Stationierung von Atomsprengköpfen in Belarus kurz bevor.
Zu den grossen Raketen-Basen im Westen zählen Kozelsk, 200 Kilometer südwestlich von Moskau, und Tatischchevo, 600 Kilometer südöstlich von Moskau. Die Depots für die Atom-U-Boote liegen in zwei Basen in der Nähe von Murmansk und in Rybachiy an der Pazifikküste. Die Atom-Bomber sind auf der Engels-Basis 600 Kilometer südöstlich von Moskau und in Russlands fernem Osten an der Grenze zu China stationiert. Uneins sind sich die Experten, ob auch in der russischen Enklave Kaliningrad Atombomben gelagert sind.
Städte in europäischen NATO-Ländern können laut Experten innerhalb von 20 Minuten von russischen ballistischen Raketen zerstört werden. Für die grösseren US-Metropolen beträgt der Zeitrahmen ungefähr 30 Minuten.
Als gesichert gilt, dass es in Russland drei sogenannte Atomkoffer («Cheget») mit Abschuss-Codes gibt. Einer ist im Besitz von Präsident Putin, einer ist bei Verteidigungsminister Sergei Schoigu und der dritte Koffer bei Generalstabschef Waleri Gerassimow. Präsident Putin ist zwar der oberste Entscheidungsträger beim Atomwaffen-Einsatz, kann einen solchen aber nicht allein anordnen.
Dafür sind die Codes aus zwei Atomkoffern notwendig – der Präsident ist also auf einen der beiden Generäle angewiesen. «Dieses System dient als Absicherung gegen einen schwerwiegenden Fehler bei der Anwendung der Nuklearwaffen», erklärte Putins Top-Propagandist Boris Solowjow im letzten Jahr.
Wie genau die Autorisierung eines Nuklearangriffs abläuft, ist allerdings nicht bekannt. Militärs wiesen bereits darauf hin, dass in der Atom-Befehlskette noch weitere Personen an den Schaltknöpfen sitzen und in einer instabilen Lage möglicherweise einem Abschussbefehl ohne äussere Bedrohung nicht Folge leisten. «Die gut ausbildete, sehr professionelle militärische Führung in Russland würde zögern, diese rote Linie zu überschreiten. Das sind keine Wahnsinnigen», erklärte ein ungenannter NATO-Diplomat gemäss der Morgenpost.
Unwahrscheinlich ist auch, dass eine schwer bewaffnete Truppe von Aufständischen einige taktische Sprengköpfe aus einem Atom-Depot mitnimmt und auf dem Schlachtfeld einsetzt. Wie Militärwissenschaftler Pavel Podvig vom Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung in Genf zuletzt ausführte, sind diese ohne Hilfe von Soldaten der regulären Atomeinheiten nicht zu verwenden. Nur schon die Verbindung mit dem Trägersystem sei eine hochkomplexe Aufgabe. Als grösste Gefahr gilt deshalb eine sogenannte «schmutzige Bombe», bei der konventioneller Sprengstoff mit radioaktivem Material gemischt wird.
Pitch Black
Maya Eldorado
Die Amis haben nicht wenige solche Waffen in Europa stationniert. Ich kann mir nicht vorstelen, dass da die Amis nicht zurückschiessen.
Dann brauchen wir uns auch nicht mehr um die Bevölkerungsexplosion zu kümmern.
manuel0263
Wenn ein Mann in der damaligen Sowjetunion nicht mitgedacht hätte, dann hätten die Russen vor einiger Zeit bereits aufgrund einer Fehlermeldung fast WW3 ausgelöst. Geehrt worden ist er dafür nicht, obwohl er es verhindert hat.
Siehe bitte:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow